Eurozone

Kerninflation erreicht nächstes Allzeithoch

Der Inflationsdruck im Euroraum lässt nicht nach. Zwar sinken die Energiepreise weiter, doch die Teuerung wird inzwischen an anderer Stelle befeuert. Für die Europäische Zentralbank sind das keine guten Nachrichten.

Kerninflation erreicht nächstes Allzeithoch

mpi Frankfurt

Bei der Inflation im Euroraum ist erstmal keine Entspannung in Sicht. Die Verbraucherpreise sanken im Februar auf Jahressicht nach europäischer Berechnungsmethode (HVPI) nur geringfügig auf 8,5%, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Januar lag die Inflationsrate bei 8,6%. Noch hartnäckiger zeigt sich die Teuerungsrate allerdings bei der Kerninflation. Diese stieg stark von 5,3% auf 5,6% – noch nie war der Wert seit der Einführung des Euro höher. Bei der Kerninflation werden die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise nicht berücksichtigt. Der Anstieg zeigt daher deutlich, dass die Inflation sich in der gesamten Wirtschaft ausgebreitet hat. Viele Unternehmen haben die gestiegenen Produktionskosten durch die höheren Energiepreise inzwischen über Preiserhöhungen an die Konsumenten weitergegeben. Auch der Dienstleistungssektor erhöht flächendeckend seine Preise.

„Das Ergebnis ist ein Rückschlag für bisherige Inflationshoffnungen“, sagt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind das zwei Wochen vor ihrer nächsten Zinssitzung keine guten Nachrichten. Sie muss die Leitzinsen womöglich auch über die kommende Sitzung hinaus deutlich anheben, um die Inflation wieder Richtung 2% zu senken – dem mittelfristigen Ziel der Notenbank. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es möglich, dass wir diesen Weg weitergehen“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag bei einem Auftritt im spanischen Fernsehen.

EZB-Ratsmitglieder hatten bei öffentlichen Auftritten zuletzt wiederholt betont, dass sie bei der Ausrichtung der Geldpolitik stark auf die Entwicklung der Kerninflation schauen. Dazu passt auch das am Donnerstag veröffentlichte EZB-Protokoll zur Februar-Zinssitzung. Der Begriff der Kerninflation tauchte dort doppelt so oft auf wie noch in der Sitzung davor. „Die Kerninflation hatte leicht nach oben überrascht”, heißt es in dem Protokoll von Anfang Februar, wobei „die jüngste Dynamik der Kerninflation zeigt, dass sich die Entwicklung abgeschwächt hat.” Diese Einschätzung wurde nun von den jüngsten Inflationszahlen widerlegt.

Lebensmittelpreise ziehen an

Die Kerninflation war jedoch nicht der einzige Faktor für die gestiegene Rate im Februar. Die Teuerung wurde auch von den hohen Lebensmittelpreisen nach oben getrieben. Hier könnte sich die Lage laut einer Analyse der Commerzbank jedoch entspannen. „Von den Nahrungsmitteln dürfte in den nächsten Monaten kein zusätzlicher Schub für die Inflationsrate kommen.“ Ein weiterer Punkt, der für eine in Zukunft sinkende Teuerungsrate spricht, sind die Energiepreise. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und dem dadurch ausgelösten Schock an den Energiemärkten sinken die Preise seit Monaten wieder kontinuierlich. Die jährliche Inflationsrate für Energie lag im Februar noch bei 13,7%, nach 18,9% zum Jahresauftakt. „In der Tendenz werden die Energiepreise den Inflationsdruck fortan eher senken“, sagt Krüger.

Mit Spannung werden Ökonomen und Notenbanker außerdem die Lohnentwicklung verfolgen. Nachdem 2022 der Reallohn für die Beschäftigten in Deutschland das dritte Jahr in Folge gesunken ist, werden die Forderungen der Gewerkschaften nach deutlichen Lohnerhöhungen immer lauter. Damit droht allerdings auch eine neue Teuerungswelle. Diese würde vor allem die Preise für Dienstleistungen weiter in die Höhe treiben, da dort die Lohnkosten eine größere Rolle spielen als im verarbeitenden Gewerbe, wo Materialkosten auch ein wichtiger Faktor sind.

„Zu große EZB-Bilanz“

Eine weitere für die Geldpolitik bedeutende Größe nahm EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Donnerstag in den Blick. Seit März senkt die EZB die Bestände aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) bis Ende Juni monatlich um durchschnittlich 15 Mrd. Euro, was die Bilanz der Notenbank verschlankt. „Der derzeitige Umfang unserer Bilanz ist größer, als es für die wirksame Umsetzung unseres geldpolitischen Kurses erforderlich ist“, sagte Schnabel. Wie es ab Juli weitergeht, ist noch offen. Die EZB diskutiert derzeit darüber, das Tempo ab dann zu erhöhen. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte zuletzt bereits mit einer stärkeren Reduzierung geliebäugelt.

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