Börsenneuling

Daimler Truck zeigt sich am Markt als Zugmaschine

Seit gut zwei Monaten ist Daimler Truck an der Frankfurter Börse notiert. Im Vergleich mit dem Dax schneidet das vom Mutterkonzern abgespaltene Unternehmen bisher besser ab. Analysten sind weiter optimistisch.

Daimler Truck zeigt sich am Markt als Zugmaschine

Von Joachim Herr, München

Der Start ist gelungen: Seit der Erstnotiz am 10. Dezember schlägt sich die Aktie der Daimler Truck Holding AG ganz passabel. Der Eröffnungskurs hatte bei 28 Euro gelegen, der Xetra-Schlussstand am ersten Tag bei 29,78 Euro. Verglichen mit dem Schlusskurs von 33,01 Euro am Donnerstag in dieser Woche ergibt das einen Anstieg um knapp 11 %.

Auch dem Aktienkurs des einstigen Mutterkonzerns Daimler, der noch 35 % des weltgrößten Lkw- und Busherstellers besitzt, bekam die Abspaltung gut. Die im Februar 2021 bekannt gegebene Entscheidung gab der Aktie des Stuttgarter Konzerns Auftrieb. Dass der Daimler-Kurs 2021 als einer der besten Dax-Werte um 43 % zulegte, hat freilich auch andere Gründe: vor allem die gestiegenen Verkäufe von Autos mit hohen Margen und gesenkte Kosten.

Verglichen mit den 74,25 Euro am 10. Dezember ging der Daimler-Kurs leicht zurück, während der Dax in dieser Zeit 1,8% gewann. Mit dem Plus von rund 11 % übertrifft Daimler Truck beide klar. Das freut die Daimler-Aktionäre, die für jeweils zwei Anteile einen des nun eigenständigen Truck-Unternehmens er­halten haben.

In diesen Tagen bekommt die Aktie des Nutzfahrzeugkonzerns Unterstützung von Analysten, die erste Einschätzungen veröffentlichen. Am Mittwoch in dieser Woche folgte die Société Générale mit einer Kaufempfehlung und dem Kursziel von 42 Euro. Das deckt sich mit der Einstufung der DZBank. Etwas mehr als ein Dutzend Analysten haben sich inzwischen der Aktie angenommen. Laut Bloomberg raten alle zum Kauf.

„Starke Anreize“

J.P. Morgan gehört mit einem Kursziel von 48 Euro zu den optimistischsten Beobachtern des Un­ternehmens. Die US-amerikanische Bank erwartet zum einen von den umfassenden Senkungen der Produkt- und Fixkosten höhere Margen und eine bessere Profitabilität. Zum anderen wird damit gerechnet, dass eine Expansion in China, dem größten­ Nutzfahrzeugmarkt der Welt, Wachstumschancen bietet. Schließlich erwähnen die Analysten von J.P. Morgan als positiven Aspekt auch eine klare Strategie zur Elektrifizierung der Lkw und Busse.

Stephen Reitman von Société Générale hebt die Transparenz von Daimler Truck hervor und die „starken Anreize“, die Profitabilität zu erhöhen. Leistungsschwache Sparten wie Mercedes-Benz Lkw in Europa und Brasilien müssten ihre Probleme nun unter der scharfen Beobachtung des Kapitalmarktes lösen. Erste Schritte der neuen Leitung seien schon zu erkennen.

Reitman spielt auf die ehemalige Scania-Managerin Karin Rådström an, die im Vorstand von Daimler Truck für die Marke Mercedes-Benz Lkw verantwortlich ist. Rådström bringt mehr Zug ins Geschäft. So hat die Sparte die Zahl ihrer Lkw-Basismodelle von 140 auf rund 100 verringert. Sich auf profitable Segmente wie die Schwerlaster zu konzentrieren hat für Rådström Vorrang vor dem Ausbau von Marktanteilen. Zudem arbeitet sie daran, das Servicegeschäft zu vergrößern, das relativ hohe Margen bringt.

Die bisherigen Schritte zahlen sich offenbar aus: In den ersten neun Monaten 2021 erzielte Mercedes-Benz Lkw eine bereinigte operative Marge – bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) – von 4,5 %. Nach nur 0,4 % im gesamten Jahr 2019 war sie 2020 sogar auf –1,7 % abgerutscht.

Für jedes Segment – das sind die drei großen Regionen sowie Busse und Finanzdienstleistungen – hat Daimler Truck ein Margenziel ge­steckt, das 2025 erreicht werden soll. Damit bringt der Vorstand seine Entschlossenheit zum Ausdruck, die auch Analysten als Pluspunkt hervorheben. „Jede Region muss liefern“, verlangt der Vorstandsvorsitzende Martin Daum. Unrentable Einheiten könnten sich künftig nicht mehr verstecken.

Drei Szenarien

Die Renditeziele für die Regionen und das gesamte Industriegeschäft differenziert Daimler Truck nach drei Szenarien: widrige, normale und günstige Marktbedingungen. Im Aufschwung peilt Daimler Truck eine Ebit-Rendite im Indus­triegeschäft (ohne Finanzdienstleistungen) von mehr als 10 % an. In normalen Jahren sollen es 8 bis 9 % sein. Dank der mit den reduzierten Fixkosten und dem höheren Serviceanteil gesenkten Gewinnschwelle sollen es bei schwacher Konjunktur immerhin noch 6 bis 7 % sein. Fürs vergangene Jahr er­wartete Daimler Trucks & Buses 6 bis 8 %. In den ersten neun Monaten waren es 6,7%.

Schon bekannt sind die Absatzzahlen vom vergangenen Jahr. Die knappen Halbleiter nahmen dem Wachstum Schwung: Die Zahl der verkauften Lkw und Busse stieg zwar im Vergleich mit 2020 um ein Fünftel, lag aber noch um 13 % unter dem 2019 erreichten Wert. Die Versorgung mit Chips ist aus Sicht der Analysten von J.P. Morgan auch eines der zwei Hauptrisiken auf dem Weg zu den mittelfristigen Margenzielen. Das andere sind die Schwankungen der Aufträge und Kostensenkungen im Verlauf des Konjunkturzyklus.

Der Konkurrent Traton, die Nutzfahrzeugholding des Volkswagen-Konzerns, schnitt 2021 mit einem Absatzzuwachs von 27 % besser ab. Einschließlich des übernommenen US-amerikanischen Herstellers Na­vistar waren es sogar 43 %. An der Börse ist Traton allerdings keine Zugmaschine. Mitte 2019 waren die Aktien für 27 Euro ausgegeben worden. Seitdem notiert der Kurs meistens darunter.

Vorbild Volvo

Mit einer Marktkapitalisierung von 11,5 Mrd. Euro ist Traton we­sentlich kleiner als Daimler Truck mit 27,2 Mrd. Euro. Am besten vergleichbar mit dem Stuttgarter Un­ternehmen ist laut den Analysten von J.P. Morgan Volvo. Die Volvo-Gruppe, zu der auch Baumaschinen gehören, kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 344 Mrd. skr, umgerechnet 33,4 Mrd. Euro.

Wenn Daimler Truck nun in allen Regionen nach höheren Umsatzrenditen strebt, geht es vor allem in Europa darum, das Niveau von Volvo und von Scania, der schwedischen Marke von Traton, zu erreichen. In Nordamerika kann Daimler mit den Besten, Volvo und Paccar, mithalten. Das Rezept von Vorstandschef Daum klingt eigentlich ganz einfach: „Es geht immer um gute Produkte, klare Kundenorientierung und einen dauerhaften Fokus auf die Kosten“, sagte er vor zwei Monaten im Interview der Börsen-Zeitung.

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