Chemiekonzern

Anleger lassen bei BASF Vorsicht walten

Hohe Energiepreise in Europa, global schwache Nachfrage und ambitionierte Investitionspläne des Managements dämpfen die Einschätzung von Analysten für die Aktie der BASF.

Anleger lassen bei BASF Vorsicht walten

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Für die meisten Chemiekonzerne kommt es derzeit knüppeldick. Die Anbieter von Kunststoffen, Fasern, Additiven und Pigmenten haben mit hohen Energie- und Rohstoffkosten in Europa sowie weltweit abflauender Nachfrage zu kämpfen. Auch BASF hat ihre Aktionäre auf ein schwaches Jahr eingestimmt. Die Hoffnungen des Unternehmens ruhen auf einer Erholung des chinesischen Marktes in der zweiten Jahreshälfte. Kostensenkungen sollen beschleunigt werden, der Konzern streicht weltweit 2600 Stellen.

Bei der Bilanzvorlage am 24. Februar hatte BASF-Chef Martin Brudermüller darauf hingewiesen, dass sich die Nachfrage in allen Abnehmerbranchen der BASF im Laufe des Jahres 2022 abgeschwächt hat – mit zwei Ausnahmen. So habe die Automobilindustrie, eine der wichtigsten Kundengruppen, ihre Produktion im Vergleich zum sehr niedrigen Vorjahresniveau um 6 % auf 82 Millionen Fahrzeuge ausgebaut. Für den laufenden Turnus rechnet BASF mit einem leichten Anstieg auf rund 84 Millionen Fahrzeuge. Auch der Agrarsektor sticht positiv heraus. Hier habe die Produktion 2022 weltweit moderat zugelegt, allerdings in geringerer Dynamik als 2021. BASF führt dies zum Teil auf die Normalisierung nach dem überdurchschnittlichen Wachstum 2021 zurück. Außerdem sei die Produktion beeinträchtigt durch längere Dürreperioden in mehreren Regionen sowie durch kriegsbedingte Produktionsunterbrechungen in der Ukraine.

Die Prognose fällt verhalten aus: Im laufenden Turnus rechnet BASF in den meisten Abnehmerbranchen nur mit einem moderaten Wachstum. Das Unternehmen plant mit einem durchschnittlichen Wechselkurs von 1,05 Dollar pro Euro und einem durchschnittlichen Ölpreis von 90 Dollar je Barrel der Sorte Brent. Den Umsatz sagt der Konzern in einem Intervall von 84 bis 87 Mrd. Euro voraus – das wäre am unteren Ende ein Rückgang um 3,6 %. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) vor Sondereffekten wird in einer Spanne von 4,8 bis 5,4 Mrd. Euro erwartet – ein Rückgang von 20 % bis 30 %. Die rückläufige Ergebnisentwicklung in Kombination mit einer leicht höheren Kapitalkostenbasis werde die Kapitalrendite (Roce) auf einen Wert zwischen 7,2% und 8,0% drücken – 2022 hat BASF 10,0 % erreicht und die eigenen Erwartungen übertroffen.

Rückkauf gestoppt

Mit einer konstanten Dividende von 3,40 Euro je Aktie oder in Summe 3 Mrd. Euro zeigt BASF trotz des schwierigen Umfelds und des abschreibungsbedingten Nettoverlusts Muskeln, obgleich der Vorstand zuletzt sogar langfristig jedes Jahr eine Erhöhung der Dividende angekündigt hatte – basierend auf einem starken Free Cashflow. Dem Aktienkurs brachte das indes keine Unterstützung. Investoren zeigen sich skeptisch, ob der Free Cashflow angesichts der ehrgeizigen Investitionspläne auch künftig hohe Dividenden zulassen wird. Das Aktienrückkaufprogramm hat BASF vorsorglich bei 1,4 Mrd. Euro gestoppt. Auf der Aktie lastet auch, dass der geplante Börsengang oder Verkauf von Wintershall Dea nach wie vor in den Sternen steht. Die Öl- und Gastochter muss zunächst den Rückzug aus Russland bewältigen – der auch BASF Milliardenabschreibungen beschert hat.

Zudem dürfte mancher Anleger Vorsicht walten lassen angesichts des ambitionierten Kapazitätsausbaus der BASF in China und der damit einhergehenden Risiken in Zeiten angespannter Beziehungen zwischen den USA und China.

Die Einschätzungen von Analysten nach Zahlenvorlage und Prognose fallen unterschiedlich aus. Nach Daten von Vara Research spricht sich mit 52% die Mehrheit für das „Halten“ der Aktie aus, 40% sind für „Kaufen“, 8% für „Verkaufen“. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 53,96 Euro – aktuell notieren die Titel bei 47,88 Euro. Das höchste Kursziel ist bei 67 Euro gesetzt, das niedrigste bei 40 Euro.

Berenberg hatte BASF nach der Bilanzvorlage auf „Hold“ mit Kursziel 55 Euro belassen. Aus Sicht des Research-Teams reagiert der Konzern mit den angekündigten Maßnahmen vernünftig auf schwierige Zeiten. Auch Stifel empfiehlt, die Aktie zu halten mit Kursziel 53 Euro, und spricht ebenfalls von schweren Entscheidungen für das Management. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat die Einstufung für BASF auf „Neutral“ mit Kursziel von 53 Euro belassen. Analystin Georgina Fraser erhöhte zuletzt ihre Schätzung für das bereinigte Ebit in Erwartung einer stärkeren Erholung des Chemiekonzerns im zweiten Halbjahr. Fraser findet klare Worte für die Schließung von Anlagen der BASF am Stammsitz Ludwigshafen: Dies untermauere ihre These von einer „Deindustrialisierung“ Europas. Dies gelte insbesondere für die Schließung der Anlage für die Herstellung des Kunststoffvorprodukts TDI, die allein für 30 % der europäischen sowie 8 % der globalen Produktionskapazitäten stehe. Davon profitiere wiederum vor allem Covestro als einzig verbliebener, kostengünstiger TDI-Hersteller.

Metzler indes hat BASF von „Buy“ auf „Sell“ abgestuft mit Kursziel 41 Euro. Die Perspektiven für den Mittelzufluss des Konzerns hätten sich mit Blick auf die kommenden Jahre verschlechtert, meint Analyst David Varga. Die Steigerung der geplanten Investitionen wecke Sorgen, dass der freie operative Mittelzufluss nicht ausreichen werde, die Dividende zu decken, bis der China-Verbundstandort die Produktion vollständig aufgenommen haben werde. Die Stilllegung der TDI-Anlage wertet auch Varga als Vorteil für die Konkurrenz. „In diesem Jahr ist nicht viel zu gewinnen“, so sein Fazit zur Aktie.

Gefahr von Überkapazitäten

Baader Bank hat die Einstufung für BASF auf „Reduce“ mit Kursziel von 53 Euro belassen. Der Ausblick des Konzerns auf die erste Hälfte des laufenden Jahres 2023 und insbesondere das erste Quartal falle wegen der später als erwartet stattfindenden Erholung in China gedämpft aus. Hinter die Nachhaltigkeit der Dividende sei ein Fragezeichen zu setzen. Die Schweizer Großbank UBS belässt BASF auf „Sell“ mit Kursziel 40 Euro. Der im Rahmen liegenden Prognose des Vorstands für 2023 und den Vorteilen der Umstrukturierung in Deutschland stünden mittelfristig steigende Investitionen gegenüber, warnt Chemieexperte Andrew Stott. Kurzfristig sieht er weiter Überkapazitäten in wichtigen Produktketten des Geschäfts von BASF mit chemischen Rohstoffen.