Handelsgespräche

EU und Indien wollen einen Neustart

Zwischen der EU und Indien könnte sich doch noch eine der größten Freihandelszonen der Welt anbahnen. Beide Seiten vereinbarten, den seit 2013 andauernden Stillstand in den bilateralen Beziehungen zu überwinden.

EU und Indien wollen einen Neustart

ahe Brüssel

Nach achtjährigem Stillstand wollen die Europäische Union und Indien ihre Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen wieder aufnehmen. Dies beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs in einer Videokonferenz mit Indiens Premierminister Narendra Modi. Indien und die EU bilden zusammen einen Wirtschaftsraum mit etwa 1,8 Milliarden Menschen, der für mehr als ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung steht. Damit könnte eine der weltweit größten Freihandelszonen entstehen.

Verhandlungen sollen auch über ein Investitionsschutzabkommen und den Schutz geografischer Herkunftsangaben beginnen. In einer gemeinsamen Erklärung nach den Gipfelgesprächen hieß es, man wolle „ungenutztes Potenzial“ in den bilateralen Beziehungen für nachhaltiges und integratives Wirtschaftswachstum und die Erholung von der Corona-Pandemie ausschöpfen.

Schätzungen zufolge wird Indien mit einem derzeitigen Durchschnittsalter von nur 31 Jahren bis 2030 das bevölkerungsreichste Land der Welt sein. Einige Studien besagen, dass Indiens wichtigster Wirtschaftszweig, der digitale Sektor, zwischen 2019 und 2025 um über 250% wachsen wird.

Die EU war für Indien zuletzt größter Handelspartner. Indien lag im Gegenzug in der EU-Liste der größten Handelspartner nur auf Platz 10. 2007 hatten beide Seiten mit Diskussionen über ein breit angelegtes Handels- und Investitionsabkommen begonnen, die dann aber 2013 abgebrochen wurden, weil es auf beiden Seiten zu Unstimmigkeiten gekommen war.

Aus der Wirtschaft kam Applaus für den Neustart der Verhandlungen. Der Generaldirektor der europäischen Industrievereinigung Business Europe, Markus J. Beyrer, sprach von einem „wesentlichen Schritt vorwärts für beide Volkswirtschaften“. Beide Seiten sollten das neue Zeitfenster basierend auf gemeinsamen Werten, dem Engagement für einen regelbasierten Multilateralismus und der Nutzung gegenseitiger wirtschaftlicher Möglichkeiten nun auch nutzen.

Vereinbart wurde zunächst eine sogenannte „Konnektivitätspartnerschaft“, die darauf abzielt, Ressourcen, Standards und Fachwissen zu bündeln und gemeinsame konkrete Infrastrukturprojekte anzugehen. Eine solche Partnerschaft hat die EU bislang 2019 nur mit Japan abgeschlossen.

Die neue Partnerschaft geht bereits mit zwei weiteren Finanzierungsvereinbarungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) einher: Die eine über 300 Mill. Euro ist für den Bau eines U-Bahn-Netzes in Pune und Kanpur vorgesehen, die andere über 25 Mill. Euro ist eine Kapitalbeteiligung an einem Investitionsfonds der indischen Staatsbank, um globale Klimaschutzmaßnahmen zu fördern. Die EIB-Finanzierungen in Indien erreichen damit ein Gesamtvolumen von 3,3 Mrd. Euro.