Anlagestrategie

Fünf Kräfte, die Value-Aktien vorantreiben

Value-Aktien waren jahrelang unbeliebt. Fünf Faktoren, die dafür verantwortlich waren, haben sich nun in Antreiber für Value-Aktien verwandelt.

Fünf Kräfte, die Value-Aktien vorantreiben

Value-Aktien gehörten in den vergangenen Jahren nicht unbedingt zur beliebtesten Anlageklasse bei Investoren. Wir haben vor allem fünf Faktoren ausgemacht, die dafür verantwortlich waren. Heute, im Sommer 2022, erscheinen diese „Fünf Feinde des Value Investing“ jedoch in einem neuen Licht. Globale Value-Aktien liegen aktuell vor ihren Wachstumspendants und befinden sich auf dem besten Weg, im zweiten Jahr in Folge besser zu performen als diese und das wahrscheinlich so stark wie seit weit über zehn Jahren nicht mehr. Was hat sich also bei den „Fünf Feinden des Value Investing“ geändert und wie nachhaltig sind diese Veränderungen?

Erstens hat das Niedrigzinsumfeld die gesamte Aufmerksamkeit der Investoren auf Unternehmen mit spezifischen Merkmalen gelenkt und zum Aufstieg der US- und asiatischen Technologiegiganten beigetragen. Die vielfältige Expansion in diesen Sektoren hat Ende 2021 weltweit ein Rekordhoch erreicht. Seitdem haben wir in den meisten Ländern eine starke Korrektur der Anleihekurse beobachtet, die Inflation ist in den USA auf 9% gestiegen und erscheint hartnäckiger als von den Zentralbanken erwartet. Die Entwicklung des Zinsumfelds veranlasst die Anleger nun, ihren Fokus auf höhere mittelfristige Renditen zu legen, die es mit einem risikofreien Anleihezins von 3% oder mehr aufnehmen können. Wir erleben derzeit eine Umschichtung in Aktien mit einem niedrigeren Be­wertungsfaktor zulasten der höher bewerteten Segmente der Aktienmärkte.

Zweitens hat der Aufstieg der „Super Big-Tech“-Unternehmen zur Entstehung eines Segmentes beigetragen, in dem die Anleger ein „Wachstum-um-jeden-Preis“-Investitionsverhalten an den Tag legten. Leicht verfügbares Geld und unrealistische Wachstumsprognosen lösten einen Bewertungsboom aus, der sich allerdings als nicht nachhaltig erwies. Wie bei der IT-Blase in den Jahren 2000 bis 2001 wurden „neuartige“ Bewertungskennzahlen von den Befürwortern spekulativer und damit überbewerteter Aktien vorangetrieben, so z.B. das Verhältnis von Marktkapitalisierung zu Umsatz. Die Bewertungen für diese Unternehmen haben Ende 2021 ihren Höchststand erreicht. Wir glauben, dass viele dieser Unternehmen im Kern eine zyklische Entwicklung durchlaufen, da sie z.B. von Werbeeinnahmen abhängig sind. Dies hat sich in letzter Zeit bei mehreren Mega-Cap-Tech-Unternehmen, wie z.B. Social-Media-Plattformen, deutlich gezeigt. Zu anderen zyklischen Elementen gehören Ausgaben im Einzelhandel und eine Normalisierung der Softwarebudgets der weltweiten Wirtschaft. Das Gewinnwachstum in diesem Teilbereich hat Anleger enttäuscht und ist teilweise vollständig zurückgegangen, was die Bewertungen einbrechen lässt.

Drittens sind die gewaltigen Kapitalströme in passive Anlagevehikel eigentlich ein bedeutender Anti-Value-Faktor, da die passiven Vehikel die Kapitalflüsse unabhängig von der Bewertung eines Vermögenswerts hin zu den am stärksten kapitalisierten Unternehmen lenken. Die Underperformance von Value in der vergangenen Dekade ist zeitgleich mit der Umschichtung von 5 Bill. US-Dollar aus aktiven in passive Strategien zu beobachten. In dem Maße, in dem sich das Anlageumfeld normalisiert und das Spiel ausgewogener wird, zeichnet sich ab, dass die Anleger zu aktiv verwalteten Mandaten und dabei insbesondere zu solchen mit wertorientierten Merkmalen zurückkehren. Einem kürzlich erschienenen Bericht bei Bloomberg zufolge haben fast 70% der aktiven US-Fonds in diesem Jahr den S&P-Index übertroffen. Anleger stellen auch fest, dass globale Indexmandate schlecht diversifiziert sind, da das Konzentrationsrisiko auf wichtigen Märkten wie den USA noch nie so hoch war.

Herdenmentalität

Der vierte Faktor ist die Vorherrschaft des Pinguin-Investors, die Furcht vor dem Karriererisiko und die wachsende Fokussierung auf kürzere Anlagehorizonte. Wir sollten die Herdenmentalität und die Etablierung eines Anlagekonsenses im letzten Jahrzehnt nicht unterbewerten. Die gestiegene Bedeutung von aktivem Management und unabhängigem Contra-Picking hat das Interesse an den vergessenen wertbasierten Investmentmanagern wieder zum Leben erweckt. Ein Investitionsschwerpunkt auf einem kleinen Be­reich der globalen Aktienmärkte ist nicht mehr ausreichend. Die Herde der Pinguine ist offensichtlich zerstreut und verwirrt, was dem erfahrenen aktiven antizyklischen Anleger umfangreiche Möglichkeiten er­öffnet.

Fünftens war die übermäßige Konzentration auf den Wert immaterieller Vermögenswerte ein wesentliches Kriterium für erhöhte Multiples in einigen Branchen. Es ist unbestritten, dass immaterielle Vermögenswerte, wie Lizenzen oder Markenrechte, für Unternehmen wie Softwarefirmen oder Markenartikelhersteller einen wirtschaftlichen Mehrwert darstellen. Technologieunternehmen haben Milliarden von Dollar in immaterielle Vermögenswerte investieren müssen, ohne zu wissen, wie sich diese amortisieren. Der Rückgang der Multiplikatoren für diese Aktien kann auf viele Arten interpretiert werden, aber offensichtlich ist der Markt gegenwärtig dabei, immaterielle Vermögenswerte abzuwerten, so wie auch unrentable Unternehmen insgesamt abgewertet werden.

Gegen den Strom

Das gegenwärtige Investitionsumfeld eröffnet lukrative Perspektiven für aktive, preisorientierte und antizyklische Anleger. Da die Liquidität dünner wird, spielt die Bewertung eine entscheidende Rolle. Wir sind davon überzeugt, dass Anleger langfristig nur dann eine wettbewerbsfähige Rendite erzielen können, wenn sie gegen den Strom schwimmen. Dies wird zwangsläufig zu einigen schlaflosen Nächten, aber auch zu substanziellen Renditeabweichungen zum zugrundeliegenden globalen Aktienmarkt führen.

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