Abwärtstrend setzt sich fort

Euro-Inflation überrascht erneut positiv

Die Inflation in der Eurozone sinkt auf den niedrigsten Stand seit Juli 2021. Forderungen nach baldigen Zinssenkungen werden an den Finanzmärkten immer lauter – was für die EZB ein Problem werden könnte.

Euro-Inflation überrascht erneut positiv

Euro-Inflation überrascht erneut positiv

Teuerungsrate fällt auf 2,4 Prozent – Diskussion um Zinssenkungen nimmt Fahrt auf

Die Inflation in der Eurozone sinkt auf den niedrigsten Stand seit Juli 2021. Das Teuerungsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) gerät damit kommendes Jahr in Reichweite. Forderungen nach Zinssenkungen im ersten Halbjahr 2024 werden an den Finanzmärkten immer lauter – was für die EZB ein Problem werden könnte.

mpi Frankfurt

Die Inflation in der Eurozone nähert sich weiter in großen Schritten dem Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Im November legten die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat nur noch um 2,4% zu, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in einer Schnellschätzung mitteilte. Damit fällt die Teuerung ein weiteres Mal etwas geringer aus als von Ökonomen prognostiziert. Von Reuters befragte Volkswirte hatten im Schnitt nur einen Rückgang von 2,9% auf 2,7% erwartet.

Die deutlichen Fortschritte im Kampf gegen die Inflation, die vor etwas mehr als einem Jahr mit 10,6% ihren Höhepunkt erreicht hatte, befeuern die Spekulationen, dass die EZB bereits vor dem Sommer 2024 die Zinsen senken könnte. „Wir erwarten nun eine erste Zinssenkung für nächsten Juni statt für September und gehen davon aus, dass die Notenbank die Zinsen bis Ende 2024 auf 3,0% senken wird, anstatt bisher 3,5%“, sagte Andrew Kenningham, Chefökonom Europa Capital Economics. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt aktuell bei 4,5%.

Etliche EZB-Ratsmitglieder haben jedoch immer wieder betont, dass sie von baldigen Zinssenkungen nichts halten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wies in dieser Woche vor dem Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments darauf hin, dass die Inflation noch nicht besiegt sei und die EZB die Zinssätze so lange wie nötig oben halten werde. Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras erklärte am Dienstag, dass er derzeit nicht an eine Zinssenkung im ersten Halbjahr glaubt. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hält es für zu früh, um über Zinssenkungen derzeit auch nur zu debattieren.

Erwartungen an Zinssenkungen beeinflussen Inflation

Hinter all diesen Wortmeldungen steckt, dass die Erwartung einer baldigen Zinssenkung zu einer Lockerung der Finanzierungskonditionen führt und damit den Inflationsdruck wieder verstärkt. Daher betonen die EZB-Granden immer wieder, dass die Zinssätze länger oben bleiben dürften, um die Prognosen der Finanzmarktteilnehmer zu beeinflussen. Bislang mit eher mäßigem Erfolg.

„Die aktuell am Euro-Geldmarkt ablesbare Schlussfolgerung vieler Finanzmarktteilnehmer, dass Zinssenkungen bereits im Frühjahr 2024 angesagt sind, halten wir aber noch immer für vorschnell“, sagte Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg, trotz des kräftigen Rückgangs der Inflationsrate im November. Eine Einschätzung, der sich viele Ökonomen anschließen. „Wir halten es für verfrüht, den Sieg über die Inflation zu verkünden“, sagte Commerzbank-Analyst Christoph Weil.

Kernrate weiter hoch

Die Kernrate, ein Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck, sinkt zwar ebenfalls. Sie liegt mit 3,6% aber deutlich oberhalb der Gesamtrate. Zudem dürften Basiseffekte dazu führen, dass die Gesamtrate im Dezember wieder deutlich ansteigt, bevor sie sich im Laufe des kommenden Jahres wieder der 2-Prozent-Marke nähert. Manche Ökonomen gehen sogar davon aus, dass die Inflation 2024 auf 2,0% oder darunter fallen könnte.

Allerdings bestehen weiter Aufwärtsrisiken für die Teuerung. Unklar ist, wie stark die Löhne 2024 zunehmen werden. Die Inflationserwartungen der Verbraucher, die zur selbst erfüllenden Prophezeiung werden können, sind weiter hoch. Auf Zwölf-Monats-Sicht liegen sie derzeit im Median bei 4,0% – womit die Inflationserwartungen weiter steigen. Zudem wird der dämpfende Effekt der Energiepreise bald entfallen, da das Energiekrisenjahr 2022 aus der Berechnung der Inflationsrate herausfällt.

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