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Kurzläufer – Mehr(wert) als Liquiditäts­ersatz

Das Segment der kurzlaufenden Anleihen bietet Liquidität haltenden Investoren viele interessante Instrumente und Möglichkeiten, um die mit dem Niedrigzinsumfeld verbundenen Probleme zu bewältigen.

Kurzläufer – Mehr(wert) als Liquiditäts­ersatz

Das Negativzinsumfeld wird uns vermutlich in Summe rund eine Dekade begleiten. Die aktuelle Markterwartung zeigt, dass mit positiven Euro-Geldmarktzinsen nicht vor Ende 2025 zu rechnen ist. Auch die derzeitige Diskussion, ob der Anstieg der Teuerungsrate nur vorübergehend ist oder ob sich eine nachhaltig höhere Preisniveausteigerung einstellen wird, hat am Zinsausblick bisher nichts geändert. Viele Investoren, die aus strategischen oder regulatorischen Gründen mittelfristig Liquidität halten, suchen daher nach Alternativen und sind in den letzten Jahren zunehmend auf kurzlaufende Anleihen und Fondsinvestments ausgewichen. Auch Multi-Asset-Investoren setzen verstärkt auf dieses Marktsegment. Für beide Investorengruppen ist eine Wertentwicklung oberhalb von Geldmarktanlagen entscheidend. Dies geht nur über die richtige Wahl der Instrumente, den gezielten Einsatz von Risikoprämien und einer entsprechenden Portfoliopositionierung.

Vielfältiges Marktsegment

Die globale Marktstruktur im Bereich der kurzlaufenden Anleihen eröffnet potenziellen Investoren eine große Auswahl an Möglichkeiten. Zu diesem Segment zählen wir festverzinsliche Anleihen mit einer Restlaufzeit bis zu fünf Jahren sowie variabel verzinsliche Anleihen.

Insgesamt liegt das Marktvolumen kurzlaufender Anleihen per Ende Oktober 2021 bei 31,5 Bill. Euro. Davon entfallen 17,6 Bill. Euro auf Dollar-denominierte Instrumente, während Euro-Anleihen auf 7,4 Bill. Euro kommen. Eine weitere Unterteilung kann mit Hilfe von Laufzeitenbändern erfolgen. So entfallen auf unterjährige Fälligkeiten 17%, auf Anleihen mit ein bis drei Jahren Restlaufzeit, 37%, auf drei- bis fünfjährige Anleihen 38% und auf variabel verzinsliche Anleihen 7%. Auf sektoraler Ebene stellen Staatsanleihen und staatsnahe Emittenten mit zusammen rund 66% den größten Anteil an diesem Universum.

Flexibilität erforderlich

Das aktuelle Zinsumfeld erfordert ein flexibles Agieren, um Risikoprämien gewinnbringend einzusetzen. Neben den klassischen Durationsrisiken und den damit verbundenen Laufzeitprämien bietet der Anleihemarkt auch im kurzlaufenden Bereich weitere Gestaltungsspielräume bei der Positionierung und Einzeltitelauswahl.

Kreditrisiko ist der zentrale Baustein und stellt die wesentliche Risikoprämie im kurzlaufenden Bereich dar. Unter dem Kreditrisikoaufschlag (Credit Spread) einer Anleihe wird der Teil der Rendite verstanden, der zur Kompensation von Ausfall-, Migrations- und Liquiditätsrisiken dient. Das seit Ende der Finanzmarktkrise vorherrschende Niedrig- und Negativzinsumfeld führte dazu, dass der relative Anteil des Credit Spreads die Gesamtrendite kurzlaufender Anleihen mittlerweile signifikant übersteigt. Dies macht es umso entscheidender, Kreditrisiken aktiv und opportunistisch im Portfoliokontext einzusetzen. Dabei stehen verschiedene Strategien und Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Zu den risikoneutralen Strategien zählt die Kredit-Barbell-Struktur. Dabei werden hohe und niedrige Kreditrisiken im Portfolio so miteinander kombiniert, dass auf Portfolioebene das Gesamtrisiko unverändert bleibt. Diese Strategie eignet sich für Investoren, die auf Portfolioebene keine zusätzlichen Risiken gegenüber ihrem Vergleichsindex eingehen dürfen und durch Anlagerestriktion auf Portfolioebene reglementiert sind. Sie bietet sich insbesondere im Umfeld hoher und tendenziell exponentiell steigender Spreaddifferenzen zwischen einzelnen Ratingkategorien an.

Mittels risikoerhöhender Strategien wird das Kreditrisiko unter taktischen oder strategischen Erwägungen im Portfolio erhöht. Die Übergewichtung des Kreditrisikos kann dabei über die Übergewichtung bestimmter Anleihesektoren innerhalb eines Vergleichsuniversums erfolgen. Auch Investitionen außerhalb eines Vergleichsuniversums, beispielsweise in Hochzinsanleihen oder Emerging-Markets-Anleihen, sind denkbar. Darüber hinaus könnten auch langlaufende Kreditrisiken hinzugenommen werden, um von steilen Credit-Spread-Kurven zu profitieren.

Den letzten Block stellen trans­aktionskostenoptimierende Strategien. Diese eignen sich für Investoren, für die eine begrenzte Um­schlagshäufigkeit und niedrige Transaktionskosten ihres Portfolios wichtig sind. Dabei bietet sich die Leiterstruktur an. Hier wird das Portfolio über die Laufzeit beispielsweise über Quartale gleich verteilt investiert. Das Management bleibt be­grenzt auf die Wiederanlage der fälligen Anleihen innerhalb eines Jahres, und das Durationsrisiko bleibt konstant.

Die Entscheidung selbst, das Kreditrisiko im Portfolio zu erhöhen, kann unter vielen Aspekten erfolgen. Flexible und opportunistische Ansätze berücksichtigen oftmals die relative Attraktivität gegenüber anderen Marktsegmenten, der eigenen Historie und fundamentale Erwägungen in der Entscheidungsfindung. Dem gegenüber stehen unter anderem Momentum-Strategien, die trendfolgende Ansätze verfolgen.

Das Angebot an Neuemissionen eröffnet Rentenmarktinvestoren die Möglichkeit, Zusatzerträge zu erzielen. Um einen Anreiz zur Zeichnung der Neuemission zu schaffen, werden diese oftmals mit einer Prämie ausgestattet. Die Prämie selbst wird durch die allgemeine Risikoneigung und Investoren-Feedback beeinflusst. So erwarten Investoren beispielsweise in einem risikoaversen Rentenmarktumfeld eine höhere Risikoprämie. Zusätzlich spielt die Ausgestaltung der Anleihe, wie die Emissionsgröße oder der Rang, eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Neuemissionsprämie.

Der Einsatz von Fremdwährungsanleihen kann auch nach Absicherung des Fremdwährungsrisikos für Euro-Investoren Zusatzerträge liefern. So kann zum Beispiel die Beimischung aufgrund von Unterschieden in der Zinsstruktur zwischen Fremdwährungsanleihen und dem Euro-Anleihesegment attraktiv erscheinen. Auch im Kreditsegment ergeben sich Opportunitäten. Lokale Investoren haben meist einen differenzierteren Blick auf die Kreditqualität lokaler Anleiheemittenten als internationale Investoren und schätzen deren Bonität dementsprechend anders ein. Bei der Analyse werden die Renditekurven des Emittenten in den unterschiedlichen Währungen nach Abzug von Absicherungskosten verglichen und Opportunitäten identifiziert.

ESG-Risiken berücksichtigen

ESG-Integration ist ein wichtiger Baustein vieler Investmentstrategien, insbesondere im Rahmen des Risikomanagements. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass das Vernachlässigen von ESG-Risiken negative Auswirkung auf die Wertentwicklung von Kapitalanlagen haben kann, insbesondere auch bei kurzlaufenden Anlagestrategien. Das aktuell vorherrschende Negativzinsumfeld erschwert es, ESG-bedingte Verluste mit positiven Erträgen in anderen Teilen des Anleiheportfolios aufzuholen. Auch steht aufgrund der tendenziell kurz angelegten Haltedauer dieser Anlagestrategien oftmals nicht ausreichend Zeit zum Verlustausgleich zur Verfügung. Umso entscheidender ist es, eine umfassende und ESG-integrierende Analyse der Unternehmen und Branchen mit einer breiten Streuung der idiosynkratischen Risiken auf Portfolioebene zu kombinieren.

Das Negativzinsumfeld dürfte noch länger bestehen, und Investoren werden vermutlich noch mehrere Jahre mit Strafzinsen bzw. Verwahrentgelten belastet. Auch besteht eine Asymmetrie zwischen den Durationsrisiken länger laufender Anleihen und deren Ertragspotenzial in einem Umfeld steigender Zinsen, was mittelfristig für eine kürzere Duration im Portfolio, insbesondere auch im Multi-Asset-Kontext, spricht. Das Segment der kurzlaufenden Anleihen stellt eine Vielzahl an interessanten Instrumenten und Investmentmöglichkeiten zur Verfügung, um dem beschriebenen Dilemma zu entkommen. Eine detaillierte Analyse und die Zerlegung der Risikotreiber unter Berücksichtigung von ESG-Risiken ermöglichen insgesamt eine passgenaue Abstimmung auf ein vorab definiertes Anforderungs- und Risikoprofil.

Zuletzt erschienen:

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