Maciej Wojtal

„Viele Argumente sprechen für Investments im Iran“

Der Iran stellt für zahlreiche europäische Investoren ein abseitiges Anlageziel dar. Laut Maciej Wojtal, CIO von Amtelon Capital, lohnt sich ein genauerer Blick auf den Markt des Landes jedoch.

„Viele Argumente sprechen für Investments im Iran“

Dieter Kuckelkorn.

Herr Wojtal, warum sollten Investoren den Iran als Anlageziel in ihr Kalkül aufnehmen? Was macht den Iran für Anleger interessant?

Es gibt viele Argumente, die für Investments im Iran sprechen. Eines der wichtigsten Argumente ist zweifellos, dass der iranische Aktienmarkt weltweit die niedrigste Bewertung aufweist. Die zu erwartende positive Entwicklung der Bewertungen ist einer der größten potenziellen Ertragsfaktoren für Investoren am iranischen Aktienmarkt. Die durchschnittliche Bewertung der weltweiten Aktienmärkte liegt bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 20. Im Iran lassen sich hingegen Aktien von Unternehmen kaufen, die bei steigenden Gewinnen ein KGV von 3 bis 4 aufweisen, nicht verschuldet sind und dabei Dividendenrenditen von 20% bieten. Die niedrige Bewertung bedeutet, dass die Risiken für Investoren in dieser Hinsicht sehr niedrig sind – es gibt aber natürlich noch politische Risiken, die nicht unerwähnt bleiben sollen.

Weshalb rechnen Sie mit allgemein steigenden Unternehmensgewinnen im Iran?

Derzeit gibt es noch umfangreiche gegen den Iran gerichtete Sanktionen, die iranischen Unternehmen die Exporte erheblich erschweren, so dass diese ihren Kunden erhebliche Rabatte einräumen müssen. Zudem sind Zahlungsmethoden, Transportversicherung und Logistik noch bedeutende Probleme für die Firmen – mit der Folge, dass viele Unternehmen ihre Kapazitäten derzeit nicht ausschöpfen können. Wenn es aber die Rückkehr aller Teilnehmer zu dem Atompakt Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) und damit die Aufhebung der amerikanischen Sanktionen gibt, dann werden die Umsätze und auch die Gewinnmargen der Unternehmen deutlich steigen.

Wie können interessierte Anleger im Iran investieren – gerade auch mit Blick auf die umfassenden amerikanischen Sanktionen?

Der Iran wird derzeit nicht einmal als ein Frontier Market eingestuft, was aber im Wesentlichen daran liegt, dass es an Verbindungen mit anderen Ländern fehlt. Von der Infrastruktur her befindet sich der Iran auf dem Niveau vieler Emerging Markets. Man kann im Iran entweder als individueller Investor tätig werden, oder man investiert über einen Fonds, was die realistischere Alternative darstellt.

Was müssen Investoren hinsichtlich der Sanktionen beachten?

Es gibt Sanktionen durch die EU und durch die Vereinten Nationen, aber die amerikanischen Strafmaßnahmen sind diejenigen, die am weitesten gehen. Amerikanische Investoren können nicht im Iran investieren, und Anleger aus anderen Ländern können dies nicht über amerikanische Finanzinstitutionen tun. Besonders relevant für uns sind aber weitergehende US-Sanktionen, die auch für Nichtamerikaner Wirkung entfalten. So müssen wir beispielsweise eine ganze Reihe von Sektoren und Institutionen meiden wie Öl und Gas, Reedereien und die Automobilbranche. Darüber hinaus gibt es eine lange Liste von natürlichen und juristischen Personen aus dem Iran, mit denen wir keine Geschäfte machen können. Dies bedeutet, dass wir vor Investments Due Diligence vornehmen müssen. Wir müssen die Unternehmen prüfen, auch deren Aktionäre und die Gremien der Unternehmen. Dazu nutzen wir auch die Dienste eines auf Sanktionen spezialisierten Beraters aus Washington. Trotz dieser Einschränkungen möchte ich aber darauf hinweisen, dass es für Investoren aus Europa, Asien und anderen Regionen außerhalb der USA völlig legal ist, im Iran zu investieren.

Woher stammen die Investoren in ihrem Fonds?

Zwei Drittel stammen aus Europa, mit Schwergewicht auf den deutschsprachigen Ländern. Ungefähr 20% unserer Investoren stammen aus Australien, darüber hinaus gibt es noch Anleger aus Hongkong, Singapur, Kanada und sogar Lateinamerika. Es ist übrigens interessant für Investoren, in einen neuen Markt investieren zu können, bevor das „Big Money“ aus den USA eintrifft.

Die Beziehungen des Iran zum Westen sind ja durchaus problembehaftet zu nennen. Wie beurteilt in diesem Zusammenhang der iranische Staat Investitionen westlicher Investoren in dem Land? Gibt es im Iran Bedenken?

Absolut keine. Ich stehe beispielsweise häufig mit dem Vizechef der iranischen Marktaufsichtsbehörde im Kontakt. Man ist daran interessiert, ein Marktumfeld zu schaffen, das auch für ausländische Investoren interessant ist. Man ist sich im Iran durchaus bewusst, dass sich die Finanzierung iranischer Unternehmen verbessert, wenn man ausländisches Kapital ins Land lässt, denn ein Mangel an Kapital war für den Iran in den vergangenen 40 Jahren stets ein Problem. Das Land konnte von den positiven Entwicklungen der Emerging Markets der vergangenen Jahrzehnte nicht profitieren, etwa von der Globalisierung oder den sinkenden Zinsniveaus, benötigt aber dringend ausländische Investitionen. Dazu schafft man ein geeignetes Marktumfeld aus Banken, Brokern und einen regulierten Aktienmarkt und man ist bereit, entsprechende Probleme zu lösen.

Ein größerer Teil der iranischen Volkswirtschaft wird von religiösen Institutionen kontrolliert. Wie groß ist der Anteil von Unternehmen, in die sich investieren lässt?

Ungefähr die Hälfte der iranischen Volkswirtschaft wird von staatlichen oder dem Staat nahestehenden Institutionen kontrolliert, die andere Hälfte ist privaten Investments zugänglich. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Russland, ist der staatliche Anteil noch deutlich größer. Es gibt sehr viele private Unternehmen, die im Iran tätig sind.

Wie würden Sie die Struktur der iranischen Volkswirtschaft um­schreiben?

Die iranische Volkswirtschaft ist in einem erstaunlichen Maße diversifiziert – trotz der sehr großen Reserven an Öl und Gas, über die das Land verfügt. Der Anteil der Branche Öl und Gas machte vor dem Beginn der Sanktionen 15% des iranischen Bruttoinlandsproduktes aus, inzwischen sind es nur noch rund 5%. Der Rest entfällt auf Industrie, Dienstleistungen, und es werden im Iran pro Jahr auch rund 1 Million Kraftfahrzeuge gebaut. Die Diversifizierung ist übrigens auch ein Ergebnis der gegen den Iran gerichteten Sanktionen, da sich das Land nun selbst versorgen muss. Der Iran mit seinen 84 Millionen meist gut ausgebildeten Einwohnern ist ausreichend groß, um all dies wirtschaftlich zu tragen. Darüber hinaus sind die angrenzenden Länder interessante Märkte für iranische Unternehmen.

Schlechte Governance und Korruption gibt es in vielen Emerging Markets, aber natürlich auch in den Industrieländern. Wie relevant ist dieses Problem für Investoren im Iran?

Für uns ist das praktisch kein Problem, weil wir ausschließlich über den Aktienmarkt Minderheitsanteile an börsennotierten Unternehmen er­werben. Unsere Aktivitäten sind transparent, und wir hätten auch gar nicht die Möglichkeit, in Bereiche der iranischen Volkswirtschaft zu gelangen, in denen dies ein Problem ist. Im Iran gibt es für börsennotierte Unternehmen sehr weitgehende Pflichten zur Berichterstattung. So sind nicht nur umfangreiche Berichte auf Quartalsbasis verpflichtend, es müssen sogar detaillierte monatliche Umsatzdaten veröffentlicht werden. Dies erschwert Manipulationen seitens der Unternehmen und wir verfügen über umfangreiches Zahlenmaterial als Basis für unsere Anlageentscheidungen. Wir wissen zwar, dass der Iran durchaus eine prominente Position in einschlägigen Korruptionsindizes einnimmt, haben aber mit diesen Bereichen der iranischen Wirtschaft praktisch nichts zu tun.

Der Iran ist ein zentraler Knotenpunkt der Neuen Seidenstraße, der chinesischen Belt and Road Initiative. Was bedeutet das für die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten des Landes?

Bei der chinesisch-iranischen Kooperation stehen wirtschaftliche und weniger politische Motive im Mittelpunkt, was dem Verhältnis beider Länder langfristige Stabilität geben dürfte. In diesem Jahr wurde eine Übereinkunft über die langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit in den kommenden 25 Jahren unterzeichnet, in deren Rahmen es chinesische Investitionen im Volumen von 400 Mrd. Dollar geben dürfte. Davon gehen voraussichtlich 280 Mrd. Dollar in die Öl- und Gasindustrie und rund 120 Mrd. Dollar in Infrastrukturprojekte. Dies läuft insgesamt auf eine durchschnittliche Steigerung des iranischen Bruttoinlandsproduktes um 8% pro Jahr der Laufzeit der Kooperation hinaus, wobei allerdings der größere Anteil bereits in den kommenden Jahren erfolgen soll. Der Iran profitiert davon in einem enormen Ausmaß, während sich China einen sicheren und preisgünstigen Zugang zu Energie verschafft. Der Iran dürfte ferner von dem massiven Ausbau der Logistikverbindungen innerhalb der eurasischen Landmasse profitieren.

Die Beziehungen des Iran zu den USA und den amerikanischen Verbündeten sind über viele Jahrzehnte von Antagonismus ge­prägt, es hat sich aber stets um ein vielschichtiges Verhältnis ge­handelt. Was erwarten Sie für die kommenden Jahre?

Die USA ziehen sich zunehmend aus dem Nahen Osten zurück, weil sie nicht mehr auf das dortige Öl angewiesen sind und weil sich die hohen Kosten und Risiken des Engagements nicht mehr rechtfertigen lassen. Im Gegensatz zur Lage vor ungefähr 20 Jahren sind die USA mittlerweile autark, was die Energieversorgung betrifft. Der Trend, dass sich die USA aus der Region zurückziehen, wird ohne Zweifel auch in den nächsten Jahren anhalten. Es könnte aber auch wieder eine Annäherung Washingtons an Teheran geben, zumal der Iran das politisch und wirtschaftlich stabilste Land in der gesamten Region ist. Dabei könnte der Iran auch von dem Wettbewerb zwischen den USA und China um Einfluss in der Region profitieren. Seit der Amtsübernahme durch Präsident Joe Biden hat sich jedenfalls das Klima merklich verbessert, und viele westliche Konzerne, die bereits jetzt im Iran vertreten sind, ohne dies an die große Glocke zu hängen, würden ihre Aktivitäten gerne deutlich ausbauen. Es stehen auch große staatliche Fonds aus Asien mit Blick auf mögliche Engagements im Iran in den Startlöchern. Insofern sind die derzeit laufenden amerikanisch-iranischen Verhandlungen von großer Bedeutung.

Das Interview führte