Konjunktur

Bremsspuren im Welthandel

Der Ukraine-Krieg wirft den Güterverkehr zurück: Immer mehr Schiffscontainer stecken fest und in Deutschland rollen weniger Lkw. Das lässt Schlechtes für den anstehenden Welthandelsausblick der WTO erwarten.

Bremsspuren im Welthandel

ba Frankfurt

Die Aussichten für den Welthandel verdüstern sich, je länger der Ukraine-Krieg andauert. Daher wird wohl auch das für diesen Dienstag angekündigte Update der Welthandelsorganisation WTO mit Ab­wärtsrevisionen aufwarten. Echtzeitindikatoren zum hiesigen Lkw-Verkehr und zu Schiffsbewegungen auf den Weltmeeren deuten an, dass der Güterverkehr stockt. Probleme im Frachtverkehr haben vor allem für die international besonders stark vernetzte deutsche Wirtschaft Folgen.

Auch wenn Russland und die Ukraine mengenmäßig nicht zu den bedeutendsten Im- und Exporteuren gehören, so hat der Krieg doch erhebliches Störpotenzial. Wie der Kiel Trade Indicator zeigt, belastet der Krieg die Handelsdaten nahezu aller Volkswirtschaften und auch den Welthandel insgesamt deutlich. Während weltweit die Anzahl der festsitzenden Schiffscontainer wieder zunimmt, zeigt sich Russlands zunehmende Isolation in einem ab­rupten Rückgang der an- und ablegenden Containerschiffe in den dortigen Häfen. Die offensichtlichste Auswirkung hierzulande zeitigt wohl das Fehlen in der Ukraine produzierter Kabelbäume für Autos, das in der wichtigen Branche zu Werksstillständen geführt hat.

Im März hat der Lkw-Verkehr auf deutschen Autobahnen spürbar ab­genommen, was in Teilen sowohl dem Ukraine-Krieg als auch den erneuten Lockdowns in China infolge steigender Coronazahlen geschuldet sein könnte. Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge war die Fahrleistung mautpflichtiger Lastwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen im Vergleich zu Februar kalender- und saisonbereinigt um 1,9% niedriger. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist der kalenderbereinigte Lkw-Maut-Fahrleistungsindex um 1,6% gesunken.

Da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt, hängt der Indikator eng mit der Industrieproduktion zusammen und gibt frühe Hinweise zur Konjunkturentwicklung. Vor allem in den industriell geprägten Flächenländern be­steht den Wiesbadener Statistikern zufolge ein deutlicher Zusammenhang zwischen regionaler Lkw-Fahrleistung und regionalem Umsatz im verarbeitenden Gewerbe. In den Stadtstaaten und den weniger industriell geprägten Bundesländern sei der Zusammenhang schwächer.

Für März weist Destatis den größten Rückgang der Lkw-Fahrleistung im Monatsvergleich für Sachsen aus: Hier waren 4,7% weniger Lkw unterwegs. Dass der Ausblick für die deutsche Industriekonjunktur eingetrübt ist, haben schon die in der vergangenen Woche vorgelegten harten Daten gezeigt: So ist der Auftragseingang um 2,2% im Monatsvergleich gesunken, und das Produktionsplus von 0,2% rührt allein von der kräftigeren Energieerzeugung.

Ökonomen sorgen sich daher, dass die deutsche Wirtschaft erneut in die Rezession abgleitet, das heißt für zwei aufeinanderfolgende Quartale ein Minuswachstum aufweist. Im vierten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um 0,3% zum Vorquartal. Eine erste Schnellschätzung zum Startabschnitt 2022 veröffentlicht Destatis am 29. April.

Gemessen am Kiel Trade Indicator sind für die deutschen Ex- und Importe im März Rückgänge im Monatsvergleich von 3,7% bzw. 3,2% zu erwarten. Der Welthandel dürfte um 2,8% zurückgehen. Derzeit stecken etwa 12% aller weltweit verschifften Waren fest – 2021 lag der Wert nur in zwei Monaten höher (siehe Grafik). „Reale Verwerfungen durch die Invasion Russlands in der Ukraine und die Sanktionen des Westens sowie eine hohe Unsicherheit der Firmen mit Beziehungen zu Russland werfen den März-Handel spürbar zurück“, erklärte Vincent Stamer, Leiter des Kiel Trade Indicator.

Für Russland wird ein Rückgang der Exporte um 5,0% und der Importe von 9,7% erwartet. An den drei größten Häfen St. Petersburg, Wladiwostok und Noworossisk ist der Containerfrachtverkehr um die Hälfte eingebrochen. Die Ukraine ist praktisch vom internationalen Seehandel abgeschnitten. Den wichtigsten Hafen des Landes, Odessa am Schwarzen Meer, hat seit Kriegsausbruch kein großes Containerschiff mehr angelaufen.