Bastian Gries, Oddo BHF

„Renditeniveau bei High Yield sehr guter Puffer“

Für Credit-Experte Bastian Gries von Oddo BHF sind die Renditen der High-Yielder einen Blick wert. Sie bieten einen sehr guten Puffer für höhere Volatilität. Für Bankbonds ist er konstruktiv gestimmt.

„Renditeniveau bei High Yield sehr guter Puffer“

Kai Johannsen.

Herr Gries, das Jahr an den Bondmärkten hat sehr gut begonnen. Wie ist die Stimmung am Sekundärmarkt der Unternehmensanleihen aktuell?

Das Jahr hat in der Tat gut begonnen, jüngst kam es aber zur deutlicheren Beeinträchtigung der Stimmung. Der Grund ist die Erhöhung des systemischen Risikos ausgehend von den US-Regionalbanken, die zuletzt erheblich unter Druck gekommen sind. Zudem haben die Rettungsmaßnahmen für die Credit Suisse temporär zu deutlichen Marktschwankungen geführt. Das vorher sehr gute Momentum wurde daher zunächst einmal gestoppt. Wir haben seit Oktober eine gute Stimmung und eine praktisch stetige Einengung der Spreads erlebt. Das wurde nun abgelöst in den vergangenen Tagen durch ein Aufflackern des systemischen Risikos und eine erhöhte Risikoaversion in den Credit-Märkten, aber auch in anderen Marktsegmenten. Das ist im Grunde auch gar nicht so überraschend. Denn die geldpolitische Straffung, die wir international in den vergangenen Quartalen gesehen haben, hat schon eine nicht zu vernachlässigende Größenordnung erreicht.

Und wie hat sich der Primärmarkt der Unternehmensanleihen im ersten Quartal entwickelt?

Da haben wir eine imposante Entwicklung gesehen mit der Aufstellung von Rekorden. Wir sprechen im ersten Quartal bislang von einem Emissionsvolumen von etwa 170 Mrd. Euro in der Gemeinschaftswährung, das ist eine Steigerung um gut 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Da­runter war auch ein großer Anteil von Senior-Anleihen aus dem Finanzsektor. Das wurde vom Markt reibungslos aufgenommen verbunden mit einer starken Nachfrage seitens der Investoren. Es ist sehr viel Geld in die Anlageklasse Corporate Bonds zurückgeflossen in dieser Zeit, und das hat zugleich verhindert, dass es bei diesem großen Angebot an Bonds zwischenzeitlich zu Spread-Ausweitungen kam. Zugleich haben Anleger vergleichsweise sehr hohe Renditen einstreichen können. Auch Retailanleger sind über verschiedene Kanäle mit dabei gewesen und haben sich ebenfalls in Unternehmensanleihen engagiert.

Worauf achten die Investoren aktuell, wenn sie einsteigen wollen?

Wichtig ist natürlich die jeweilige Volatilität, die am Markt zu beobachten ist. Im Investment-Grade-Markt spielt da die Zinsvolatilität eine große Rolle. Das war auch ein großer Treiber für die Einengung der Spreads im vierten Quartal. Auf der Zinsseite ließen in dieser Zeit und auch im ersten Quartal die Schwankungsbreiten nach. Damit einher ging ja die Erwartung, dass die internationalen Zentralbanken die letzte Phase ihres Straffungszyklus erreichen könnten. Mit den jüngsten Ereignissen ist wieder et­was mehr Volatilität in den Markt hereingekommen. Der Fokus vieler An­leger liegt derzeit auch auf der Zinskurve und darauf, in welchen Bereichen es sich am ehesten zu investieren lohnt. Bei den Corporate Bonds heißt das zum Beispiel, dass man gern in den kurzfristigen Bereich investiert, also Laufzeiten von zwei bis vier Jahren. Hier sind die Spreads derzeit adäquat und die Renditen aufgrund der inversen Zinsstrukturkurve er­höht. Man muss also keine langlaufenden Anleihen kaufen, um recht auskömmliche Renditen vereinnahmen zu können.

Wie sieht es mit Überzeichnungen bei Neuemissionen aus, und wo liegen Neuemissionsprämien?

Am Anfang waren die Überzeichnungen doch sehr solide. Das ist aber traditionell zu dieser Zeit zu beobachten, wenn frisches Geld in den Markt fließt. Zunächst haben wir teilweise durchaus vier- bis fünffache Überzeichnungen bei den Corporates beobachten können, das hat sich dann auf das Zwei- bis Dreifache etwas zurückgebildet. Das erscheint für den Markt durchaus als sehr gesund. Neuemissionsprämien ha­ben leicht geschwankt in den ersten Wochen dieses Jahres. Im Schnitt über die Kurve hinweg betrachtet waren es so um die 15 Basispunkte. Bei den höheren Renditen konnten wir in Summe somit ein recht attraktives Ertrags-Risiko-Profil registrieren.

Bondrenditen sind gestiegen. Eine gute Zeit für Carry, also den laufenden Ertrag?

Aus unserer Sicht sind die mittelfristigen Ertragsperspektiven am Corporate-Bond-Markt recht gut. Wenn Sie jetzt in den Investment-Grade-Markt investieren, kaufen Sie sich im Schnitt eine Rendite ein von um die 4,2%. Am europäischen High-Yield-Markt sind es derzeit so um die knapp 8%. Das bietet schon recht gute Puffer für eine Zunahme der Volatilität am Markt. Aus historischer Sicht sind die Spreads immer noch etwas erhöht. Temporär kann es hier durchaus noch mal zu einer Ausweitung der Risikoaufschläge kommen. Die historisch hohen Renditeniveaus können potenzielle Spread-Ausweitungen oder Renditeanstiege in einem nennenswerten Umfang gut abfedern. Das sind daher gute Einstiegsniveaus. Über einen Anlagezeitraum von zwölf Monaten ist die Wahrscheinlichkeit, positive Erträge zu erzielen, recht hoch. Credit-Anlagen schlagen sich zudem in einem Umfeld, in dem sich das Wachstum verlangsamt, besser als etwa Aktienanlagen. Denn Credits benötigen kein starkes Wirtschaftswachstum, um ein stabiles Credit-Umfeld der Unternehmen zu sehen. Da reicht ein stabiles Wachstum und stabile Erträge der Unternehmen, um Zinsen und Rückzahlungen bedienen zu können.

Spreads haben sich ausgeweitet. Entschädigen die Spreads aktuell für Ausfälle im IG-Bereich?

Ausfälle spielen im Investment Grade eher eine untergeordnete Rolle. Denn aus historischer Sicht sind die Ausfälle bei diesen Adressen eher als sehr gering einzustufen. Es geht eher darum, ob die konjunkturellen Aussichten und auch die Marktschwankungsbreiten adäquat kompensiert werden durch die Spreads. Und momentan liegt der Spread für Investment Grade bei in etwa 180 Basispunkten. Das ist im historischen Vergleich immer noch ein stark erhöhtes Niveau. Im Schnitt haben wir hier in der Vergangenheit um die 125 Basispunkte gesehen. Das ist ein Spread-Niveau, das die erwartete Wachstumsverlangsamung ausreichend kompensiert. Das schließt die Rezessionssorgen, die zuletzt ja ein Stück weit abgenommen haben, mit ein.

Und wie sieht es im High-Yield-Bereich hierzu aus?

Im High-Yield-Bereich geht es in der Tat um die Ausfälle, das heißt die er­warteten Ausfälle auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten. Unser Referenzpunkt ist da die Schätzung der Ausfallraten von Moody’s. Diese Schätzungen haben sich zuletzt schon wieder etwas verbessert. Hier wird im Kernszenario eine globale Ausfallrate von 4,6% erwartet. Das ist relativ nah an den historischen Ausfällen von um die 4,1%. Der derzeitige Spread von im Schnitt 530 Ba­sispunkten preist diese erwartete Ausfallquote mehr oder weniger ein. Der High-Yield-Markt ist derzeit also ebenfalls gut aufgestellt für eine globale Wachstumsverlangsamung, aber sicher nicht für ein Rezessionsszenario. Hier bleibt insbesondere abzuwarten, wie sich der jüngste Anstieg im systemischen Risiko auf die mittelfristigen Wachstumsaussichten auswirkt. Das Renditeniveau am High-Yield-Markt bietet jedoch derzeit ebenfalls einen sehr guten Puffer für etwaige zusätzliche Volatilität am Markt.

Welche Branchen sollten sich Anleger genauer ansehen?

Auch wenn jüngst Volatilität in den Bankenbereich gekommen ist, sind wir doch nach wie vor konstruktiv gestimmt für den europäischen Bankensektor. Wir sehen hier eine stabile Ergebnisentwicklung und eine solide Kapitalausstattung. Zudem profitieren die Banken von dem veränderten Zinsumfeld. Es gibt deutlich verbesserte Zinserträge. Insbesondere bei Senior-Anleihen der Banken ergeben sich derzeit attraktive Risiko-Ertrags-Profile, denn die Spreads der Banken im Senior-Bereich sind im Vergleich zu Senior Bonds der Corporates noch deutlich erhöht. Solange wir keine heftige Rezession sehen und auch die Aktiva-Qualität bei den Banken als stabil erachtet werden kann, ist das ein sehr attraktives Segment. Hier sind auch drei- bis fünfjährige Anleihen durchaus einen Blick wert. Ein weiterer durchaus beachtenswerter Sektor ist der Telekombereich. Hier haben wir in der Regel recht stabile Ergebnisse sowie eine stabile Cashflow-Generierung. Dieser Sektor ist auch weniger wachstumssensitiv. Auch ESG-seitig wird hier eine hohe Qualität geboten. Diesen Sektor gewichten wir derzeit über.

Welche Branchen sollten Anleger eher meiden – trotz der hohen Renditen und der ausgeweiteten Spreads?

Die Unsicherheit bleibt hoch für den Immobiliensektor, der in diesem Umfeld steigender Zinsen im vergangenen Jahr am stärksten abgestraft wurde. Hier erwarten wir weitere Anpassungen bei den Immobilienbewertungen. Insbesondere für kleinere Immobilienunternehmen sollte auch ein gewisser Refinanzierungsdruck entstehen, das heißt, der Kapitalmarktzugang sollte für diese Namen vergleichsweise teuer werden. Hier er­warten wir weiter hohe Schwan­kungsbreiten. Wir gehen zudem von aufkommenden idiosynkratischen Themen aus, die dann nach und nach am Markt gespielt werden sollten. Teuer erscheinen uns derzeit Namen im Gesundheitswesen. Sie sind fundamental oftmals stark, bieten aber eher etwas geringere Risikoprämien. Bei Auto- und Chemienamen erhält man ebenfalls derzeit recht wenig Prämie für die Zyklizität.

Wie ist die Stimmung im Hybrid-Bond-Markt?

Der Hybrid-Markt hat voriges Jahr ebenfalls stärker gelitten, weil hier eine größere Sensitivität zum Ge­samtmarkt vorliegt. Der Grund ist die Nachrangigkeit der Anleihen. Gleichwohl ist dies ein Segment, das mittelfristig sehr gute Ertragsperspektiven bietet. Die Rendite liegt hier im Schnitt bei 6% bei Anleihen mit einer sehr hohen Kreditqualität. Dieses Segment eignet sich als Beimischung in den Portfolios, um die Rendite zu steigern. In schwächeren Marktphasen haben die Namen hier ein größeres Beta zum Markt im Vergleich zu Senior-Anleihen. Die Risiko-Ertrags-Profile sind in mittelfristiger Hinsicht in diesem Segment sehr interessant. Man kann hier in verschiedene Sektoren­ gut investieren, wie etwa Telekom, Versorger sowie Öl und Gas.

Das Interview führte