EU-Kommission

Brüsseler Oktoberfest

Seit drei Jahren wird in Europa über eine Reform der Haushalts- und Schuldenregeln diskutiert. Die EU-Kommission will im Oktober nun konkrete Vorschläge auf den Tisch legen – dabei gibt es intern weiter Differenzen.

Brüsseler Oktoberfest

ahe Brüssel

Die EU-Kommission will nun erst im Oktober und damit nach den Parlamentswahlen in Italien ihre Gesetzesvorschläge für eine Reform der europäischen Haushalts- und Schuldenregeln veröffentlichen. Wie aus informierten Kreisen der Brüsseler Behörde zu erfahren war, ringt die Kommission allerdings noch immer um die richtigen Reformideen. „Wir sind noch nicht so weit“, hieß es. Weitere Diskussionen seien noch nötig, um die richtige Balance in den Vorschlägen zu finden.

Die EU-Kommission hatte bereits im vergangenen Oktober eine öffentliche Konsultation zur Reform der Fiskalregeln. Damals waren bereits als Ziele eine Vereinfachung des Regelwerks, eine stärkere nationale Eigenverantwortung sowie eine bessere Durchsetzung der Vorgaben genannt worden. Es geht bei der Reform darum, die zuletzt im Zuge der Coronakrise stark angestiegenen Schuldenquoten wieder abzubauen und zugleich noch hohe öffentliche Investitionen in die Digitalisierung oder die grüne Transformation der Wirtschaft zuzulassen.

Wie aus der EU-Kommission zu hören ist, will die Behörde bei der Haushaltsüberwachung möglichst wegkommen von jährlichen Defizit- und Schuldenvorgaben und künftig eher mit mehrjährigen Kennziffern arbeiten. Die Kommission tendiert zudem zu stärker bilateral ausgehandelten, individuellen Schuldenabbaupfaden, die die heute gültige 1/20-Regel ersetzen könnten. Nachgedacht wird zugleich über die Einführung von neuen Anreizstrukturen, ähnlich wie sie etwa bei der Ausgestaltung des milliardenschweren Corona-Wiederaufbaufonds verankert wurden.

In der Eurozone war die Verschuldung im Zuge der Pandemie 2020 im Schnitt auf 99% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hochgeschnellt. In diesem Jahr wird immer noch ein Niveau von rund 95% des BIP erwartet. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte bereits beim Start der öffentlichen Konsultation er­klärt, der Abbau der zu hohen Schuldenquoten müsse „auf eine intelligente, schrittweise, nachhaltige und wachstumsfreundliche Art und Weise“ geschehen. Die Kommission hatte eigentlich bereits im Frühjahr Gesetzesvorschläge vorlegen wollen. Der Krieg in der Ukraine hatte den Zeitplan aber durcheinandergeworfen. Die Haushaltsregeln sind in diesem und auch im nächsten Jahr noch ­faktisch ausgesetzt. Ab 2024 sollen bei der Wiedereinsetzung möglichst schon die reformierten Vorgaben ­gelten.

Finanzminister sondieren

Dombrovskis setzt für den Ge­setzesvorschlag darauf, dass die EU-Staaten­ bis dahin noch Grundzüge für eine Reform abstecken. Das ­Thema kommt auf jeden Fall erneut auf die Agenda bei den informellen Beratungen der Finanzminister, die Ende nächster Woche in Prag stattfinden. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte Anfang August hierfür bereits ein Positionspapier der Bundesregierung veröffentlicht.

Allerdings zeichnet sich auch unter den EU-Ländern bislang keine einheitliche Linie ab. Während die skandinavischen und baltischen Länder oder auch Länder wie Österreich Front gegen jedwede Aufweichung machen, plädieren südeuropäische Länder – inklusive Frankreich – für mehr Ausnahmen und einen eher langsameren Konsolidierungskurs.

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