Devisenwoche

Das Pfund steht vor schwierigen Zeiten

Am Donnerstag werden wir mit der ersten Zinsentscheidung der Bank of England in diesem Jahr auch gleich die erste maßgebliche Weichenstellung für das Pfund beobachten dürfen. Und zumindest der Konsens lässt vermuten, dass die Währungshüter die eigene Valuta mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte weiter unterstützen könnten.

Das Pfund steht vor schwierigen Zeiten

Von Sebastian Sachs*)

Das britische Pfund kann nicht erst seit Jahresbeginn mit einer erstaunlichen Performance aufwarten. Im Konzert der G10-Währungen sind es aktuell nur wenige Valuten, die Sterling überhaupt Paroli bieten können. Und dabei befinden wir uns doch mit 2023 in einem Jahr, vor dessen Beginn die Prognosen für die britische Konjunktur alles andere als rosig erschienen. Die Spätfolgen des Brexit, eine bisweilen chaotische politische Situation in London und nicht zuletzt die mittlerweile „normalen“ Probleme zu hoher Inflation und schwachen Wachstums wurden als massive Stolpersteine für das Vereinigte Königreich ausgemacht.

Und jetzt sollen diese Punkte plötzlich für den Devisenmarkt ­keine gravierende Rolle mehr spielen? Am Donnerstag werden wir mit der ersten Zinsentscheidung der Bank of England in diesem Jahr auch gleich die erste maßgebliche Weichenstellung für das Pfund beobachten dürfen. Und zumindest der Konsens lässt vermuten, dass die Währungshüter die eigene Valuta mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte weiter unterstützen könnten.

Ende vergangenen Jahres schien es noch sicher, dass das Vereinigte Königreich in eine langwierige Rezession geraten würde. Nicht nur die Meinungen der Strategen, auch die offiziellen Prognosen der Bank of England lasen sich nicht gerade optimistisch. In einer acht Quartale andauernden Rezession werde die Wirtschaft insgesamt um 2,9% geschrumpft sein, hieß es von der altehrwürdigen Institution. Nach einem Wachstumsminus von 0,3% q/q im dritten Quartal sollte auch Q4 im Minus enden – so zumindest der Konsens. Doch momentan mehren sich die Stimmen, es könne auch auf ein Nullwachstum hinauslaufen. Für das laufende Jahr werden die Konjunkturerwartungen ebenfalls sukzessive nach oben geschraubt, wenn auch bisher nur in Trippelschritten. Dabei haben jüngst erst die Einzelhandelsum­sätze erneut enttäuscht, und auch die Einkaufsmanagerindizes verbleiben im Kontraktionsbereich und untermauern somit das Bild einer äußerst schwachen konjunkturellen Situation. Auf der anderen Seite hält sich der britische Arbeitsmarkt bisher sehr solide und spiegelt damit die Entwicklung etwa wie in den USA wider. Dennoch geht der Konsens davon aus, dass die Arbeitslosenquote bis Ende Q4 von derzeit 3,7% auf 4,8% ansteigen sollte. Auch die Lohnentwicklung zeigt ganz klar nach oben. Damit dürfte eine negative Wachstumsrate für das Gesamtjahr 2023 wohl nicht zu vermeiden sein.

Gleichzeitig hat die Inflation die britische Insel nach wie vor voll im Griff und ist Ende 2022 sogar zweistellig geworden. Im Dezember gab es einen ersten leichten Rückgang auf 10,5%, und der Konsens geht davon aus, dass die Preissteigerungsraten bis Ende 2023 auf knapp 4% sinken werden. Allerdings zeigt zum Beispiel die Inflation des Servicesektors noch keine Entspannung, hier geht es noch immer deutlich nach oben. All dies beschreibt ein Szenario langfristig höherer und hartnäckigerer Preisentwicklung – und eine Rückkehr zum Zielwert der Bank of England, der erst weit in der Zukunft liegt. Unserer Einschätzung nach dürfte es noch mindestens bis zur zweiten Hälfte des kommenden Jahres dauern, bis die Marke von 2% wieder in Reichweite gelangt.

Neben diesen Themen, die die Schlagzeilen dominieren, gibt es auch noch andere Faktoren, die das Konjunkturbild negativ beeinflussen. So sind die Schuldenkosten des Vereinigten Königreichs im Dezember sprunghaft angestiegen und haben das Haushaltsdefizit auf einen Rekordwert von 27,4 Mrd. Pfund explodieren lassen. Zum Vergleich: Im November hatte der Wert noch bei 18,8 Mrd. Pfund gelegen (und der Konsens war eigentlich positiv gestimmt). Ausschlaggebend für den kräftigen Anstieg waren steigende Zinszahlungen und staatliche Subventionen für Gas und Strom, die sich dem Vernehmen nach auf 7 Mrd. Pfund summierten.

Die Bank of England muss nun auf all diese teils in unterschiedliche Richtungen wirkenden Entwicklungen reagieren: In erster Linie ist es natürlich der Kampf gegen die immer noch viel zu hohe Inflation, der im Vordergrund steht. Von daher sollte auch der Zinsschritt um 50 Basispunkte Anfang Februar – und dann wahrscheinlich noch eine weitere (wohl kleinere) Erhöhung – gesetzt sein. Wenn wir dem Konsens Glauben schenken, steht aber bereits in der zweiten Jahreshälfte die erste Zinssenkung auf der Agenda. Dies ist allerdings nicht unser Hauptszenario. Genauso gut könnte der geldpolitische Ausschuss der BoE auf seiner Sitzung am Donnerstag zu dem Schluss gelangen, die Geldpolitik müsse weiter gestrafft werden, um den mittelfristigen Inflationsdruck einzudämmen. Letztlich bleiben beide Einschätzungen risikobehaftet. Hartnäckige Inflation könnte die Währungshüter dazu veranlassen, die Zinsen etwas stärker anzuheben oder sie länger auf dem Hoch zu belassen – oder gar beides. Ebenso könnten Umfang und Tempo des Zinsanstiegs deutlich dramatischere Auswirkungen auf die Konjunktur haben. Dies würde dazu führen, dass sich der Abschwung in der zweiten Hälfte des Jahres verschärft und die BoE doch gezwungen ist, die Zinsen vor Jahresende zu senken.

Und was bedeutet das alles für die britische Währung? Die bisherige, vor allem jüngere Entwicklung des Pfund im G10-Universum ist – wie eingangs erwähnt – vor dem Hintergrund der Fundamentaldaten durchaus beeindruckend, wenn auch natürlich nicht in voller Breite positiv. Insbesondere gegen den US-Dollar ging es seit dem markanten Zwischentief Ende September vergangenen Jahres nur in eine Richtung, was in einem Kursplus für GBP/USD von in der Spitze rund 20% resultierte. Dies hatte natürlich auch (oder vielleicht sogar vor allem) mit der jüngst zu beobachtenden Schwäche des Greenback zu tun. Zur Einheitswährung tendiert die britische Währung hingegen seit Mitte 2022 kontinuierlich schwächer. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die handelsgewichtete Entwicklung des Pfund gegenüber den anderen Haupthandelswährungen Yen, Yuan, Euro und US-Dollar. Hier hat sich in der indexierten Betrachtung eines längeren Zeitraums (wir haben uns beispielsweise die Phase seit Anfang 2017 angeschaut) die britische Valuta mittlerweile sogar die Spitzenposition erarbeitet – auch wenn ehrlich gesagt die Erklärung hierfür etwas schwer fällt.

Ganz allgemein scheint die Erwartung weiterer Zinsanhebungen durch die Bank of England die Performance des Pfund kurzfristig zu beflügeln. Und am Donnerstag könnte mit einem erneuten Zinsschritt um 50 Basispunkte ein weiteres positives Puzzleteilchen hinzugefügt werden – außer natürlich, die Währungshüter klingen erneut äußerst besorgt mit Blick auf die fortgesetzte konjunkturelle Entwicklung. Mittelfristig gehen wir davon aus, dass den Pfund-Bullen Enttäuschungen drohen. Vor dem Hintergrund der durch die Inflationsentwicklung notwendigen geldpolitischen Entscheidungen kommt die Wirtschaft wahrscheinlich zwangsläufig längerfristig unter Druck – und somit wohl auch das Pfund.

*) Sebastian Sachs ist Finanzanalyst FI/FX beim Bankhaus .