Aktien

Coronaverlierer auf der Überholspur

Mit den Coronaimpfungen rücken das Ende der Lockdowns und die Wiedereröffnung des öffentlichen Lebens näher. Davon profitieren insbesondere Aktien der Reise- und Freizeitbranche sowie Anteilscheine weiterer besonders betroffener Unternehmen wie etwa Einkaufszentrenbetreiber und im Flugzeugbau tätige Firmen.

Coronaverlierer auf der Überholspur

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Seit den erfolgreichen Coronaimpfstofferprobungen im vergangenen Herbst findet an den Aktienmärkten ein Umschichtungsprozess statt. Die Aussicht auf eine Wiedereröffnung des öffentlichen Lebens beziehungsweise das Ende der Lockdowns und eine starke Erholung der Welt­wirtschaft hat eine Rotation in zyklische beziehungsweise Value-Aktien ausgelöst. Gleichzeitig und überlappend findet eine Umschichtung aus Aktien von Coronagewinnern in Papiere von Coronaverlierern statt. Letztere sind nun als Wiedereröffnungsgewinner gesucht – „Reopening Trade“ nennt man das im englischen Sprachraum.

Verlierer der aktuellen Rotation sind die Coronagewinner. „Auf Subsektorebene sollte der Reopening Trade unter anderem Flugzeugbau, Airlines, Hotels, Restaurants, Freizeit, Getränke, Transportinfra­struktur, Automobilzulieferer, und Multikanal-Einzelhandel begünstigen“, so J.P. Morgan. Für Short-Po­sitionen sollen sich Marktteilnehmer dem US-Haus­ zufolge in den Be­reichen Online-Handel, Technologie, Healthcare, Nahrungsmittel­­her­steller und Haushaltsprodukte umschauen.

Deutliche Outperformance

Insbesondere Aktien der Bereiche Reisen, Freizeit und Events, darüber hinaus unter anderem Anteilscheine von Einkaufszentrenbetreibern und im Flugzeugbau tätigen Unternehmen ziehen an. Der Stoxx-Index der Reise- und Freizeitaktien hat seit Ende September 2020 um 55% zugelegt und damit den Stoxx Europe 600 um 37,5 Prozentpunkte geschlagen. Die Aufwärtsbewegung dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Zwar könnten Verzögerungen in den Impfkampagnen in Europa und die derzeit wieder stark ansteigenden Infektionszahlen die Wiedereröffnung aufschieben und auch die Aktien des Sektors belasten. Aber aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.

Aufgestaute Nachfrage

Derzeit überwiegen die positiven Nachrichten, die darauf hindeuten, dass die von den Lockdowns geschädigten Unternehmen, die durch die Pandemie teilweise ihre gesamte Geschäftsgrundlage verloren haben, auf eine Erholung hoffen dürfen. Die Menschen scharren ungeduldig mit den Füßen und werden Gastronomie und Flughäfen stürmen, sobald es die Pandemie und die Impffortschritte erlauben, die aufgestaute Nachfrage ist enorm. Nur zwei anekdotische Meldungen, die das Potenzial verdeutlichen: Die Aufhebung des Risikogebietsstatus Mallorcas durch die Bundesregierung hat Luftfahrtgesellschaften veranlasst, hunderte von Flügen auf die Insel anzusetzen. In Großbritannien sind viele Pubs für mehrere Wochen komplett ausgebucht.

Allerdings werden sich die Unternehmen der Branche, die zum Teil hohe Substanzverluste erlitten haben, nur sehr allmählich erholen. So rechnen Experten und Branchenvertreter damit, dass es noch Jahre dauern wird, bis beispielsweise der Flugverkehr wieder sein Vor-Corona-Niveau erreicht. Die europäische Luftsicherheitsorganisation Eurocontrol etwa glaubt, dass es mindestens bis 2024 und im Worst Case sogar bis 2029 dauern wird. Noch gibt es viele Unwägbarkeiten bezüglich der Dauer bis zur Überwindung der Pandemie, neu aufkommender Coronavirusvarianten, der Dauer der Immunität infolge von Impfungen, als Folge der Pandemie sich nachhaltig ändernden Verbraucherverhaltens etc.

Auch die Unternehmen der Flugverkehrsbranche­ strotzen nicht gerade vor Zuversicht. So erklärte Fraport am Dienstag, dass es wohl bis 2025/2026 dauern wird, bis das Passagieraufkommen wieder das Vor-Corona-Niveau von mehr als 70 Millionen erreichen wird.

Die DZBank erhöhte ihren Fair Value für die bei 52,75 notierende Aktie von 48 auf 54 und bekräftigte ihre Halteempfehlung. Die Corona-Pandemie habe sich im Jahr 2020 aufgrund der umfangreichen Reisebeschränkungen erheblich negativ auf das Geschäft von Fraport ausgewirkt und den eingeschlagenen Expansionskurs massiv ausgebremst. Die Lage bleibe schwierig. 2021 wird ein Übergangsjahr, und die erwartete Erholung im Sommer sei wesentlich von den Fortschritten beim Impfen und der Aufhebung von Reisebeschränkungen abhängig. Da die Erholung des Flugverkehrs langsamer als von dem Institut erwartet erfolgt, senkte es außerdem seine Ergebnisschätzungen für die Jahre 2021 und 2022 von 2,44 auf –0,67 und von 2,43 auf 1,03 Euro je Aktie. Für 2023 erwartet es ein Ergebnis von 2,57 Euro.