Lars Feld

„Das Wahlprogramm der Grünen lesen“

Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, ist zuversichtlich für die deutsche Wirtschaft. Er sieht aber beim Thema Steuern und Bürokratie Handlungsbedarf der Politik. Beim Boom der Grünen signalisiert er Skepsis.

„Das Wahlprogramm der Grünen lesen“

Mark Schrörs.

Herr Professor Feld, hat die deutsche Wirtschaft in der Coronakrise das Schlimmste überstanden? Dürfen wir uns jetzt auf einen richtigen Boom freuen?

Schon im Winter 2020/21 konnte man sehen, dass die schlimmsten gesamtwirtschaftlichen Effekte der Coronakrise im Frühjahr 2020 eingetreten waren. Im ersten Quartal 2021 dürfte der Aufschwung nur unterbrochen gewesen sein. Meines Erachtens sind wir trotzdem noch nicht ganz durch. Die Situation ist wegen des Infektionsverlaufs weiter unsicher. Die aktuellen Zahlen verbreiten jedoch Zuversicht. Wir dürften im Jahr 2021 bei einem Wirtschaftswachstum knapp über 3% landen.

Eine große Angst gilt einer breiten Welle von Unternehmenspleiten – zumal wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Ende April endet. Teilen Sie die Sorge? Wäre es besser, diese und andere Hilfen langfristig zu verlängern?

Im vergangenen Jahr war die Anzahl der Insolvenzen so niedrig wie schon lange nicht mehr. Das hat einerseits mit dem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht zu tun, andererseits aber mit der enorm hohen Liquidität aufgrund der expansiven Finanz- und Geldpolitik. Beide bleiben nach dem April 2021 expansiv und sorgen für eine anhaltend hohe Liquiditätsversorgung. Da die Zahlungsunfähigkeit der mit Abstand wichtigste Grund für Insolvenzanträge ist, rechne ich nicht mit einer Insolvenzwelle. Allerdings werden die Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr zunehmen. Hinzu kommen Geschäftsschließungen ohne Insolvenzanträge. Gleichwohl dürfte dies in Deutschland keine Probleme für die Stabilität des Bankensystems mit sich bringen.

Hat die Politik bei den Hilfen zu sehr auf kurzfristige Stabilisierung gesetzt und den Strukturwandel vernachlässigt – Stichworte: Klimaschutz und Digitalisierung?

Die Zukunftssäule des Konjunkturpakets setzt explizit auf Programme in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung. Darin finden sich auch Impulse für Forschung und Entwicklung. Allerdings entstehen Innovationen vor allem durch unternehmerische Initiative, die in Deutschland weiter auf vielfältige Weise gehemmt ist. Die Bundesregierung hätte beim deutschen Aufbau- und Resilienzplan im Rahmen des europäischen „Next Generation EU“ mutiger sein und Innovationshemmnisse abbauen können.

Beim Lockdown und den Hilfen gab es viel Streit zwischen Politik und Wirtschaft. Hat die Pandemie zu einer Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft geführt?

Ich sehe das gelassen. Die Politik wird allerdings nach der Krise aufpassen müssen, dass sie durch ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen schafft. Dazu gehört es vor allem, Steuererhöhungen zu unterlassen sowie regulatorische und bürokratische Hemmnisse für Investitionen abzubauen.

Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ist laut einer Umfrage die Favoritin der deutschen Wirtschaftselite. Ist eine grüne Wirtschaftspolitik jetzt tatsächlich das Beste für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Das wird die Wirtschaftselite selbst herausfinden müssen. Sie sollte sich dabei die Mühe machen, das Wahlprogramm der Grünen zu lesen.

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