Anlegerzahlen

So viele Aktionäre wie noch nie

Trotz der Baisse ist die Zahl der direkt oder indirekt am Aktienmarkt investierten Deutschen laut dem Deutschen Aktieninstitut 2022 auf 12,9 Millionen gestiegen.

So viele Aktionäre wie noch nie

ck Frankfurt

Die Baisse der ersten neun Monate und das unter anderem durch den Ukraine-Krieg, hohe Inflation und gestiegene Zinsen geprägte unsichere Umfeld haben die Deutschen im zurückliegenden Jahr nicht von der Aktienanlage zurückschrecken lassen. Im Gegenteil: Laut dem Deutschen Aktieninstitut (DAI) sind nun 830000 mehr Menschen als im Jahr 2021 direkt oder indirekt über Aktienfonds oder Aktien-ETFs in Dividendentiteln investiert. Damit sind nun 12,9 Millionen Deutsche am Aktienmarkt engagiert, ein Rekord, der den bisherigen Höchststand des Jahres 2001 knapp übertrifft. Der Anteil der Bevölkerung ab 14 Jahren liegt nun bei 18,3%, nachdem er vor zehn Jahren nur bei 14,7% lag.

Jugend-Boom setzt sich fort

„Neuaktionäre nutzen offenbar die Kurskorrekturen von Dax, Dow Jones und Co. für den Einstieg in den Aktienmarkt“, so das DAI. Gleichzeitig reagierten erfahrene Aktiensparerinnen und Aktiensparer gelassen und bleiben investiert. Getrieben wird die Entwicklung vor allem von jungen Menschen. Laut dem DAI, das von einer Fortsetzung des Jugend-Booms spricht, haben sich rund 600000 Erwachsene unter 30 Jahren im zurückliegenden Jahr erstmals am Aktienmarkt engagiert, ein Anstieg um 40% im Vergleich zu 2021. In den sozialen Medien sei das Interesse an Finanzthemen hoch. Finanz-Influencer auf Instagram, Tiktok und Youtube sprächen ein junges Publikum an und erklärten Finanzthemen einfach und auf Augenhöhe. Auch sei das Anlegen in Aktien so leicht wie nie. Smartphone-Apps kostengünstiger Broker erleichterten Anlegerinnen und Anlegern den Einstieg. „Mit wenigen Fingerwischs können sie Aktien schon mit kleinen Geldbeträgen kaufen oder einen Sparplan einrichten“. Das spreche vor allem die Generation Z an.

„Die jungen Newcomer an der Börse wissen, wie es geht, so das DAI. „Sie investieren breit, regelmäßig und bringen einen langen Atem mit. 70% der unter 35-jährigen Anlegerinnen und Anleger legen ihr Geld über einen Sparplan in Aktien an.“ Das wichtigste Anlagemotiv der jungen Menschen sei dabei der langfristige Vermögensaufbau (77%). Auch die Zahl der Aktionäre im Alter zwischen 30 und 39 Jahren ist 2022 mit einem Plus von 320000 deutlich ge­stiegen. Insgesamt sind rund 4,1 Millionen Menschen unter 40 Jahren am Aktienmarkt engagiert.

Fast jeder Dritte, der in Deutschland ein Aktieninvestment besitzt, ist nun unter 40 Jahre alt, nachdem es 2019 nur jeder Fünfter war. Nach wie vor zeigen aber ältere Menschen das stärkste Interesse. 23,3% der Menschen zwischen 50 und 59 sind am Aktienmarkt engagiert, gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen (20,8%). Bei den 20- bis 29-Jährigen liegt der Anteil bei 18,4%.

Stark gestiegen ist auch die Zahl der Fonds- und ETF-Anleger. Sie erhöhte sich im Vergleich zum Jahr 2021 um 18% auf 10,5 Millionen. Aktienfonds- und ETF sind weiterhin die erste Wahl der Deutschen. Bevorzugt werden hier aktiv verwaltete Fonds bzw. Mischfonds, in denen rund viermal so viele Menschen investiert sind als in ETFs. Letztere sind bei den unter 40-Jährigen beliebter. In dieser Altersgruppe legen doppelt so viele Menschen in aktive bzw. Mischfonds als in ETFs an. 7,6 Millionen Menschen halten ausschließlich Fonds oder ETFs, während 2,4 Millionen ausschließlich direkt in einzelne Aktien anlegen. 2,9 Millionen Menschen sind sowohl in Fonds und ETFs sowie direkt in Aktien investiert. Die Zahl der direkt an Unternehmen beteiligten Deutschen beläuft sich auf insgesamt 5,3 Millionen.

Osten bleibt zurück

Nach wie vor deutlich zurückbleibend ist das Aktienmarktengagement in den östlichen Bundesländern. In den westlichen Ländern ist fast jeder Fünfte investiert, in den östlichen nur jeder Achter. Im Westen haben sich im zurückliegenden Jahr 674000 Menschen neu am Aktienmarkt engagiert, im Osten 153000. „Einkommensunterschiede und eine fehlende Tradition vor allem bei der direkten Aktienanlage bedingen vermutlich die strukturellen Unterschiede zwischen Ost und West“, so das DAI. Ferner haben sich 2022 mehr Frauen als Männer neu am Aktienmarkt engagiert. Die Zahl der investierten Frauen stieg um 482 000, die der Männer um 338 000. Allerdings sind Frauen, was Aktienanlage betrifft, weiterhin unterrepräsentiert. Nur ein Drittel der deutschen Aktiensparer sind Frauen.

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung fordert das DAI die Politik auf, aktiv die Aktienanlage zu fördern. Die Politik dürfe sich nicht auf dieser Entwicklung ausruhen. „Denn wo Licht ist, ist auch Schatten.“ Während beispielsweise 46% der Menschen mit einem monatlichen Einkommen von 4000 Euro und mehr Aktien oder Fonds/ETF besäßen, seien es in der Gruppe mit Einkommen von bis zu 1000 Euro lediglich rund 7%. Ziel müsse es aber sein, dass alle Menschen in Deutschland an den attraktiven Erträgen des Aktiensparens teilhaben. Es sei deshalb richtig, dass die Politik die Altersvorsorge durch eine Aktienrente ergänzen wolle. Doch die vorgesehene An­schubfinanzierung von 10 Mrd. Euro reiche nicht, um die Rente langfristig zukunftsfest aufzustellen. Dazu seien die Löcher im Rentensystem zu groß. Ein Anfang sei gemacht, aber jetzt gelte es, die Aktienrente finanziell gut auszustatten und die Rahmenbedingungen richtig zu gestalten. Ein Blick nach Schweden zeige, dass Deutschland das Rad nicht neu erfinden müsse, um über die Rente eine breite Teilhabe am Aktienvermögen zu gewährleisten.

Anlagesparkonto als Lösung

Auch das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz habe das Potenzial, die Attraktivität des Aktiensparens zu fördern. Die Pläne sähen unter anderem einen Freibetrag für Kursgewinne aus dem Verkauf von Aktien und Aktienfonds vor. „Besser wäre es jedoch, statt eines Freibetrags auf die Erträge ein Anlagesparkonto einzuführen, wie es in anderen Ländern üblich ist“, so das DAI. Anleger beispielsweise in Italien, Frankreich oder Großbritannien könnten einen bestimmten Betrag in Wertpapiere auf Anlagesparkonten sparen. Für die Ersparnisse auf diesen Konten fielen keine Steuern an. Auch die ökonomische, besonders die finanzielle Bildung, müsse gestärkt werden.

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