Bundeshaushalt

Bundes­rechnungshof kritisiert Abwehrschirm

Die Haushaltskontrolleure des Bundes halten die Kreditaufnahme „auf Vorrat“ für den neuen Abwehrschirm für verfassungswidrig. Dem Bundestag nennen sie dafür eine Reihe von Gründen.

Bundes­rechnungshof kritisiert Abwehrschirm

wf Berlin

– Scharfe Kritik übt der Bundesrechnungshof an den Plänen der Ampel-Koalition, einen Schutzschirm von 200 Mrd. Euro aufzuspannen. Die Finanzierung des Schutzschirms sei verfassungs- und haushaltsrechtlich problematisch, schreibt der Rechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsauschuss des Bundestags. „Die Etatisierung der Mittel in einem Sondervermögen verstärkt die bereits bestehende Intransparenz des Bundeshaushalts“, kritisiert der Rechnungshof. Die vorgesehene Kreditaufnahme „auf Vorrat“ verstoße gegen den verfassungsgemäßen Grundsatz der Jährlichkeit. Dem anstrebten Notlagen-Beschluss des Bundestags fehle zudem der „Veranlassungszusammenhang“.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach Sabotage der Nord-Stream-Gaspipelines einen kreditfinanzierten Abwehrschirm von bis zu 200 Mrd. Euro angekündigt. Die Mittel sollen neben dem regulären Bundeshaushalt stehen. 2023 will Bundes­finanzminister Christian Lindner (FDP) eigentlich die Schuldenbremse wieder einhalten. Formal soll für den Abwehrschirm der Wirtschaftsstabilisierungsfonds wiederbelebt werden. Daraus hatte der Bund kreditfinanzierte Hilfen während der Coronakrise gezahlt. Am Freitag soll der Bundestag über die „Reaktivierung und Neuausrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ abstimmen. Die Ampel-Fraktionen hatten den Entwurf direkt eingebracht. Sie kürzen damit das Verfahren ab.

Bislang liegt aber nur ein Teil der Entwürfe für die Abstimmung vor. Vorgesehen ist auch ein Beschluss des Bundestags zur weiteren Ausnahme von der Schuldenbremse. Laut Nachrichtenagentur Reuters sollen die Mittel von 2031 an über 30 Jahre zurückgezahlt werden. Das geht aus einem internen Papier für die Ampel-Fraktionen hervor. Unklar ist der Wirtschaftsplan für den Stabilisierungsfonds, in dem konkrete Ausgaben stehen. Nur Hilfen an die Gasimporteure, die sich nach dem russischen Lieferstopp teurer ein­decken müssen, sind pauschal mit 50   Mrd. Euro angegeben.

Der Bundesrechnungshof zeigt auf, wie die Ausgaben aus den Sondervermögen und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds den Bundeshaushalt aufblähen (siehe Grafik). Die Finanzierung des Schutzschirms über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds verfälsche das tatsächliche Bild der Bundesausgaben noch mehr, schreibt der Rechnungshof. So liegen die Ausgaben in diesem Jahr um fast 55 Mrd. Euro über den regulären Ausgaben von knapp 496 Mrd. Euro. Im kommenden Jahr sollen die Bundesausgaben unter dem Regime der Schuldenbremse auf 445 Mrd. Euro zurückfallen, erreichen aber einen Spitzenwert von fast 613 Mrd. Euro.

Der Rechnungshof kritisiert, dass der Notlagen-Beschluss des Bundestags de facto weit über 2022 hinaus bis auf 2023 und 2024 ausgedehnt wird. Eine Notlage sei dadurch ge­kennzeichnet, dass sie „unvorhergesehen“ eintrete und sich genauso wieder ändern könne, heißt es. Weil niemand seriös absehen könne, wie sich eine Notlage entwickelt, dürften Kredite dafür nicht zeitlich weit im Vo­raus legitimiert werden. Den fehlenden zeitlichen Veranlassungszusammenhang begründet der Rechnungshof auch damit, dass völlig of­fen sei, wie die geplanten Maßnahmen und Programme rechtssicher und vollzugsreif ausgestaltet werden sollen.

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