Anlegerschutz

Der graue Kapitalmarkt ist nicht totzukriegen

Nach der Pleite des Containeranbieters P&R wurde die Regulierung 2021 nochmals verschärft. Ein Jahr später zeigt sich: Nur auf den ersten Blick sind die Probleme damit aus der Welt.

Der graue Kapitalmarkt ist nicht totzukriegen

Vor fünf Jahren braute sich am Markt für Sachwerteinvestments Unheil zusammen. Die mahnenden Stimmen insbesondere der Stiftung Warentest wurden immer lauter, und Indizien für Probleme bei P&R Investments nahmen zu. Noch verteidigte der damalige Geschäftsführer den Anbieter mit Hinweisen auf einen „unvergleichlichen“ Erfahrungshintergrund und ausnahmslose Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen. Doch damit war es bald vorbei, Anfang 2018 entpuppte sich P&R als einer der größten Anlagebetrugsfälle in Deutschland mit rund 54000 Investoren und einem Schaden von etwa 3,4 Mrd. Euro.

Der Anlageskandal um Container, die es gar nicht gab, hatte Folgen für den sogenannten grauen Kapitalmarkt. Darunter versteht man in der engeren Definition Anlageformen, die von der BaFin nur wenig reguliert sind und keine Zulassungspflicht haben. Meist geht es also um Vermögensanlagen, die in Form von Direktinvestments, Nachrangdarlehen oder Beteiligungen angeboten werden. Nach P&R wurde die Regulierung für diese Anlageformen verschärft, und schließlich trat im Juli 2021 das „Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“ in Kraft. Ziel war es, Anlegern mehr Transparenz zu bieten und die Anbieter zu zwingen, die Investitionsgüter konkret zu beschreiben. Bis dato gab es sogenannte Blindpools, bei denen die Investments bei der Sammlung des Kapitals noch nicht feststanden. Seit der neuerlichen Verschärfung sind die Zahlen bei Vermögensanlagen rückläufig, die gesetzlichen Änderungen scheinen Wirkung zu zeigen.

Von einem Verbot der Produkte des grauen Kapitalmarkts oder einem Verbot zumindest des öffentlichen Vertriebs von Vermögensanlagen ist heute kaum noch die Rede. Allenfalls gibt es noch kleinere Vorstöße zur Verbesserung des Anlegerschutzes. Vor wenigen Wochen hat Hamburg eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, um Maximalbeträge pro Anleger für Investments in Vermögensanlagen festzulegen. So etwas gibt es schon für Crowdinvestments. Apropos: Auch dieses Teilsegment hat Tücken. Der Markt dieser Schwarmfinanzierungen steckt voller Probleme. Es zeigt sich hier, wie schwierig der Immobilienmarkt geworden ist. Viele über Crowdfunding finanzierte Projekte funktionieren nicht wie geplant, Zinsen werden nicht gezahlt, fast täglich gibt es negative Schlagzeilen.

Ziel des aktuellen Hamburger Regulierungsvorstoßes ist es offensichtlich, innerhalb des grauen Kapitalmarkts die Anleger zu einer gewissen Streuung zu zwingen. Eine Diversifikation im Bereich grauer Kapitalmarkt kann keine sinnvolle Anlagestrategie sein. Abgesehen von solchen kleineren Vorstößen hat man generell den Eindruck, dass der Gesetzgebungsbedarf bei Vermögensanlagen weitgehend ausgeschöpft ist.

Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung, beim Blick auf Risiken geht es aber nicht nur um die gesetzliche Regelung des grauen Kapitalmarktes im engeren Sinn, also um Vermögensanlagen. Ebenso wichtig ist das Problem, dass grundsätzlich alle Anlageprodukte mit vielver­sprechenden Sicherheiten verkauft werden können, obgleich ihre Investments hochriskant sind und Anleger gebunden sind. Dass die Projektionen der Anbieter nicht aufgehen können, weil die Märkte nicht laufen oder Missmanagement vorliegt. Und schließlich ist gegen Betrug kein Kraut gewachsen. Bei den Skandalen der vergangenen Jahre kam meist vieles zusammen. All diese Punkte gibt es nicht nur bei Vermögensanlagen, sondern auch im regulierten Kapitalmarkt mit zugelassenen Anbietern.

Die großen Milliardenskandale scheinen also vorbei zu sein. Doch dass nach der Verschärfung auch bei den Vermögensanlagen nicht alles gut ist, zeigen Insolvenzen wie etwa bei Lichtmiete oder Leonidas, die in der Regel schmerzhaften Verluste in zum Teil dreistelliger Millionenhöhe, was die Anleger treffen wird. Der Analyst Stefan Loipfinger stellt fest, dass es immer noch Möglichkeiten gebe, das Blindpool-Verbot zu umgehen, indem Anbieter keine Preise nennen. „Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte sich P&R nicht mehr wiederholen, doch genau bei Containern gibt es immer noch diese Intransparenz“, erklärt der Marktbeobachter. Die Stiftung Warentest warnte kürzlich vor den Container-Investments von Solvium und hat einen größeren Anbieter im Blick. So führt die Verbraucherschutzeinrichtung Thomas Lloyd auf der Warnliste Geldanlagen und berichtete über Millionenverluste bei Tochtergesellschaften. Der graue Kapitalmarkt oder allgemein der Markt für Probleminvestments wird so schnell nicht sterben. Er ist vielmehr auch weiterhin sehr lebendig.

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