Carsten Sürig, Techem

Techem steht 2023 Eigen­tümer­wechsel bevor

Techem ist vor allem als Heizungsableser bekannt. Das Unternehmen wächst aber auch mit Effizienzdienstleistungen. Jetzt steht der Eigentümerwechsel bevor. Der Schweizer Finanzinvestor Partners Group stellt das Unternehmen aus Eschborn bald ins Schaufenster. Für den Verkauf oder einen Börsengang.

Techem steht 2023 Eigen­tümer­wechsel bevor

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sind Mess- und Effizienzdienstleistungen im Energiesektor zu einem Wachstumsgeschäft geworden. Das zeigt sich auch bei Techem. Der Heizkostenerfasser aus Eschborn hat in dem 12-Monats-Zeitraum endend zum 30. Juni 2022 beim Umsatz um 8 % auf 879 Mill. Euro zugelegt, wie Finanzvorstand Carsten Sürig im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Davon entfielen 742 Mill. Euro auf die klassischen Ablesedienste – das Submetering – und der Rest auf Effizienzdienstleistungen. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag bei 137 Mill. Euro.

„Unsere Investitionen der letzten 12 Monate von 134 Mill. Euro tragen Früchte“, sagte Sürig, der im Frühling 2019 zu Techem kam und vorher 20 Jahre für McKinsey gearbeitet hatte. „Wir haben das Produktportfolio im Bereich Energieeffizienz erweitert, das treibt das Wachstum zusätzlich.“ Techem hat sich damit neu erfunden: Der traditionelle Heizungsableser sieht sich inzwischen in 19 Ländern als „international agierenden Servicepartner für die Digitalisierung der Energiewende in Gebäuden“. Der Wandel habe sich schneller vollzogen als geplant.

Miteigentümer aus Kanada

So könnte es sein, dass Techem im Jahr 2023 abermals ein Eigentümerwechsel bevorsteht. Partners Group hat den Energiedienstleister 2018 zusammen mit den Pensionsfonds Caisse de dépôt et placement du Québec und Ontario Teachers’ Pension Plan für 4,6 Mrd. Euro einschließlich ungefähr 2,5 Mrd. Euro Nettoschulden übernommen. Der Infrastrukturinvestor Macquarie war nach zehn Jahren ausgestiegen. Für Partners Group gibt es indes keine Eile: Das Private-Equity-Haus hat bei Techem aus verschiedenen Fonds investiert und ist dadurch nicht an eine bestimmte Fondslaufzeit gebunden. Für den Ausstieg kommt sowohl ein Börsengang als auch ein Verkauf an andere Infrastrukturinvestoren in Frage. Für Techem wäre ein IPO die Rückkehr an die Börse. Das Unternehmen war im Jahr 2000 schon einmal auf das Parkett gegangen und schaffte es sogar in den MDax.

Es geht im Geschäft von Techem vor allem um die verbrauchsabhängige Erfassung und Abrechnung von Wärme und Wasser sowie die monatlichen Verbrauchsinformationen. Hauptkonkurrenten von Techem sind Ista, die dem Hongkonger Milliardär Li Ka-shing gehört, sowie Brunata und Minol.

Mit den Investitionen in die Digitalisierung hat Techem auf die Nachfrage reagiert, und die Umrüstungen leisten bereits einen Beitrag zu Verbrauchseinsparungen. So stellen Techems Lösungen Eigentümern und Mietenden Informationen zu ihren Energie- und Wasserverbräuchen bereit – „in immer kürzeren zeitlichen Abständen“, wie Sürig betont: „Heizkostenverteiler, Kälte- und Wärmezähler sowie Wasserzähler von Techem erfassen diese Verbräuche. Daten zu unterjährigen Verbrauchsinformationen werden digital zur Verfügung gestellt, um für das eigene Verhalten und die dadurch verursachten Energieverbräuche und Emissionen sensibilisiert zu werden.“ Techems Geräte ermöglichen dies durch präzise und fernauslesbare Messgeräte. So erreicht Techem eine im Branchenvergleich hohe Funkab­lesequote von circa 80 %. Bis 2025 sollen 90 % der Geräte in den europäischen Liegenschaften fernauslesbar sein. Weltweit werden in mehr als 12 Millionen Wohnungen die Heizgeräte abgelesen – mit mehr als 53 Millionen Messgeräten.

Der Anstieg des operativen Gewinns auf 137 Mill. Euro erklärt sich im Wesentlichen durch das Um­satzwachstum − das primär auf die Akquisition von Neukunden bzw. -projekten sowie die Ausweitung des Produktportfolios zurückzuführen ist. Die Zahl der Beschäftigten hat sich dennoch in den vergangenen fünf Jahren um 10% auf 4000 erhöht.

„Gleichzeitig konnte auch der Verschuldungsgrad kontinuierlich reduziert werden“, sagte Sürig. In den zwölf Monaten bis Mitte 2022 schrumpfte der Schuldenberg von 2,85 Mrd. auf 2,8 Mrd. Euro. Die Verschuldung liegt jetzt beim Sechsfachen des Ebitda – ein hoher, aber für Private-Equity-Portfoliofirmen nicht ungewöhnlicher Wert.

Günstig refinanziert

Im Zuge einer Refinanzierung bzw. eines Repricings sicherte sich Techem bereits im Januar 2020 äußerst günstige langfristige Konditionen. Das Unternehmen steht in regelmäßigem Austausch mit allen drei großen Ratingagenturen, die Anfang 2022 ihre Ausblicke auf „stable“ erhöht haben (S&P/Fitch von vorher „negative”; Moody’s „stable“ bestätigt). Aktuell liegen die Corporate Family Ratings von Techem unverändert bei „B+“, „B2“ und „B“(S&P (+), Moody’s bzw. Fitch).

Ein Selbstläufer wird der Verkauf nicht. Aber er kann gelingen. Denn die Zeit für Private-Equity-Firmen, sich mit ihren übervollen Kassen auf die nächste Welle von Transaktionen vorzubereiten, läuft ab. Steigende Zinssätze, Inflation und Rezessionsrisiken haben das Verbrauchervertrauen geschwächt und die Buy-out-Firmen vor die neue Realität höherer Finanzierungskosten und potenziell geringerer Renditen gestellt. Das alles ändert nichts daran, dass mehr als 1 Bill. Dollar in ihren Fonds liegen, die ausgegeben werden müssen.

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