Zinserhöhung

Viele heikle Themen für die kommende EZB-Sitzung

Bei der kommenden EZB-Sitzung steht eine neuerliche Zinserhöhung an. Zuletzt mehrten sich die Wortmeldungen in Richtung weiterer 75 Ba­sispunkte. Beim Thema Bilanzabbau könnte es erste Weichenstellungen geben.

Viele heikle Themen für die kommende EZB-Sitzung

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einer weiteren wegweisenden Sitzung. Dabei geht es am nächsten Donnerstag nicht nur um die Frage, wie stark die avisierte dritte Zinserhöhung in Folge ausfällt und welches Signal die EZB damit mit Blick auf die Inflationserwartungen setzt. Zunehmend rückt auch die Frage in den Fokus, wie weit die Euro-Leitzinsen überhaupt noch steigen werden. Und schließlich gewinnt die Debatte über den Abbau der aufgeblähten EZB-Bilanz an Tempo – und Brisanz.

In Sachen Leitzinsen ist klar, dass es im Kampf gegen die Rekordinflation weiter nach oben gehen wird – die entsprechenden Signale aus der EZB sind da eindeutig. Nach einigem Zögern hatte die EZB im Juli die Zinswende eingeleitet und ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben. Im September legte sie dann mit 75 Punkten nach – die stärkste Zinserhöhung seit der Euro-Einführung 1999. Jetzt wird es die dritte Anhebung in Folge geben und die Frage ist nur, wie stark sie ausfallen wird.

Zuletzt mehrten sich die Wortmeldungen in Richtung weiterer 75 Ba­sispunkte – vor allem von „Falken“ wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Sie fordern ein weiteres klares Signal, um eine weitere Loslösung der Inflationserwartungen vom 2-Prozent-Ziel der EZB zu verhindern. Allerdings gibt es auch warnende Stimmen. Vor allem Notenbanker aus dem Euro-Süden warnen vor einer Überreaktion. Hintergrund ist, dass die Eurozone wegen des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise in eine Rezession abzugleiten droht.

Eng verknüpft damit ist die Frage, wie weit die Leitzinsen überhaupt noch erhöht werden sollen. Zuletzt schien im EZB-Rat Konsens zu sein, dass es in einem ersten Schritt ein Niveau braucht, das die Wirtschaft nicht mehr stimuliert und nicht bremst. Dieser sogenannte neutrale Zins scheint aktuell im EZB-Rat verbreitet bei knapp unter 2% gesehen zu werden – gemessen am Einlagenzins, der derzeit bei 0,75% liegt. Angesichts der hartnäckigen Inflation erscheint es aber immer fraglicher, ob das reicht oder die Zinsen in den restriktiven Bereich erhöht werden müssen, bei dem die wirtschaftliche Nachfrage gedrückt wird. An den Finanzmärkten wird aktuell auf Zinserhöhungen Richtung 3% spekuliert.

Mit der fortschreitenden Zinswende gerät schließlich auch die Bilanz der EZB in den Fokus, die insbesondere durch breite Anleihekäufe auf knapp 9 Bill. Euro aufgebläht ist. Die „Falken“ im Rat dringen darauf, bereits Anfang 2023 mit dem Abbau zu beginnen und auch so den Stimulus zu drosseln. Dieser Prozess dürfte aber eine Gratwanderung werden. Im Kontext der EZB-Bilanz gibt es zudem zunehmende Bestrebungen in der Notenbank, Zinsgewinne für die Banken aus besonders vorteilhaften Refinanzierungsgeschäften mit der EZB (TLTRO) zu verringern. Beim Thema Bilanzabbau könnte es bereits am Donnerstag erste Weichenstellungen geben – durch Änderungen in der Kommunikation. Bei den TLTROs scheinen sogar schon konkrete Entscheidungen wahrscheinlich.

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