Wachstumsschwäche

Das ewige Milliardenziel der Software AG

Die Software AG leidet unter einer Wachstumsschwäche. Die Aktie wird daher mit einem Abschlag gegenüber Wettbewerbern bewertet. Für frischen Schwung soll eine beschleunigte Transformation sorgen.

Das ewige Milliardenziel der Software AG

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Wenn in einer Unternehmensmitteilung von „solider Leistung“ die Rede ist, ahnt der erfahrene Leser schon: Es gab nicht allzu viel Positives zu berichten. Bei den jüngsten Quartalszahlen der Software AG in der vergangenen Woche sollte sich dies bestätigen. Die Darmstädter stecken im Umbruch. Das Transformationsprogramm „Helix“, dessen erste Phase bis 2023 ausgelegt war, soll den Weg von volatilen Lizenzerlösen hin zu wiederkehrenden Erlösen über Subskriptionsmodelle ebnen. Eine wichtige Kennzahl ist der jährlich wiederkehrende Umsatz (Annual Recurring Revenue, ARR). Die Kennzahl entwickelt sich positiv: Der Konzern-ARR lag Ende des dritten Quartals bei gut 663 Mill. Euro, ein Plus von 10% gegenüber dem Vorjahr.

Akute Dürrephase

Die Wachstumszeichen reichen allerdings noch nicht, um das Unternehmen durch eine akute Dürrephase zu bringen. Die Umstellung des Geschäftsmodells bedeutet, dass die Zahlungen für Lizenzen nach und nach abebben, und die Subskriptionserlöse können dies noch nicht ausgleichen. Der freie Cashflow des Konzerns lag im dritten Quartal bei nur 6,5 (Vorjahr 15,4) Mill. Euro, auf Neun-Monats-Basis sind es 9,1 (Vorjahr 73,7) Mill. Euro – ein Rückgang um 88% auf Basis der ersten drei Quartale.

Der Konzern sieht sich beim freien Cashflow in einer „Talsohle“. Für viele Investoren waren die in der Vergangenheit meist starken Cashflows allerdings wichtige Argumente für die Aktie, die nun zumindest vorübergehend entfallen. Das zeigt sich auch am Kurs: Der liegt auf einem ähnlichen Niveau wie während des Corona-Marktcrashs im März 2020. Nach Veröffentlichung der Quartalszahlen Ende Oktober rutschte die Aktie auf den tiefsten Stand des Jahres. In den vergangenen zehn Jahren gab es mehrere Phasen, in denen die Aktie etwa doppelt so viel wert war wie heute – für Trader mögen die Kursschwankungen Gelegenheiten bieten, langfristige Investoren dürften in dem Titel eher totes Kapital sehen.

Gegenüber Wettbewerbern zeigt sich in der Bewertung auch ein deutlicher Abschlag: Auf Basis der durchschnittlichen Gewinnschätzungen von Analysten für die kommenden zwölf Monate kommt die Software AG auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 14. Die Zwölf-Monats-Rendite wird mit 3,44% angegeben. Beim KGV liegt die Software AG deutlich unter anderen Branchenmitgliedern. Analysten von Stifel Research ermitteln auf Basis ihrer Ergebnisschätzung für 2023 ein KGV von 13 für die Software AG, für die europäische Softwarebranche insgesamt sehen sie ein KGV von 24,5.

Das niedrigere KGV hängt mit einer Wachstumsschwäche zusammen: In den Jahren 2010 bis 2012 waren die Darmstädter kurzzeitig ein Milliardenkonzern, doch bereits 2013 rutschten sie wieder unter die Marke von 1 Mrd. Euro Umsatz. Danach ging es in sanften Wellenbewegungen seitwärts: Zwischen 2014 und 2021 lagen die Erlöse jeweils zwischen 800 und 900 Mill. Euro. In der auf Innovation und Wachstum ausgelegten Softwarebranche weckt eine konstante Entwicklung jedoch keine Fantasie, als Wachstumswert geht die Software AG nicht durch.

Auch der Ausblick bleibt verhalten. Zu Beginn dieses Jahres wurde bis 2023 zwar erneut der Sprung auf mehr als 1 Mrd. Euro ausgerufen, inzwischen bleiben die Ankündigungen vage. Man werde zu Jahresbeginn eine Prognose für 2023 veröffentlichen, hieß es zuletzt.

Einige Analysten sind skeptisch. Von 17 Investmenthäusern haben Bloomberg zufolge acht das Papier mit „Halten“ eingestuft. Vier empfehlen den Titel zum Kauf, fünf raten zum Verkauf. Die Darmstädter hatten zuletzt wie viele ihrer Wettbewerber damit zu kämpfen, dass Kunden sich mit Investitionen zurückhalten – wie lange dies noch anhalten wird, ist völlig offen.

Beschleunigter Wandel

Während Wettbewerber SAP unlängst angekündigt hat, die größte Unruhe hinter sich zu haben, und 2023 wieder voll auf Wachstum schalten will, kommen aus Darmstadt vorsichtigere Töne. Zwar war von Beginn an klar, dass die Transformation 2023 nicht komplett abgeschlossen sein würde. Anlässlich des jüngst verkündeten Abschieds von CFO Matthias Heiden, der sich neuen Aufgaben widmen will, kamen jedoch Aussagen, die auf weiterhin intensive Transformationsbemühungen hindeuten. Daniela Bünger, die als Finanzchefin übernimmt, trete ihr Amt „zu Beginn der Beschleunigungsphase der Helix-Transformation“ an, hieß es in einer Mitteilung. Die vom IT-Dienstleister Atos wechselnde Bünger bringe „profunde Erfahrungen in der Verbesserung und Straffung betrieblicher Prozesse, der Stärkung wiederkehrender Umsatzströme sowie der Eingliederung übernommener Unternehmen“ mit.

Eine größere Integration läuft zurzeit: Ende Februar gab die Software AG bekannt, für gut eine halbe Milliarde Euro den Datenintegrationsdienstleister Streamsets in den USA kaufen zu wollen. Das Timing hätte glücklicher sein können: Der Deal wurde eingetütet, bevor die Tech-Bewertungen unter die Räder geraten sind. Die Transaktion bringt der Software AG, die zu 33% der gleichnamigen Stiftung gehört, einen neuen Großinvestor. Die Beteiligungsgesellschaft Silver Lake ist über eine Wandelanleihe mit fünf Jahren Laufzeit eingestiegen, das Volumen von 344 Mill. Euro entspricht rund 10% des Grundkapitals. Silver Lake soll helfen, das Wachstum auf dem wichtigen US-Markt voranzutreiben.

Mangelndes Wachstum ist die Achillesferse der Darmstädter. Der Vertrieb schwächelte zuletzt, mittlerweile hat er wieder ein eigenes Vorstandsressort. Ein Anlass dafür: Die Prognose bei den Auftragseingängen im Bereich Digital Business, der Wachstumshoffnung der Darmstädter, hatte das Unternehmen zuvor von 15 bis 25% Wachstum auf 12 bis 18% senken müssen – wegen schwacher Nachfrage, aber auch wegen unbefriedigender Vertriebsleistungen, wie der Vorstand selbst einräumte.

Dieses permanente Auf und Ab schadet dem Ansehen des Softwarekonzerns am Kapitalmarkt. Auf Lichtblicke folgt für Investoren oft Ernüchterung. In der Beschleunigungsphase ihrer Transformation werden die Darmstädter einen Weg finden müssen, dem Markt anstelle einer Seitwärtsbewegung einen nachhaltigen Wachstumstrend zu bieten.

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