Preisentwicklung

Deutsche Inflation vor Wendepunkt

Die Inflation lässt im März in Deutschland deutlich nach. Allerdings dürfte die Teuerung in den kommenden Monaten wieder etwas anziehen. Ursache sind die Preisanstiege im Dienstleistungssektor – und womöglich auch wieder steigende Energiepreise durch den Konflikt im Nahen Osten.

Deutsche Inflation vor Wendepunkt

Deutsche Inflation vor Wendepunkt

Teuerung auf niedrigstem Stand seit 2021 – Leichter Anstieg in den kommenden Monaten wahrscheinlich – Kernrate hoch

mpi Frankfurt

Die Inflation lässt im März in Deutschland deutlich nach. Allerdings dürfte die Teuerung in den kommenden Monaten wieder etwas anziehen. Ursache sind die Preisanstiege im Dienstleistungssektor – und womöglich auch wieder steigende Energiepreise durch den Konflikt im Nahen Osten.

Erstmals seit 2015 wieder fallende Lebensmittelpreise und eine Entspannung bei den Energiepreisen haben die Inflation in Deutschland im März deutlich abgeschwächt. Die Teuerung sank nach europäischer Berechnungsmethode HVPI von 2,7 auf 2,3%. Dies teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag in einer ersten Schätzung der Zahlen mit. Nach nationaler Rechnung (VPI) schwächte sich die Inflation von 2,5 auf 2,2% ab. Beide Inflationsmaße sind damit auf dem niedrigsten Stand seit fast drei Jahren.

Kerninflation weiter hoch

„Die Inflation in Deutschland bleibt auf Entspannungskurs“, meint Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. „Damit wird eine Senkung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ab Juni immer wahrscheinlicher.“ Doch die Inflationszahlen bergen auch nicht ganz so positive Nachrichten. Die Kernrate als Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck ist im März kaum gesunken. Sie ging von 3,4 lediglich auf 3,3% zurück. „Schaut man auf die Entwicklung von Monat zu Monat, hat sich der Preisauftrieb zuletzt sogar verstärkt“, sagt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. „Denn der Kernindex war im März saisonbereinigt wohl gut 1% höher als im Dezember 2023.“

Hauptgrund für die hartnäckige Kernrate sind die hohen Preise im Dienstleistungssektor. Mit 3,7% ist hier die Inflation weiter hoch. Das kräftige Lohnwachstum treibt vor allem in der arbeitsintensiven Dienstleistungsbranche die Preise. Aus diesem Grund beobachtet die EZB die Entwicklung der Löhne, der Profitmargen der Unternehmen sowie die Dienstleistungsinflation derzeit besonders genau.

Spannungen im Nahen Osten

Die hohe Kerninflation dürfte nach Einschätzung der meisten Ökonomen dazu führen, dass die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten wieder etwas anziehen. „Sollte es nicht zu unerwarteten Rückgängen der Weltmarktpreise für Öl und Gas kommen, dürfte der Gesamtindex der Verbraucherpreise in den kommenden Monaten zumindest wieder leicht in Richtung 2,5% ansteigen“, meint Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.

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Unerwartete Rückgänge bei den Energiepreisen sind angesichts der zunehmenden Spannungen im Nahen Osten unwahrscheinlich. Sollte sich der Konflikt ausweiten, könnten die Öl- und Gaspreise die Inflation in den kommenden Monaten sogar wieder anheizen. Außerdem gilt seit April für Fernwärme und Erdgas in Deutschland wieder der volle Mehrwertsteuersatz. Einen deutlichen Anstieg der Teuerung aufgrund des Lohnwachstums erwarten die meisten Ökonomen – und auch die EZB – trotz der hohen Kerninflation nicht. „Wie die deutschen Einzelhandelsumsätze zuletzt zeigten, halten sich die Verbraucher mit ihren Konsumausgaben zurück. Preisüberwälzungen werden deshalb nicht so einfach möglich sein“, urteilt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. „Höhere Lohnkosten dürften deshalb zulasten der Margen gehen.“

Inflationserwartungen sinken

Die Inflationsdaten dürften in der Summe die EZB darin bestätigen, dass es für eine Zinssenkung kommende Woche noch zu früh ist, die Zeit für die Zinswende im Juni aber gekommen sein dürfte. Positiv für die Notenbank ist, dass weniger Unternehmen in Deutschland die Preise anheben wollen als noch vor einem Monat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ifo-Umfrage vom Dienstag. Zudem lassen die Inflationserwartungen der Verbraucher in der Eurozone auf Sicht von zwölf Monaten weiter nach. Wie aus einer neuen EZB-Umfrage hervorgeht, rechnen sie nun im Median nur noch mit 3,1 statt 3,3%. Das ist der niedrigste Wert seit zwei Jahren.