Konjunktur

Chinas Premier besorgt über Konjunktur­erholung

Angesichts bereits nachlassenden Schwungs der chinesischen Wirtschaft sieht Li Keqiang das Wachstumsziel der Regierung als Herausforderung. Auch Analysten haben ihre Erwartungen nach unten revidiert.

Chinas Premier besorgt über Konjunktur­erholung

nh Schanghai

Chinas Premierminister Li Keqiang sieht das kürzlich bei 5,5% fixierte neue Wirtschaftswachstumsziel der Regierung als ernste Herausforderung an, die durch weitere fiskalische Anstrengungen zur Stabilisierung und Belebung der Konjunktur gemeistert werden muss. Auf der Pressekonferenz zum förmlichen Abschluss des diesjährigen Nationalen Volkskongresses erklärte Li vor ausgewählten Journalisten, dass man steuerliche Entlastungsmaßnahmen und Abgabensenkungen für die privaten Unternehmen als effektivste Maßnahme zur Unterstützung der Konjunktur an­sehe. So werde die Regierung ein Steuersenkungspaket in einem Um­fang von 2,5 Bill. Yuan (rund 360 Mrd. Euro) implementieren.

Prognosen zeigen abwärts

Angesichts der gegenwärtigen Abschwungstendenz der chinesischen Wirtschaft mit einem nachlassenden Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf zuletzt 4% im Schlussquartal 2021 gilt die neue Wachstumsvorgabe von 5,5% für das laufende Jahr als äußerst anspruchsvoll. Unter dem Eindruck der neuen Belastungsfaktoren aus dem Ukraine-Konflikt mit einem massiven Anstieg von Rohstoffpreisen und möglichen Handels- und Lieferkettenbeeinträchtigungen haben zahlreiche China-Ökonomen ihre Wachstumsprognosen für 2022 bereits abwärts revidiert. Sie liegen nun zum Teil deutlich unterhalb der offiziellen Zielmarke. Bei Goldman Sachs etwa rechnen die Analysten mittlerweile nur noch mit etwa 4,5% BIP-Wachstum für das Gesamtjahr.

Li sprach am Freitag von Abwärtsrisiken für den Konjunkturverlauf und einem komplexen Handlungsumfeld mit wachsenden Unsicherheiten. Dabei bezeichnete der Premier die Situation in der Ukraine als „beunruhigend“ und betonte die Notwendigkeit, die Bemühungen zu Waffenstillstandsgesprächen zu verstärken. Li zeigte sich allerdings nicht bereit, eine direkte Antwort auf die Frage zu geben, ob China den bisherigen Verzicht auf Kritik an Russlands Kriegshandlungen in der Ukraine auch im Falle einer weiteren Eskalation des Konflikts aufzugeben bereit wäre. Ebenfalls offengelassen wurde die Frage, ob sich China bereitzeigt, auch künftig weiterhin wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung für das mit drastischen Sanktionen aus dem Westen konfrontierte Russland zu leisten.

Während Chinas Außenminister Wang Yi bis zuletzt von „legitimen Sicherheitsinteressen“ Russlands ge­sprochen hatte und die vom Westen ausgehenden Sanktionen scharf verurteilt hatte, schlug Premier Li am Freitag einen moderateren Kurs ein und sprach lediglich davon, dass die gegen Russland gerichteten Sanktionen der Weltwirtschaft schweren Schaden zufügen würden und damit „in niemandes Interesse“ seien.

Corona greift um sich

Als gegenwärtig größte Herausforderung für die chinesische Regierung sieht Premier Li die Bewältigung der Corona-Pandemie. Seit dem Auftakt des Volkskongresses am vorangegangen Samstag hat sich die Ansteckungssituation in wichtigen chinesischen Großstädten deutlich verschlechtert und stellt die sogenannte „Nulltoleranzpolitik“ der Regierung auf eine harte Probe.

Am Freitag wurde die nordchinesische Neun-Millionen-Stadt Changchun unter Lockdown-Maßnahmen mit weitreichenden Ausgangssperren gestellt, während in Chinas führender Finanz- und Wirtschaftsmetropole Schanghai nach erheblich gesteigerten neuen Fällen Schulschließungen, Massentestverfahren und auch Reisebeschränkungen zu greifen beginnen.