OECD-Studie

Coronakrise verstärkt Sorgen wegen Ungleichheit

Die Einkommenskluft in den Industriestaaten nimmt zu und bereitet den Menschen immer mehr Sorgen – wozu auch die Coronakrise beigetragen hat. Das sind zentrale Botschaften einer neuen Studie der OECD.

Coronakrise verstärkt Sorgen wegen Ungleichheit

ms Frankfurt

Die Einkommenskluft in den Industriestaaten nimmt zu und bereitet den Menschen zunehmend Sorgen – wozu auch die Coronakrise beigetragen hat. Das sind zentrale Botschaften einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Industrieländerorganisation OECD. „Die Covid-19-Krise hat Ungleichheiten aufgedeckt und verschärft“, heißt es darin. Deutschland gehört dabei sogar zu den Ländern, in denen es viele Menschen als besonders schwierig erachten, aus der Armut der eigenen Familie auszubrechen.

Die OECD-Studie dürfte die ohnehin zunehmend hitzige Debatte über das Thema be­feu­ern. In den USA hat etwa un­längst der Gini-Index, ein Maß für die Einkommensungleichheit, gezeigt, dass das Wohlstandsgefälle zwischen Arm und Reich heute so hoch ist wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen in den späten 1960er Jahren. Gleichwohl wird über das Ausmaß der Ungleichheit und mögliche Gegenmittel gestritten. Entsprechend lebhaft wird das Thema unter Politikern und Ökonomen diskutiert. Aber auch die Zentralbanken stehen zunehmend im Fokus.

Die OECD-Studie, die die Organisation selbst als ihre Flaggschiff-Publikation zum Thema bezeichnet, enthält nun zwar auch Erkenntnisse aus älteren Umfragen und Untersuchungen. Sie ist allerdings die erste seit Ausbruch der Coronakrise und deshalb von besonderem Interesse.

Laut der Studie empfinden vier von fünf Befragten die Einkommensungleichheit in ihrem Land als zu groß. Zugleich verweist die Untersuchung darauf, dass sich die Einkommenskluft in den vergangenen drei Jahrzehnten in vielen OECD-Ländern tatsächlich vergrößert und die soziale Mobilität stagniert habe. „Noch Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre glaubten Befragte, dass ein Spitzenverdiener im Schnitt fünfmal so viel verdient wie ein Geringverdiener. Aktuellen Zahlen zufolge glauben Menschen heute, dass das Einkommen von Spitzenverdienern im Schnitt achtmal höher ist“, schreibt die OECD. 71% der Befragten in den OECD-Ländern sind der Meinung, dass die jeweilige Regierung über Steuern und Sozialleistungen dafür sorgen sollte, dass sich die Einkommenskluft verringert.

Als „auffällig“ bezeichnet die OECD auch eine „zunehmende Polarisierung“ in den Ansichten der Menschen über die Ungleichheiten in ihrem Land. In den meisten OECD-Ländern sei in den vergangenen drei Jahrzehnten die Kluft zwischen je­nen gewachsen, die die Ungleichheit als eher hoch empfinden, und jenen, die sie als eher gering empfinden.

Die Coronakrise dürfte dazu ihren Beitrag geleistet haben – „obwohl die kurzfristigen Auswirkungen auf die Einkommensungleichheit dank der Interventionen der Regierungen unterschiedlich sind“, wie die OECD schreibt. Die Maßnahmen hätten die Folgen für verwundbare Arbeiter und Haushalte abgeschwächt.

In Deutschland ist die Sorge um Einkommensunterschiede sogar vergleichsweise hoch – und das, obwohl der Gini-Index unter dem OECD-Durchschnitt liegt. In den vergangenen Jahren hat die Sorge zudem zugenommen (siehe Grafik). Die OECD erklärt das unter anderem mit einem mangelnden und schwindenden Glauben an Chancengleichheit.