Siemens Energy

Bruch beobachtet Abwanderung in die USA

Die USA haben mit ihrem Förderprogramm „Inflation Reduction Act“ Erfolg. Firmen entscheiden sich gegen Investitionen in Europa. Siemens-Energy-Chef Bruch fordert eine Reaktion von Brüssel.

Bruch beobachtet Abwanderung in die USA

mic München

Siemens Energy hält eine schnelle Reaktion der Wirtschaftspolitik Europas auf das US-Förderprogramm „Inflation Reduction Act“ für notwendig, um Kapazitäten im Energieinfrastrukturbereich auf dem Kontinent zu halten. „Man muss sich als Europa voll bewusst sein, dass sich in den nächsten zwölf bis 24 Monaten etwas entscheidet“, sagte Vorstandsvorsitzender Christian Bruch auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens. Wenn man nicht reagiere, würden Fertigungskapazitäten eher in den Vereinigten Staaten als in Europa aufgebaut werden: „Das ist eine absolut kritische Zeit.“

Bruch erklärte, man könne lange darüber reflektieren, ob der „Inflation Reduction Act“ eine „Überförderung“ sei oder nicht. Seine Schlussfolgerung: „Ich kann nur sagen: Sie funktioniert.“ Dies erlebt Siemens Energy Bruch zufolge im eigenen Geschäft schon kurz nach Veröffentlichung des US-Programms: „Es hat eine Woche gedauert, da haben Großkunden gesagt: Übrigens, wir machen das Projekt nicht in Europa, sondern in den USA.“

„Das ist klug gemacht“

Die US-Vorgabe unterstütze die Wirtschaft in sehr kluger Weise, sagte Bruch. Sie sei verständlich, technologisch nicht eingeschränkt und fördere private Investitionen wirklich. Es gehe um die Stärkung des Stromnetzes, von Offshore- und Onshore-Windkraft sowie Wasserstoff:  „Wir sehen ein großes Interesse amerikanischer Kunden, sich frühzeitig Kapazitäten von Lieferanten zu sichern.“

Man könne noch nicht vollständig einschätzen, welche Lokalisierung erforderlich sei, sagte Bruch. Siemens Energy vermutet allerdings, dass die Förderung mit der Lokalisierung steige: „Das wird Investitionen in den USA nach sich ziehen von vielen Firmen, auch von uns.“Dies sei im Fall von Siemens Energy erst noch zu entscheiden. Die USA habe die Chance, sich zu reindustrialisieren. Erstmals weltweit glaube er in größerem Maß zu sehen, dass ein kommerzielles Geschäftsmodell für grünen Wasserstoff möglich sei, fügte Bruch hinzu: „Das ist klug gemacht.“ Damit könnten Projekte entstehen, die Geld verdienen könnten.

In Europa helfe es nun nicht zu jammern, man müsse reagieren, sagte der Vorstandsvorsitzende Er hoffe, dass die nationalen Regierungen gemeinsam in Brüssel massive Schritte einleiten könnten: „Das wird notwendig sein, wenn man die Industrie in dem Bereich hier halten will.“

In Ausschreibungen solle sich mindestens zu einem gewissen Prozentsatz ein europäischer Ansatz widerspiegeln. Man müsse darüber hinaus überlegen, wie man Investitionsanreize stricke. Das US-Programm biete beispielsweise Steueranreize. Besonders wichtig sei die Technologieoffenheit. In den USA werde beispielsweise nicht vorgeschrieben, ob grüner oder anderer Wasserstoff eingesetzt werde: „Das macht es einfach.“ Das Konzept könne auf zwei Seiten Papier skizziert werden.

Politische Hilfe für Windkraft

Europa ist nach Ansicht von Bruch auch gefordert, um das Überleben der europäischen Windkraftbranche zu ermöglichen. Dort ist Siemens Energy mit der Tochtergesellschaft Siemens Gamesa präsent. Man sehe, dass Firmen aus China in Afrika zu niedrigen Preisen anböten, die weder Siemens Energy noch die europäischen sowie amerikanischen Wettbewerber mitgehen wollten, sagte Bruch.

In eine Ausschreibung auf europäischer Ebene gehörten daher qualitative Kriterien hinein: Wer investiere Foschungs- und Entwicklungsgelder in Europa, wer habe dort eine Fertigung? Wenn man nur auf den Preis achte, wird nach Meinung von Bruch weder die europäische noch die amerikanische Windindustrie überleben.

Bruch plädierte auch dafür, Lieferketten neu zu knüpfen. 60% des Materials für die Energiewende kämen aktuell aus China, rechnete er vor. China habe teils als einziges Land die Verarbeitungskapazitäten für manche Materialien: „Das tut weder China noch der Welt gut.“ Es sei immer ungeschickt, wenn es einseitige Abhängigkeiten gebe. Bruch setzte sich auch dafür ein, im Dialog mit China zu bleiben: „Welthandel ist ja nicht per se etwas Schlechtes.“

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