Zertifikatemarkt

Der Emittent wird wieder Thema

Die Lehman-Insolvenz hat am Zertifikatemarkt zu einem Einbruch geführt, der das Segment viele Jahre belastet hat. Denn als Bankschuldverschreibungen unterliegen Zertifikate einem Emittentenrisiko. Dies könnte jetzt wieder Thema werden.

Der Emittent wird wieder Thema

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Am 15. September 2008 hat die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden müssen. Lehman hatte auch Zertifikate am deutschen Zertifikatemarkt begeben, die meist über Banken und Sparkassen an Kleinanleger verkauft wurden. Mitunter auch an Anleger, die vor allem Sicherheit suchten. Von der Lehman-Pleite waren dann natürlich auch diese Zertifikate betroffen. In der Presse wurde häufig über die sogenannte „Lehman-Oma“ berichtet, eine Rentnerin, die ihr sauer Erspartes möglichst sicher anlegen wollte und auf den Rat ihres Bankberaters hin Leh­man-Zertifikate erwarb.

Für den deutschen Zertifikatemarkt war Lehman ein herber Einschnitt. Denn vorher hatte kaum jemand damit gerechnet, dass ein Anbieter am heimischen Zertifikatemarkt eine Insolvenz erleiden würde. Entsprechend wurde der zuvor positiv besetzte Begriff Zertifikat zu einem negativ besetzten. Viele Anleger haben aufgrund von Lehman lieber in Fonds und ETFs investiert, die als Sondervermögen den Anlegern gehören und keinem Emittentenrisiko wie Zertifikate unterliegen.

Entsprechend haben seit 2008 die in Fonds und ETFs angelegten Gelder deutlich zugelegt. Hingegen ist das Marktvolumen des deutschen Zertifikatemarkts nach Angaben des Deutschen Derivate Verbands (DDV) von 135 Mrd. Euro Ende 2007 auf 80,2 Mrd. Euro Ende 2008 gefallen und in den Folgejahren zwischenzeitlich nur leicht über 100 Mrd. Euro geklettert. Ende 2022 lag es schließlich bei 80 Mrd. Euro.

Auch der deutsche Zertifikatemarkt hat sich in den vergangenen Jahren merklich gewandelt. Während bis Lehman vor allem Großbanken das Geschäft dominierten, haben inzwischen die öffentlich-rechtlichen Häuser sowie die DZ Bank die Führungsrolle übernommen. Schließlich weisen diese in der Regel eine hohe Bonität auf, so dass Anleger hier bereit sind, das Emittentenrisiko zu tragen. Berechnet nach Marktvolumen rangiert die DekaBank mit einem Marktanteil von 26,1% an erster Stelle. Danach folgen die DZ Bank mit 18,5%, die LBBW mit 14,3% und die Helaba mit 13,4%. Eine der Erfahrungen aus der Lehman-Insolvenz ist auch, dass Ratings mitunter wenig taugen, um anzuzeigen, dass ein Emittent große Probleme hat. Wesentlich aussagekräftiger waren damals die Kreditausfallversicherungen, die Credit Default Swaps (CDS). Insofern werden seitdem die CDS stark beachtet. Der Branchenverband DDV, der sich eine möglichst hohe Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat, veröffentlicht aktuelle CDS-Werte auf seiner Website (vergleiche Tabelle).

Wobei wir auch schon bei der Credit Suisse wären, die seit Jahren hierzulande Zertifikate begibt. Die CDS-Werte des Instituts sind zuletzt deutlich angestiegen. Doch hat die Schweizer Nationalbank der Credit Suisse jetzt 50 Mrd. sfr als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung bei der Credit Suisse weitergeht. Die Credit Suisse gehört übrigens dem Branchenverband DDV nicht an.

Marktbeobachter hatten eigentlich erwartet, dass die Volumina am deutschen Zertifikatemarkt wieder klettern. Schließlich weist eine Vielzahl von strukturierten Produkten ein wesentlich niedrigeres Risiko als ihre Underlyings wie Aktien oder Indizes auf. Doch könnte jetzt das Emittentenrisiko wieder ein Thema werden.

Credit Default Swaps (CDS)
UnternehmenCDSUnternehmenCDSUnternehmenCDS
Banco Santander71,30Deutsche Bank124,88Macquarie Bank Ltd.72,78
Bank of America113,06DZ Bank5Morgan Stanley110,09
Barclays Bank106,02Erste Group Bank66,38Morgan Stanley Co. Int. PLC
Bayerische LandesbankEurobank Ergasias S.A.318,66Natixis85,99
BHF-Bank1Goldman Sachs116,98Natwest Markets N.V.47,66
BNP Paribas71,42HSBC Trinkaus454,46Nomura Bank International75,66
Bundesrepublik Deutschland14,62HVB/Unicredit Bank AG81,36Rabobank52,70
Citigroup2116,81ING-Bank45,89Royal Bank of Scotland plc95,72
Commerzbank88,39J.P. Morgan98,68SEB49,80
Crédit Agricole62,57LBBW49,37Société Générale80,80
Credit Suisse1287,27Landesbank Hessen-Thüringen64,03UBS Investment Bank114,50
DekaLloyds Banking Group plc57,23Vontobel3
1) Da die BHF-Bank als Privatbank zur Refinanzierung keine Unternehmensanleihen begibt, existiert kein Credit Spread; 2) Die Citigroup Global Markets AG ist die Emittentin von Zertifikaten, die Investoren von Citigroup Deutschland angeboten werden. Der hier gezeigte Credit Spread bezieht sich jedoch auf die Konzernmutter Citigroup Inc. und nicht auf die Citigroup Global Markets AG, da keine Credit Default Swaps auf die Citigroup Global Markets AG existieren; 3) Da weder die Vontobel Holding AG noch einer ihrer Gruppengesellschaften Unternehmensanleihen ausstehend hat, existiert kein Credit Spread; 4) Die HSBC Trinkaus Burkhardt AG ist die Emittentin von Zertifikaten und Mitglied im DDV. Der hier gezeigte Credit Spread bezieht sich jedoch auf die HSBC Bank plc und nicht auf die HSBC Trinkaus Burkhardt AG, da keine Credit Default Swaps auf die HSBC Trinkaus Burkhardt AG existieren; 5) Da die DZ Bank als genossenschaftliche Zentralbank der Volksbanken und Raiffeisenbanken zur Refinanzierung überwiegend Inhaberschuldverschreibungen an ihre Mitgliedsbanken und deren Privatkunden ausgibt, welche somit nicht frei am Kapitalmarkt gehandelt werden, existiert kein hinreichend liquider Credit Spread.Quelle: DDV, CMA, Teil von S&P Capital © 2013; Credit Market Analysis Limited. Alle Rechte vorbehalten; Stand: 15.3.2023Börsen-Zeitung
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