Fünfjahresplan

China putzt sich für den Volkskongress heraus

Rund 5000 sogenannte Volksdelegierte versammeln sich ab Freitag für Chinas jährliches parlamentarisches Zeremoniell, das als Volkskongress bezeichnet wird.

China putzt sich für den Volkskongress heraus

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Rund 5000 sogenannte Volksdelegierte versammeln sich ab Freitag für Chinas jährliches parlamentarisches Zeremoniell, das als Volkskongress bezeichnet wird. Die Staatsführung misst dem diesjährigen Treffen eine besonders hohe Bedeutung bei. Einerseits, weil es einen neuen Fünfjahresplan und damit einen detaillierten wirtschaftlichen Vorgabenkatalog zu verabschieden gilt, dessen Ausarbeitung in die ungewissen Zeiten der Corona-Pandemie gefallen ist. Zum anderen, weil in diesem Jahr das 100. Jubiläum der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas begangen wird und es der Führungsriege ein besonderes Anliegen ist, sich und den Parteiapparat für alle seine Errungenschaften gründlich feiern zu lassen.

Während das Treffen im vergangenen Jahr wegen Corona-Sicherheitsrisiken auf den Mai verschoben werden musste, hindert die weitgehend unter Kontrolle gehaltene Epidemie die Staatsführung diesmal nicht daran, sich pünktlich zu Anfang März in der großen Halle des Volkes einzufinden. In Hauptsache gilt es dann, die von Regierung und Parteiführung fix und fertig beschlossenen Gesetzesvorgaben feierlich und in der Regel einstimmig abzunicken. Es handelt sich um eine völlig dissensfreie parlamentarische Veranstaltung mit handverlesenen und nicht etwa durch eine Volkswahl bestimmten Abgeordneten.

Trotz seines weitgehend rituellen Charakters hat der Volkskongress wichtige informative Seiten, die sich vor allem im Rahmen der Vorstellung eines Jahreswirtschaftsberichts der Regierung sowie einer Fülle von begleitenden Konferenzen einzelner Ministerien und Regulierungsbehörden und nicht zuletzt der Zentralbank ergeben. Vom Außen- und Handelsministerium einmal abgesehen, stellen sich chinesische Instanzen sonst äußerst selten der Öffentlichkeit und Presse.

„Qualitatives“ Wachstum

Die erste große Frage der Ökonomen wird sich bereits zum Auftakt am Freitag klären, wenn Premierminister Li Keqiang den Arbeitsbericht der Regierung vorlegt. Normalerweise beinhaltet dieser die sorgsam begründete Festsetzung einer numerischen Zielvorgabe für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). China war bislang die einzige führende Volkswirtschaft, die mit einem offiziellen Wachstumsziel hantiert hat. Durch die Corona-Pandemie allerdings ist dies etwas anders geworden. Im Mai des vergangenen Jahres verzichtete Li unter dem Eindruck eines gewaltigen Absturzes des BIP im ersten Quartal auf die Nennung eines Wachstumsziels, das so oder so kümmerlich hätte ausfallen müssen. Zwar kam man dann noch immer auf ein positives Wachstum von 2,3%, Chinas Wachstumsziele aber hatten bislang nie unterhalb von 6% gelegen.

In diesem Jahr wiederum ist allein wegen der Basiseffekte, also des statistischen Widerhalls der Coronakrise, mit einem kräftigeren Wachstum von 8 bis 9% zu rechnen. Ein Wachstumsziel nahe der gewohnten 6-%-Marke würde dann wenig Sinn machen, weil es wenig ambitioniert erschiene. Eine Marke nahe bei 8% wiederum könnte durch einen möglichen Wiederausbruch der Epidemie in China in Gefahr geraten. Entsprechend rechnet das Gros der Experten damit, dass sich Peking auch diesmal nicht in die Karten schauen lässt und sich lieber auf die Zauberformel der Förderung eines „qualitativen“ Wachstums besinnt.

Leitartikel Seite 6