Henkel

Aus dem Tritt geraten

Beim Persil-Produzenten läuft es nicht. Der Rückzug aus Russland kostet viel Geld und zwei große Investments der jüngeren Zeit entpuppten sich als Flops.

Aus dem Tritt geraten

Solide, prognosesicher, stabil in der Führung – Henkel hat in Jahrzehnten sein Image des vorsichtig-konservativen, aber erfolgreichen Weltkonzerns aus Düsseldorf kultiviert. Doch das Bild hat Risse bekommen. Der Marken­artikler (Persil, Pritt, Fa) und Weltmarktführer für Klebstoffe scheint aus dem Tritt gekommen zu sein. Wenn Henkel am kommenden Dienstag seinen Abschluss für das vergangene Jahr vorlegt, werden die zahlreichen Baustellen sich in den Zahlen deutlich niederschlagen.

Da ist zunächst einmal das Russland-Geschäft. Im Vergleich mit den Wettbewerbern war Henkel überdurchschnittlich stark engagiert, aus Russland kamen vor dem Angriff auf die Ukraine knapp 5% des Konzernumsatzes, rund 1 Mrd. Euro pro Jahr. Nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine tat sich die Henkel-Führung zunächst schwer mit einem klaren Schnitt, entschied sich dann aber in der zweiten April-Hälfte doch zu einem vollständigen Rückzug. Vollzogen ist die Trennung bis dato noch nicht. Anfang Februar hatte Konzernchef Carsten Knobel der „Wirtschaftswoche“ gesagt, es laufe auf ein Konsortium russischer Investoren hi­naus. Bis zum Ende des ersten Quartals sollen die Verträge unterschrieben sein. Die Abschreibungen dürften erheblich sein. Zur Mitte des Jahres hatte Henkel die russischen Aktivitäten bereits mit knapp 200 Mill. Euro wertberichtigt, es blieb ein Buchwert von rund 500 Mill. Euro.

Eine spürbare Wertberichtigung dürfte Henkel auch in der Kosmetik vorgenommen haben. Ziemlich still und leise hat der Konzern Ende vergangenen Jahres ein ambitioniertes Direktmarketing-Projekt beerdigt, das beim Erwerb Mitte 2020 noch enthusiastisch gefeiert worden war. Der Kauf von Invincible Brands mit den Marken Hello Body, Mermaid+Me und Banana Beauty, die über Influencer und Social Media beworben wurden, war eines der größten Investments der vergangenen Jahre. Für einen Anteil von 75% zahlte Henkel vor zweieinhalb Jahren 299 Mill. Euro. Die Entwicklung der Marken habe die Erwartungen in den vergangenen Jahren nicht erfüllen können, teilte der Konzern auf Nachfrage mit. Im Dezember sei Invincible Brands an Grenion, ein Start-up aus Mannheim für Online-Kosmetikmarken, verkauft worden. Zu den Details der Transaktion wollte sich Henkel bislang nicht äußern.

Für Konzernchef Knobel ist es der zweite wuchtige Investment-Fehlschlag in der schwächelnden Kosmetiksparte. 2021 musste Henkel bereits 200 Mill. Euro auf eine bis heute nicht näher beschriebene Technologie abschreiben, in deren Kauf Anfang 2018 im Beauty-Geschäft große Hoffnungen gesetzt worden waren. Knobel hatte als Finanzvorstand damals die Akquisition mit verantwortet.

Wenig Freude mit Kosmetik

Überhaupt das Kosmetikgeschäft: Henkel bekommt sein Sorgenkind nicht in die Erfolgsspur zurück. Die Kapitalkosten werden seit Jahren nicht verdient, der Economic Value Added war 2021 mit mehr als 200 Mill. Euro tief im Minus. Die fehlende Größe des Beauty-Geschäfts wird seit Jahren von Analysten und Investoren kritisiert. Vor knapp zwei Jahren ließ Henkel erneut die Gelegenheit passieren, mit dem Kauf von Wella zu einem richtig großen Spieler am Haarpflegemarkt aufzusteigen. Auch wenn es angesichts der Bedingungen und des Kaufpreises die richtige Entscheidung gewesen sein könnte: Die strukturellen Probleme der Henkel-Kosmetik blieben weiter ungelöst. Die Lösung will Henkel jetzt intern gefunden haben: Der Konzern legt die gesamten Markenartikelgeschäfte gerade zusammen – Persil und Schauma kommen unter ein gemeinsames Dach namens Consumer Brands. Auch das ist ein Kraftakt, der Sonderlasten im 2022er Abschluss nach sich zieht. Der Umbau soll Synergien freisetzen, bietet aber auch die Gelegenheit, sich möglicherweise geräuscharm von weiten Teilen der Beauty-Aktivitäten zu trennen.

Unsicherheit in der Prognose

Ungewohnt unsicher präsentierte sich der Düsseldorfer Traditionskonzern, dessen Geschicke von der weit verzweigten Eigentümerfamilie mit einer gepoolten Mehrheit von mehr als 60% der Stammaktien bestimmt werden, zuletzt auch in Sachen Prognose. Im Jahr 2022 ging es auf und ab. Die ohnehin schon gedämpften Margenerwartungen wurden Ende April nochmals heftig beschnitten, ehe der Vorstand Anfang November wieder ein wenig optimistischer wurde und immerhin wieder eine definitiv zweistellige Rendite in Aussicht stellte. Zum Vergleich: Konkurrentin Beiersdorf ist von den Investoren dafür gefeiert worden, trotz explodierender Rohstoffkosten und geopolitischer Unsicherheiten stoisch am zum Vorjahr unveränderten Renditeziel festzuhalten.

Henkels neue Unsicherheiten zeigen sich auch in der Vorstandsbesetzung. Nie dürfte die Fluktuation so groß gewesen sein wie in den vergangenen Jahren. Ende 2019 musste Hans Van Bylen nach nur dreieinhalb Jahren als Vorstandsvorsitzender seinen Hut nehmen. In der Amtszeit seines Nachfolgers Carsten Knobel ist bis auf Personalvorständin Sylvie Nicol, die schon seit April 2019 an Bord ist, der Vorstand komplett neu besetzt worden. Wolfgang König, der neue starke Mann der Markenartikel-Geschäfte, ist bereits der vierte Kosmetik-Chef in acht Jahren. Dabei ist Henkel ein Konzern, der immer stark auf Kontinuität in der Führung gesetzt hat, in der Regel Eigengewächse in den Vorstand beförderte, die dort auch häufig bis zum Ruhestand wirkten.

Das i-Tüpfelchen in Sachen Personal war zuletzt noch die Demission des langjährigen Klebstoff-Vorstands Jan-Dirk Auris, dessen Sparte unter seiner Ägide fast immer verlässlich geliefert hatte. Zu den Gerüchten um einen internen Machtkampf als Grund für die Trennung äußert sich Henkel wenig verwunderlich nicht.

Nach einem Jahr zum Vergessen dürfte Konzernchef Knobel denn in der kommenden Woche alles daransetzen, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Immerhin lief es im Herbst in der Klebstoffsparte überraschend gut, die Umsatzzahlen überzeugten. Und die Reorganisation der Markengeschäfte, so die Botschaft vom Kapitalmarkttag im September, kommt schneller voran als geplant. Ob sie zur erwünschten Trendwende vor allem in der Performance der Kosmetik führt, ist aber noch längst nicht raus.

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