Großbritannien

Corona-Statistik im Kreuzfeuer

Das britische Gesundheitswesen hat erneut mit überhöhten Corona-Fallzahlen gearbeitet. Bekannt wurde das nur, weil Gesundheitsminister Sajid Javid auf differenzierte Daten drang.

Corona-Statistik im Kreuzfeuer

hip London

Die Art und Weise, wie das öffentliche britische Gesundheitswesen Coronafälle zählt, hat erneut heftige Kritik hervorgerufen. Wie sich herausstellte, wurde einer von vier Patienten, die vom National Health Service (NHS) bislang als Coronafälle geführt wurden, aus anderen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert. Zuvor hatte der „Telegraph“ berichtet, dass mehr als die Hälfte der als Coronafälle eingestuften Krankenhauspatienten erst nach der Aufnahme positiv getestet wurden. Nachdem Gesundheitsminister Sajid Javid darauf gedrungen hatte, zwischen Patienten mit akuten Corona-Symptomen und solchen, die in erster Linie aus anderen Gründen ins Krankenhaus kamen, zu unterscheiden, legte der NHS England erstmals entsprechend differenzierte Zahlen vor. Bei der Entscheidung über Ausgangsbeschränkungen und andere Restriktionen spielen die Krankenhauseinlieferungen eine wesentliche Rolle. Führende Tory-Politiker wie der ehemalige Parteichef Iain Duncan Smith empörten sich über die schlechte Qualität der Datengrundlagen.

Patienten werden bei der Aufnahme routinemäßig auf das Coronavirus getestet. Die offizielle Statistik enthielt zuvor jeden Patienten, der während seines Aufenthalts im Hospital oder in den 14 Tagen ein positives Testergebnis erhielt, egal ob es sich um ein symptomfreies Unfallopfer oder einen Patienten mit schwerem Covid-19-Krankheitsverlauf handelte. Im Sommer vergangenen Jahres hatte sich herausgestellt, dass Public Health England (PHE) deutlich überhöhte Opferzahlen errechnete. Wie zwei Medizinprofessoren herausfanden, durchforstete PHE regelmäßig die NHS-Datenbank, um zu prüfen, ob Mitglieder, die einmal positiv auf Covid-19 getestet wurden, noch am Leben sind. Jeder Tote, der einmal mit dem Virus infiziert war, sei als Pandemieopfer gezählt worden, „selbst wenn er einen Herzanfall hatte oder drei Monate später vom Bus überfahren wurde“ (vgl. BZ vom 18.7.2020).