Solarauto

Sono Motors kämpft ums Überleben

Die Vorstände und Gründer Laurin Hahn und Jona Christians rufen zum vorzeitigen Bezahlen des Solarfahrzeugs auf. Scheitert die Kampagne, wäre das in einer Garage gestartete Projekt wohl am Ende.

Sono Motors kämpft ums Überleben

Von Joachim Herr, München

Whoopi Goldberg zeigt sich überzeugt vom Sion. „Ich will das jetzt haben“, sagt die US-amerikanische Schauspielerin in einem kurzen Video auf Twitter. Das Solarelektrofahrzeug biete genug Platz – auch für den Hund und die Großmutter und den Großvater, wenn er nett sei. Goldberg muss sich jedoch gedulden. Und ob der Sion, von dem es bisher 18 Exemplare für die Serienvalidierung gibt, wirklich eines Tages in größeren Stückzahlen produziert wird, ist äußerst ungewiss.

Im Oktober waren die Gründer und Vorstände von Sono Motors optimistisch und guter Dinge, als sie auf einer Tour in den USA ihr „Konzept der Solarmobilität“ präsentierten und Goldberg vorbeischaute. Doch bis Anfang Dezember war die Zuversicht stark geschrumpft, als die Vorstände die Rettungsaktion #savesion ankündigten. Denn dem Münchner Unternehmen geht das Geld aus, um sein großes Ziel zu erreichen.

Laurin Hahn, Co-CEO und einer der drei Unternehmensgründer, begründet die Klemme mit den erschwerten Finanzierungsbedingungen. In einem Video auf der Internetseite von Sono Motors formuliert er es drastisch: „Kapitalmarkt im Arsch.“ Hahn gibt aber auch Fehler zu: „Wir haben die Komplexität vielleicht unterschätzt.“ Anfangs wurde der Start der Serienproduktion für 2019 oder 2020 ins Visier genommen. Der aktuelle Plan sieht vor, dass der finnische Auftragsfertiger Valmet Anfang 2024 beginnt. Vorausgesetzt, das Projekt wird nicht eingestellt.

Rabatt als Anreiz

Damit es weitergehen kann, sollen die Interessenten für den Sion ihren Teil beitragen. Käufer in Europa bittet das Unternehmen, mehr als die übliche Reservierungsanzahlung von durchschnittlich 2000 Euro zu leisten. Über 21000 Privatkunden haben nach Angaben von Sono Motors den Kleinwagen bisher reserviert – neben 22000 Vorbestellungen von Firmenkunden, etwa Flottenbetreibern. Die Kampagne, die sich an die Privaten richtet und 50 Tage bis Ende Januar dauert, soll den vollen Preis von 3500 Sion einbringen. Bei einem Verkaufspreis von 29900 Euro wären das 105 Mill. Euro.

Auf der Internetseite #savesion läuft der Countdown. Am Dienstag in dieser Woche stand der Zähler für bezahlte Sion bei 1143,9. Anreiz für die Zahler ist ein Rabatt von maximal 2700 Euro – abhängig vom Zeitpunkt der Überweisung.

Zusammen mit anderen möglichen Finanzierungsquellen dürften die Anzahlungen den Großteil des Investitionsprogramms für die Produktion der Vorserienfahrzeuge abdecken, berichtet das Unternehmen. „Jeder zusätzliche Euro, den wir erhalten, verringert unsere Abhängigkeit vom Kapitalmarkt und senkt das Gesamtrisiko.“

Jona Christians, wie Hahn Co-CEO und Gründer, beschwört in einem Video die Interessenten: „Wir haben es in der Hand.“ Und Hahn fügt dem Appell hinzu: „Es darf nicht schiefgehen.“ Wenn doch, würde sich das Unternehmen künftig auf das Geschäft mit Solartechnik für Busse und Elektro-Lkw beschränken. „Dieses Standbein ist deutlich weniger kapitalintensiv“, betont das Unternehmen. Die Gründer machen klar, dass sie diesen Schritt nur schweren Herzens gehen würden: „Das sind nicht wir, das ist nicht Sono“, sagt Christians. Aus seiner und Hahns Sicht wäre der Sion ein Beitrag gegen die Klima- und die Energiekrise. Hahn weist auf die jüngste UN-Klimakonferenz in Ägypten hin: „Da sitzen viele Menschen, die labern nur rum. Aber hier ist halt eine Lösung“, meint er und zeigt auf einen Sion hinter sich.

In einem nach dem Anlauf der Kampagne aufgenommen Video geben sich Hahn und Christians zuversichtlicher – zu erkennen auch an der Körpersprache: „Wir kämpfen gemeinsam.“ Die Unterstützer fragten auch nach Sicherheiten, berichten die beiden Vorstände. Selbst wenn die Kampagne erfolgreich sei, bleibe ein „unternehmerisches Risiko“, gibt Hahn zu. „Es kann immer noch schiefgehen.“ Im schlimmsten Fall wäre das angezahlte Geld dann weg.

Seit der Gründung im Jahr 2016 sammelte Sono Motors nach eigenen Angaben mehr als 330 Mill. Euro Kapital ein. Zuletzt wurde Anfang Dezember eine Wandelanleihe mit einem Volumen von 30 Mill. Euro vereinbart. Diese eingeschlossen, bezifferte der Vorstand die Liquidität zuletzt auf 55 Mill. Euro. Von Januar bis September 2022 häufte sich ein Verlust von 104 Mill. Euro an. Die Betriebsausgaben stiegen wegen der verstärkten Entwicklung und der Vorbereitung auf die Serienproduktion.

Penny Stock an der Nasdaq

Der Börsengang an die Nasdaq im November 2021 hatte einen Emissionserlös von netto 137 Mill. Euro gebracht. Im Emissionsprospekt war gewarnt worden, ohne einen solchen Erlös wäre Sono Motors bald insolvent. Diese Klippe meisterte der Vorstand. Für die Aktionäre hat sich die Investition nicht gelohnt – zumindest bisher. Am ersten Tag an der Nasdaq war der Kurs der für 15 Dollar ausgegebenen Aktie auf einen Schlusskurs von 38,20 Euro emporgeschnellt. Im Dezember 2022 rutschte der Titel auf Penny-Stock-Niveau.

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