Unternehmensanleihen

Wieder mehr Rendite im Healthcare-Sektor

Im Healthcare-Sektor lässt sich mittlerweile wieder mehr Rendite generieren. Das halten die Experten der LBBW fest und verweisen auf das Beispiel von Merck.

Wieder mehr Rendite im Healthcare-Sektor

Von Timo Kürschner*)

Mit im Augenblick rund 4,5% Indexgewicht und elf in Euro begebenen Anleihen zählt die Merck KGaA (Merck) zu den mittelschweren Mitgliedern des Healthcare iBoxx Euro Corporates Index. Im Index sind sowohl die Senior- als auch die Hybridanleihen des Unternehmens enthalten, da auch die eigenkapitalnäheren Hybridanleihen über Investment-Grade-Ratings verfügen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich der Spread des Healthcare-Subindex erwartungsgemäß geringer ausgeweitet als der des iBoxx Euro Non-Finan­cials. Im Moment beträgt der Abstand rund 20 Basispunkte (BP) zum aktuell etwa bei 100 BP liegenden ASW-Spread des Non-Finan­cials-Gesamtindex. Zu Kriegsbeginn lagen noch beide Indizes annähernd auf gleichem Niveau. Der Healthcare-Sektor wird also seinem Ruf als sicherer Hafen in Krisenzeiten wieder einmal gerecht. Die bisherigen Jahreshöchststände wurden Anfang Juli mit 120 BP beim Non-Financials und 99 BP beim Healthcare-Index erreicht.

Neue Bonds begeben

In diesem Jahr war Merck eines von relativ wenigen Mitgliedern aus dem Healthcare-Sektor, das neue Euro-Anleihen begab. Anfang Juni emittierte das Unternehmen zwei Seniorbonds über jeweils 500 Mill. Euro mit einer Laufzeit von vier bzw. acht Jahren. Das Angebot war mit einer Nachfrage von 1,75 Mrd. für die kurze Laufzeit und 1,85 Mrd. für die längere rund 3,5x überzeichnet. Der IPT (Initial Price Thought) der Emissionen lag bei 55 bis 60 BP bzw. 75 bis 80 BP und reduzierte sich im Verlauf der Emission auf 25 BP bzw. 50 BP über Midswap. Am Ende wurden die beiden Bonds mit einem Zinssatz von 1,875% bzw. 2,375% platziert. Ab­gesehen von den Hybridbonds sind das jetzt die höchsten Kupons aller ausstehenden Anleihen von Merck, sie sind dem kräftigen Zinsanstieg der jüngsten Zeit geschuldet.

Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern im Arzneimittel- und Life-Science-Bereich betreibt Merck mit seiner Sparte Electronics ein umfassendes Chemikaliengeschäft, das wenig bis gar keine Synergien mit den beiden anderen Sparten bietet, andererseits aber zu einem breit diversifizierten Konzern beiträgt. Neben Electronics verfügt der Konzern noch über die Sparten Healthcare und Life Science, in denen er das Arzneimittelgeschäft bzw. sein Produktportfolio für die Forschung und die Life-Science-Industrie gebündelt hat. Im Rahmen seiner „Big 3“-Strategie hat Merck in allen Sparten etwa zehn Wachstumsbereiche ausgemacht, in die vorrangig investiert werden soll. Rund 70% der Kapitalallokation sollen hier erfolgen. Auf diese Weise will Merck bis 2025 jährlich seinen Umsatz organisch um mehr als 1 Mrd. Euro steigern. Inklusive ergänzender Akquisitionen plant Merck so ein Umsatzziel 2025 von mehr als 25 Mrd. Euro (2021: 19,7 Mrd. Euro).

Im laufenden Geschäftsjahr 2022 wächst Merck, unterstützt durch einen stark positiven Wechselkurseffekt, bereits sehr dynamisch. Nach sechs Monaten konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 13,3% (organisch: +7,2%) auf 10,8 Mrd. Euro steigern. Besonders die Sparten Life Science und Electronics trugen zum starken Umsatzwachstum bei. Healthcare wurde dagegen von generischer Konkurrenz und einem Basiseffekt aus dem Vorjahr etwas ausgebremst. Auch ergebnisseitig konnte Merck sich im ersten Halbjahr bereits erfreulich steigern. Das Ebitda vor Sondereinflüssen (operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Einmaleffekten) stieg um 10,5% (organisch: +2,4%) auf 3,4 Mrd. Euro. Aufgrund eines höheren Working-Capital-Bedarfs war die Entwicklung des operativen Cashflows mit 1,7 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr (2,1 Mrd. Euro) leicht rückläufig. Die Nettofinanzverbindlichkeiten, die Ende 2021 bei 8,8 Mrd. Euro lagen, erhöhten sich in der ersten Jahreshälfte 2022 u. a. aufgrund der Exelead-Akquisition und der Dividendenausschüttung zum Halbjahresstichtag wieder auf 10,2 Mrd. Euro.

Übernahme von Exelead

Durch die Übernahme von Exe­lead Anfang des Jahres hat Merck seine Kompetenzen im Bereich mRNA-basierter Impfstoffe und Therapien ausgebaut und damit das Life-Science-Geschäft gestärkt. Mit rund 780 Mill. Dollar in bar war die Übernahme für Merck eher klein. In den kommenden Jahren könnten aufgrund der vorhandenen finanziellen Spielräume auch wieder größere Transaktionen auf der Agenda stehen. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Merck mit einem organischen Umsatzwachstum von 6% bis 9% auf 21,9 bis 23 Mrd. Euro sowie einem organischen Zuwachs des Ebitda vor Sondereinflüssen von 5% bis 9% auf 6,75 bis 7,25 Mrd. Euro.

Das Composite-Rating („A–“) von Merck liegt etwas unter dem Durchschnittsrating („A“) des Branchenindex. Die Ratings der beiden großen amerikanischen Ratingagenturen sind aktuell mit einem stabilen Ausblick versehen. Auch wir gehen nicht von einer Verbesserung aus, da Merck die finanziellen Spielräume innerhalb des aktuellen Ratings in voriger Zeit immer wieder für Zukäufe genutzt hat. Merck hat augenblicklich Anleihen im Nennwert von rund 9,1 Mrd. Euro ausstehen. Mit rund 80% wurden fast alle Anleihen in der Bilanzwährung Euro emittiert. Auf die vier derzeit ausstehenden Hybridanleihen entfallen zusammen 3 Mrd. Euro. Das Fälligkeitenprofil ist sehr ausgeglichen. Fälligkeiten für 2022 gibt es nicht mehr. Im nächsten Jahr gibt es nur eine Bondfälligkeit über 600 Mill. Euro. Eine größere Fälligkeit von rund 2,4 Mrd. Euro gibt es im Jahr 2025, wenn neben einer Dollar-Anleihe auch der Seniorbond 7/2025 zur Rückzahlung ansteht. Die längste ausstehende Senioranleihe des Unternehmens läuft derzeit bis 2031.

Anleihen sind teuer

Die Spreads der mittel- bis langfristigen Seniorbonds von Merck liegen derzeit meist im Bereich der „A+“-Marktkurve. Im Vergleich zum Composite-Rating sind die Anleihen damit teuer bzw. bieten eine niedrigere Verzinsung, als angemessen wäre. Noch teurer ist der kurzfristige Seniorbond 7/2025, der aktuell einen Spread von −2 BP aufweist und damit im Bereich der „AA“-Marktkurve notiert. Absolut betrachtet liegt die Verzinsung der Anleihen derzeit zwischen 2,7% und 3,4%. Mit einer Verzinsung zwischen 4,6% für den Hybrid 12/74 (First Call 12/24) und 5,8% für den Hybrid 9/80 (First Call 6/26) sind die Hybride derzeit deutlich attraktiver und gehören zu unseren Top-Picks im Sektor.

Das mögliche Ausfallrisiko bei den Hybridbonds halten wir u. a. aufgrund der sehr soliden Unternehmensstruktur für überschaubar. Die gute Sicherheit, die Merck-Anleihen für Investoren bieten, zeigt sich auch bei einem als Indikation für das Marktrisiko dienenden CDS, der bei einer Laufzeit von fünf Jahren aktuell bei 40 BP liegt. Die Schwankungsbreite des CDS in den vorigen fünf Jahren lag in einem sehr engen Bereich zwischen 14 und 53 BP. Viele der ausstehenden Merck-Anleihen sind ein guter Kompromiss zwischen Sicherheit und Rendite.

*) Timo Kürschner ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.