Thomas Weitkamp und Cora Grannemann

„Großvolumige syndi­zierte Finan­zie­rungen auf dem Rückzug“

Die Zinswende nimmt Fahrt auf. Das zeigt die jüngste XXL-Erhöhung der EZB. Welche Folgen die Finanzierungsverteuerung für die Kreditmärkte hat, erläutern die Finance-Experten von Latham & Watkins.

„Großvolumige syndi­zierte Finan­zie­rungen auf dem Rückzug“

Herr Weitkamp, Frau Grannemannn, die EZB hat gerade den zweiten großen Zinsschritt beschlossen. Nach Jahren rekordtiefer Zinsen sind Finanzierungen in den vergangenen Monaten bereits deutlich teurer geworden. Wie wirkt sich diese Wende auf die Kreditmärkte aus?

Weitkamp: Die teureren Finanzierungen belasten insbesondere die Cashflows der Unternehmen. In den meisten Fällen haben die Business-Pläne, auf denen die Finanzierungen aufgesetzt wurden, keine Zinszahlungen in der derzeitig zu erwartenden Höhe vorgesehen. Viele Unternehmen haben in der Niedrigzinsphase keine Zinssicherungsgeschäfte zur Abdeckung von substanziellen Zinserhöhungen abgeschlossen. Wir erwarten bei bestimmten laufenden Finanzierungen die Umstrukturierung von Zins- und Tilgungsleistungen, um diese höheren Belastungen abzufedern. Bei neuen Finanzierungen wird vermutlich vielfach die Finanzverschuldung etwas niedriger ausfallen als vor einigen Monaten, um die Cashflow-Belastung auf einem vertretbaren Level zu halten.

Welche Finanzprodukte sind jetzt weniger gefragt?

Grannemann: Auf dem Rückzug sind derzeit großvolumige syndizierte Finanzierungen, wie zum Beispiel sogenannte Term-Loan-B-Finanzierungen, bei denen die arrangierenden Banken in die Vorleistung gehen. Für solche sogenannten Underwritings sind die Syndizierungsmärkte gegenwärtig zu unsicher.

Weitkamp: Wir erwarten, dass wir weiterhin kleine bis mittelgroße Finanzierungen sehen werden, entweder im Rahmen von Bankenclubs oder über Debt Funds. Kreditgeber werden gegenwärtig nur noch die Darlehen auf die Bücher nehmen, die sie auch halten wollen. Große Syndizierungen erwarten wir aktuell nicht.

Steigen die Ansprüche an die Besicherung?

Weitkamp: Eine Erweiterung des Umfangs der Besicherung haben wir gegenwärtig bei Finanzierungen noch nicht beobachtet. Wir wären aber auch nicht überrascht, wenn die Kreditgeber vermehrt auf harte Vermögenswerte wie Grundstücke, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder IP-Rechte und Anlage-/Umlaufvermögen als Sicherheit zurückgreifen würden. In diesem Zusammenhang wird es auch eine Rolle spielen, in welchem Finanzierungsumfeld man sich bewegt.

Was verändert sich bei Klubfinanzierungen?

Grannemann: Die Bedingungen der Finanzierungen werden etwas konservativer. Die Möglichkeit von Anpassungen bei der Ermittlung von Finanzkennzahlen, zum Beispiel beim Nettoverschuldungsgrad, wird vermehrt eingeschränkt beziehungsweise gedeckelt. Weniger Wettbewerb im Finanzierungsmarkt bedeutet, dass die Kreditgeber vermehrt Kontrollmechanismen, die ihnen wichtig sind, durchsetzen können. Es wird mehr Fokussierung auf Due Diligence und Markterwartungen im jeweiligen Geschäftssegment geben.

Weitkamp: Die Kreditgeber werden sehr genau hinschauen, wie sich höhere Kosten, Engpässe bei den Lieferketten oder sonstige Marktunsicherheiten auf die Business-Pläne und damit auch auf die Bedienung der Finanzierungen auswirken können. Dies wird eine wichtige Rolle bei der Strukturierung der Finanzierungen spielen, beispielsweise im Hinblick auf Höhe der Verschuldung, Laufzeiten und Tilgungsstrukturen.

Welche Folgen ergeben sich für bankenunabhängige Finanzierungen wie Debt Funds?

Weitkamp: Wir erwarten, dass bei etwas unsichereren Bankenmärkten die Debt Funds ihren Anteil am Finanzierungsmarkt weiter ausbauen können. Debt Funds haben weiterhin ein großes Liquiditätspotenzial und werden interessiert sein, das eingesammelte Kapital zu investieren. Vermutlich werden aber auch die Finanzierungen über Debt Funds künftig teurer und die Bedingungen konservativer. Insbesondere gehen wir davon aus, dass die Prozesse deutlich selektiver werden, unter anderem im Hinblick auf bestimmte Marktsegmente sowie Finanzierungsvolumen und -strukturen.

Mit welchen Auswirkungen wäre bei langfristig hohen Zinsen zu rechnen?

Grannemann: Wir rechnen mit einer niedrigeren Neuverschuldung, um die höheren Kosten zu kompensieren. Gleichzeitig wird es wieder vermehrt die Verpflichtung zum Abschluss von Zinssicherungsgeschäften geben. Die Kreditgeber werden vorsichtiger agieren und höhere Due-Diligence-Anforderungen stellen. Dadurch werden die Finanzierungsbedingungen konservativer.

Thomas Weitkamp ist Partner und Cora Grannemann Counsel vonLa­tham & Watkins.

Die Fragen stellte Helmut Kipp.

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