Im InterviewMartin Lück, Blackrock

„2024 kommt es auf die Qualität der Unternehmen an“

Konjunkturschwäche, aber auch mögliche Leitzinssenkungen prägen den Ausblick an den Märkten. Martin Lück, Chief Investment Strategist von Blackrock, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung, wie sich Anleger positionieren sollten.

„2024 kommt es auf die Qualität der Unternehmen an“

Im Interview: Martin Lück

„2024 kommt es auf die Qualität der Unternehmen an“

Blackrock-Stratege: Aktien befinden sich in schwachem konjunkturellen Umfeld – Zinssenkungserwartungen an den Märkten verfrüht

ku Frankfurt

Das Umfeld der Finanzmärkte ist durch Konjunkturschwäche, aber auch die Perspektive von Leitzinssenkungen der großen Notenbanken gekennzeichnet. Martin Lück, Chief Investment Strategist für Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa von Blackrock, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung, wie sich Anleger 2024 positionieren sollten.

Herr Lück, wie stellt sich für Sie das konjunkturelle und politische Umfeld dar, in dem sich die Märkte gerade befinden?

Die Märkte haben sich daran gewöhnt, dass die Zinsanhebungen durch die großen Notenbanken zu Ende sind. Der Fokus liegt nun auf Zinssenkungen. Die Frage ist, wann diese beginnen werden, wie umfangreich diese sein werden und natürlich auch, in welchen Regionen sie stattfinden werden. Wir haben auch beobachtet, dass die Zustände, in denen sich die Märkte befinden, häufiger wechseln als früher. Wir nennen dies ein neues Investment-Regime. Das äußert sich dergestalt, dass wir jetzt kurzfristig eine herausragend positive Phase an den Märkten hatten, wie es sie selten gegeben hat. So war der vergangene Monat für Aktien und für Anleihen einer der stärksten November, die wir seit vielen Jahren hatten. Darin kommt quasi ein Goldilocks-Szenario zum Tragen, also eine Kombination aus einer weichen Landung der Konjunktur, wobei die Konjunktur auf der anderen Seite aber nicht so stark ist, als dass die Notenbanken zu weiteren Leitzinsanhebungen gezwungen wären. Hinzu kommt eine rückläufige Inflation vor allem in den USA. So liegt die Inflation in der Eurozone noch bei 2,4%, damit in unmittelbarer Nähe zum Inflationsziel der EZB. Außerdem kann man wohl davon ausgehen, dass es keine Rezession in den USA geben wird, was eine gewisse Entwarnung auf der Aktienseite gibt.

Wie reagieren die Marktteilnehmer auf diese Entwicklung?

Der Markt antizipiert nun die ersten Zinssenkungen. Das zeigt der deutliche Rückgang der Renditen, der zuletzt zu beobachten war. So ist im November die Rendite zehnjähriger US-Treasuries um 80 Basispunkte gesunken. Das hat den Bondmärkten weltweit einen enormen Rückenwind gegeben. So haben sich die Preise von Anleihen im November global um rund 4,5% erholt. Und auf der Aktienseite sehen wir eine beginnende Jahresendrally.

Gemäß dem Fed Watch Tool der Chicagoer Terminbörse CME wird in den USA inzwischen mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% damit gerechnet, dass es bereits bis Ende März eine erste Leitzinssenkung durch die amerikanische Notenbank geben wird. Ist diese Markterwartung übertrieben?

Ich halte diese Perspektive in den Markterwartungen für einigermaßen verfrüht. In den USA geht die Inflation zwar zurück auf aktuell 3,5%, sie sinkt aber relativ langsam. Ich glaube, dass die Fed erst dann, wenn die Kernrate für die privaten Konsumausgaben auf 2,5% oder darunter gesunken ist, damit beginnen wird, die Zinsen zu senken. Insofern ist der Markt hier etwas zu optimistisch. Und natürlich muss man auch berücksichtigen, dass sich die Fed durchaus der Tatsache bewusst ist, dass die Inflation auch rasch wieder steigen kann. Hier spielt rein, dass, wie ich bereits erwähnte, wir gegenwärtig einen schnelleren Wechsel der Marktzustände haben. Stellen wir uns ein Szenario vor, in dem die Inflation aufgrund sinkender Energiepreise, aufgrund von Basiseffekten oder auch einer langsamer laufenden Konjunktur zunächst zurückgeht, dann aber wieder steigt. Vor genau einem solchen Szenario hat übrigens auch vor einiger Zeit Fed-Chairman Jerome Powell gewarnt. So etwas könnte vielleicht schon zur Jahresmitte geschehen, weil sich beispielsweise der Lohndruck auf dem Arbeitsmarkt bei einer sinkenden Zahl freier Stellen wieder verstärkt oder weil die Energiepreise wieder zulegen. Es können auch die strukturellen Inflationstreiber, beispielsweise die Zunahme der Fragmentierung der Welt angesichts der Reduzierung der Globalisierung, schneller wirksam werden als allgemein erwartet. Mit Blick auf solche Szenarien ist eine Zentralbank natürlich sehr zurückhaltend mit Entscheidungen, die sie möglicherweise bereits nach kurzer Zeit schlecht aussehen lassen. Daher wird die Fed vermutlich eine stärkere Bestätigung sehen wollen, dass der Rückgang der Inflation nachhaltig ist. Außerdem wird die Fed in einer Situation, in der die Konjunktur einigermaßen robust bleibt und die Lage am Arbeitsmarkt sich nicht dramatisch verschlechtert, keinen Druck verspüren, allzu schnell die Zinsen zu senken.

Gibt es damit ein größeres Rückschlagpotenzial an den Märkten?

Es gibt sicherlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass allzu optimistische Erwartungen wieder ausgepreist werden. Aber Ähnliches haben wir im zu Ende gehenden Jahr auch bereits gesehen. Das hat zu einigen volatilen Situationen an den Märkten geführt, aber es hat kein Drama gegeben. Das ist das ganz normale Auf und Ab im Tagesgeschäft der Märkte, wobei wir grundsätzlich ja mit einer höheren Volatilität an den Märkten rechnen als in der Vergangenheit. Die Gefahr einer größeren Korrektur würde ich nur dann sehen, wenn die Erwartungen der Märkte noch optimistischer werden sollten.

Betrachten wir die Perspektiven für die einzelnen Asset-Klassen. Wie sind die Aussichten für die Aktienmärkte im kommenden Jahr?

Bei Aktien kommt es natürlich in erster Linie darauf an, ob Unternehmen ansprechende Umsätze und Gewinne erzielen können. Das hängt natürlich stark von der konjunkturellen Entwicklung ab. Grundsätzlich muss man sagen, dass die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum eher mau sind. Wir rechnen mit einem schwachen Jahr, der Internationale Währungsfonds veranschlagt den Anstieg des durchschnittlichen Bruttoinlandsproduktes in den Industrieländern mit lediglich 1,4%. Es gibt unserer Meinung nach keine große Weltregion, die sich davon deutlich positiv unterscheidet. Die US-Volkswirtschaft dürfte unter ihrem langfristigen Wachstumstrend bleiben. Für die Eurozone rechnet der IWF mit einem Wirtschaftswachstum von 0,9%, was meiner Meinung nach noch viel zu optimistisch ist. Auch in Japan wird die Wirtschaft im kommenden Jahr schwächer sein als 2023. Und in China wird die Konjunktur 2024 vermutlich nicht so stark werden, wie es sich vielleicht mancher erhofft.

Worauf sollten Aktienanleger in einem derart schwierigen Umfeld achten?

Es wird auch 2024 wieder auf die Qualität der einzelnen Unternehmen ankommen, inwieweit diese in der Lage sein werden, aus den vorhandenen Umsätzen ansprechende Margen herauszuholen. Hier kommt es unter anderem auf Preisüberwälzungsspielräume an. Wenn wir uns nun fragen, in welchen Branchen dies in besonderem Maß gegeben ist, fällt in erster Linie die Technologiebranche auf. Potenzial sehen wir aber auch in Europa bei den Finanzinstituten, die von einer positiven Entwicklung bei den Nettozinsmargen profitieren, die so lange andauern wird, bis die Institute auf der Einlagenseite wieder höhere Aufwendungen haben. Außerdem ist eine steilere Zinsstrukturkurve, wie wir sie für das kommende Jahr erwarten, für Banken stets positiv. Hervorheben sollte man auch den Gesundheitssektor, der einerseits von der aktuellen Situation profitiert und andererseits von einer langfristigen strukturellen Verschiebung, nämlich der Alterung vieler Gesellschaften mit einem steigenden Bedarf für Leistungen des Gesundheitswesens.

Welche Regionen halten Sie für die Aktienanlage im kommenden Jahr für besonders interessant?

Nun, 2023 haben die Aktienmärkte der Industrieländer eine etwas stärkere Performance gezeigt als erwartet, während sich die Schwellenländer als etwas schwächer erwiesen haben. Im kommenden Jahr könnte sich das fortsetzen, ich rechne also nicht mit großen Änderungen. Ich gehe davon aus, dass die qualitativ hochwertigen Unternehmen eher in den Industrieländern in der Lage sein werden, den Markt zu prägen. In den Schwellenländern könnten wir Gegenwind bekommen, weil die Zentralbanken die Zinsen stärker senken könnten als in den Industrieländern, womit Abwertungsgefahr für die lokalen Währungen besteht. Ausländische Investoren könnten damit die höheren Gewinne in den Schwellenländern durch Währungsverluste wieder verlieren. Aus heutiger Perspektive könnte man damit vielleicht für eine Gleichgewichtung von Aktien aus den Industrieländern und den Schwellenländern plädieren, Blackrock ist derzeit taktisch sogar etwas stärker positioniert für die Emerging Markets und etwas zurückhaltender für die Industrieländer. Das kann sich mit dem Fokus auf 2024 aber noch ändern.

Wie sind die Aussichten für die Anleihenmärkte, die ja von den sinkenden Zinsen profitieren sollten?

Es wird 2024 höchstwahrscheinlich kein weiteres Schreckensjahr für Anleihen geben, weil die Tendenz bei den Zinsen abwärts gerichtet ist. Allerdings kommt es darauf an, auf welchem Abschnitt der Zinsstrukturkurve und in welchen Regionen dies besonders ausgeprägt sein wird. Wir gehen davon aus, dass sich die Invertierung der Zinsstrukturkurve reduzieren wird, wodurch sich Kurspotenzial für Anleihen vor allem am kurzen Ende ergeben wird. Das gilt sowohl für die USA als auch für Europa mit der Erwartung, dass die Zentralbankzinsen sinken werden. Am langen Ende dürfte es unterschiedliche Entwicklungen in den Regionen geben. So glauben wir beispielsweise nicht, dass die Märkte in den USA die Inflationserwartungen ausreichend eingepreist haben. Wir gehen davon aus, dass beispielsweise in der fünfjährigen Perspektive die Inflation höher sein wird als derzeit an den Märkten erwartet. Das bedeutet, dass dort die Zinsen am langen Ende noch ein wenig steigen könnten oder dass bei einer Verschiebung der gesamten Kurve nach unten das lange Ende weniger stark nachgeben könnte als das kurze Ende. Insofern ist am US-Markt am langen Ende etwas mehr Vorsicht geboten als am europäischen Markt.

Wie sieht es am europäischen Markt aus?

In Europa stellt sich mit Blick auf das lange Ende des Marktes vor allem die Frage, wie sich die Fiskalpolitik entwickelt.  Wird die Fiskalpolitik nun deutlich restriktiver, auch mit Blick auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts? Es könnten sich auch Auswirkungen ergeben auf die Spreads südeuropäischer Anleihen. Andererseits ist es auch denkbar, dass es in Richtung einer neuen Art von Schuldenvergemeinschaftung geht. Derartige Fragen bewegen das lange Ende der Zinsstrukturkurve. Aus heutiger Sicht gibt es in Europa aber mit Blick auf die Laufzeitprämie weniger Risiko als in den USA.

Und bei Anleihen aus den Schwellenländern? Dürften dann europäische Investoren unter den von Ihnen erwarteten Währungskursverlusten leiden?

Richtig, es gilt dasselbe Bild wie bei den Aktien. In den Emerging Markets gibt es höhere Zinsen, aber auch höhere Governance-Risiken und jetzt zusätzlich noch das Währungsrisiko vor dem Hintergrund der dort schneller sinkenden Zinsen. Daher plädieren wir bei den Anleihen aus den Emerging Markets auch eher für eine neutrale Gewichtung.

Sind Anleihen aus dem High-Yield-Bereich 2024 interessant?

Bei den High-Yield-Anleihen gibt es immer eine starke Reaktion auf Rezessionen. Und beispielsweise für die USA können wir eine Rezension nach wie vor nicht völlig ausschließen, auch wenn das Risiko geringer geworden ist. Wir wissen auch, dass die Wirkungsverzögerung von Geldpolitik sehr lang sein kann. Es gibt auch steigende Ausfallquoten, was aber durchaus im Einklang mit dem Konjunkturzyklus steht. Für all das werden Anleger bei High-Yield-Anleihen oft nicht ausreichend kompensiert oder, anders ausgedrückt, die Spreads zu Investment Grade sind nicht groß genug. Daher kann es gegenwärtig sinnvoller sein, in Investment Grade zu investieren.

In den vergangenen Jahren sind die Energieversorgung Europas und die Preise an den Märkten für Energieträger eines der größten Risiken für die Märkte gewesen. Aktuell sieht die Situation relativ entspannt aus, mit gut gefüllten Gasspeichern in Europa und einem relativ niedrigen Ölpreis. Wird die Lage entspannt bleiben?

Wir sind im vergangenen Winter so gut davongekommen, weil unter anderem die Witterung so mild war. Unsere gegenwärtig zu 100% vollen Gasspeicher dürften nicht mehr so gut gefüllt sein, wenn wir einige Wochen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt haben sollten. Aber die Energiepreise sind natürlich auch von der Geopolitik abhängig. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass Deutschland nun auch Gas aus anderen Teilen der Welt bekommt, aber die Preise, die bezahlt werden müssen, sind sehr hoch. Wir sehen zwar eine Normalisierung von den exzessiven und spekulativen Preisen des vergangenen Jahres, die von der Erwartung einer Gasmangellage getrieben worden waren. So etwas ist aktuell nicht zu erkennen, weshalb die Preise gesunken sind. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass der Gaspreis wieder steigen dürfte, wenn auch nicht auf die Niveaus von 2022.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Ölpreis entwickeln?

Die Opec plus möchte ihre Förderung weiter kürzen, wobei sich die Frage stellt, ob ihr das gelingen wird, weil wir sehen, dass sich die Opec nicht immer einig ist. Es ist nicht klar, ob die aktuell beschlossenen Förderkürzungen ausreichen, um die schwache weltweite Konjunkturentwicklung zu kompensieren. Die Faktoren, die den Ölpreis nach oben bewegen, und die den Preis drückenden Kräfte gleichen sich in etwa aus. Daher wird der Ölpreis vermutlich etwa auf dem Niveau bleiben, auf dem er sich gegenwärtig befindet. Eine dramatische Abweichung von diesem Niveau werden wir vermutlich nur dann sehen, wenn sich entweder die globale Konjunktur deutlich besser entwickelt als erwartet oder wenn es zu einer ausgeprägten Angebotsverknappung kommt, beispielsweise durch eine massive Eskalation im Nahen Osten, die nach wie vor nicht völlig auszuschließen ist.

Gegenwärtig werden Investments im Bereich der grünen Transition der Weltwirtschaft etwas zurückhaltender beurteilt. Bahnt sich hier eine grundlegende Neubeurteilung an?

Nein, die Perspektiven für Investments in den Übergang in eine kohlenstoffärmere Welt haben sich nicht geändert. Es hat zeitweise vielleicht auch einen stärkeren koordinierten internationalen Willen gegeben, bestimmte Veränderungen ins Werk zu setzen. Es wird aber nun deutlich, dass die Veränderungen an den Grenzen nationaler Interessen Halt machen, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Entwicklung schwieriger wird. Das spielt sich vor allem auf politischem Gebiet ab, ich würde es weniger an der Frage der technologischen Machbarkeit und der Finanzierbarkeit festmachen wollen. Möglicherweise gab es etwas zu viel Optimismus, wenn ein derart diffiziles Projekt erst auf den zweiten Blick oder in der längeren Frist ökonomisch interessant ist und Wohlstandseffekte kreiert, die man dann auch politisch verkaufen kann. Die technologischen und finanziellen Parameter in der Umsetzung dieser Projekte haben sich aber nicht verändert. Wir glauben, dass sich Klimaresilienz als Investmentthema langfristig durchsetzen dürfte und die Märkte dies aktuell noch nicht eingepreist haben.

Der Goldpreis ist zuletzt rasch und stark gestiegen und hat ein neues Rekordniveau erreicht. Ist das eine Übertreibung?

Ich glaube nicht, dass dies eine Übertreibung ist. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die den Goldpreis antreiben. So wird Gold von Investoren zur Risikominimierung und Volatilitätsglättung eingesetzt. Wir haben nun einmal eine volatilere Welt, insofern ist es für Finanzinvestoren absolut sinnvoll, Gold zu halten. Gold wird außerdem zur Absicherung von Inflationsrisiken eingesetzt. Noch haben wir eine relativ hohe Inflation. Diese sinkt zwar langsam, das ist aber noch kein Grund, um Gold-Investments abzubauen. Wir können nach wie vor diesen Inflationsschutz gebrauchen. Insofern halte ich es für sehr rational, dass sich jetzt viele Investoren in Gold positioniert haben. Es könnte sinnvoll sein, den Anteil von Gold im Portfolio zu erhöhen, zumal Gold meist nur eine Beimischung im Portfolio darstellt.

Wird es denn einen weiteren Anstieg des Goldpreises geben?

Wahrscheinlich haben wir den größeren Teil des Preisanstiegs bei Gold bereits gesehen. Es kommt nun darauf an, wann es erste Zinssenkungen geben wird und wie stark die Zinsen fallen. Hier könnte sich noch einmal eine Unterstützung für den Goldpreis ergeben, weil die Opportunitätskosten der Goldhaltung dann sinken.

Bleiben wir bei den alternativen Investments. An den Immobilienmärkten sind die Preise stark gefallen. Wie beurteilen Sie hier die Perspektiven?

Es kommt auf die einzelnen Regionen an. In den USA hat der Markt für Gewerbeimmobilien noch nicht gedreht, die Preise fallen weiter, was auch an den Finanzierungsbedingungen vor allem vonseiten der Regionalbanken liegt. Bei den Wohnimmobilien sehen wir bereits eine Bodenbildung, der Case-Shiller-Index ist zuletzt wieder deutlich gestiegen. In Europa, vor allem in Deutschland, gehen die Preise noch weiter herunter. Aber auch hier wird es eine Bodenbildung geben, was schlicht daran liegt, dass es Knappheit gibt. Wir sehen jetzt bereits, dass in den großen wirtschaftsstarken Städten in Deutschland diese Knappheit die Preise quasi abfängt, weil hier Wohnraum stark gesucht bleibt. In den Rand und Nebenlagen fallen die Preise noch, aber auch hier werden sie sich mit Blick auf die Knappheit stabilisieren. Daher ist zu erwarten, dass der Immobilienmarkt auf Sicht eine attraktive Anlageklasse für Investoren bleibt. Ich glaube, dass es bald an der Zeit sein könnte, sich auf die Suche nach guten Einstiegskursen zu machen.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn. Eine längere Version dieses Interviews können Sie online finden unter www.boersen-zeitung.de.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn.

Zur Person: Martin Lück ist Chief Investment Strategist für Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Bevor er 2015 zu Blackrock kam, war er bei der UBS Investmentbank Chefvolkswirt für Deutschland. Zu Lücks beruflichen Stationen zählen Kepler Equities, Crédit Agricole Cheuvreux und Schröder Münchmeyer Hengst in Frankfurt. Der Bankkaufmann schloss seine Berufsausbildung mit einer Promotion in Volkswirtschaftslehre ab.