Konjunkturprognosen

Export beflügelt deutsche Wirtschaft

Forschungsinstitute gehen trotz steigender Infektionszahlen davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr erholen wird. Die Hoffnungen ruhen auf einem robusten Wachstum der Weltwirtschaft. Entscheidend ist aber der weitere Pandemieverlauf.

Export beflügelt deutsche Wirtschaft

ba Frankfurt

Die Frühjahrsprognosen der Wirtschaftsforscher eint der Konjunkturoptimismus: Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2021 noch schrumpfen wird, soll der Aufschwung einsetzen. Als Triebfeder der Erholung gilt insbesondere, dass sich die weltweite Nachfrage nach Produkten „made in Germany“ weiter erholt – „nicht zuletzt deshalb, weil die Pandemiebekämpfung mancherorts effektiver ist als hierzulande, etwa in den USA“, wie es beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) heißt. Die Konjunktur in den USA und China – zwei der wichtigsten Absatzmärkte Deutschlands – sei maßgeblich für ein Wachstum der Weltwirtschaft um 6,7% in diesem Jahr.

Hinzu kämen äußerst umfangreiche Konjunkturpakete, etwa in den USA und Japan, die mit umfangreichen Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit stärken, betonte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen – dies sollte auch die Bundesregierung forcieren: „Mehr und zügig realisierbare Zukunftsinvestitionen, etwa in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz, sind gefragt, um international den Anschluss nicht zu verlieren.“ Gerade in Zeiten nach wie vor negativer Zinsen scheine der Zeitpunkt günstig – Modellschätzungen zeigten, dass 1 Euro dieser zusätzlichen Investitionen kumuliert bis 2024 etwa 1,60 Euro zusätzliches BIP mit sich bringe.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher forderte zudem einen „überzeugenden Plan für einen Umgang mit der Pandemie, der Gesellschaft und Wirtschaft eine glaubwürdige Perspektive für die Zukunft eröffnet“. Die Politik habe Vertrauen verspielt und Glaubwürdigkeit verloren, da sie zu zögerlich handele und zuletzt deutlich von ihrem Kurs abgewichen sei. „Die Corona-Pandemie nimmt vorerst kein Ende, wir sind auf direktem Weg in die dritte Welle“, sagte Fratzscher. Trotz der Öffnungsbemühungen werde es mindestens regional wohl immer wieder zu erneuten Lockdowns kommen müssen, so dass die deutsche Wirtschaft auf einem „Stop-and-go-Kurs“ sei.

Mit dem Überschreiten des Vorkrisenniveaus – womit das Institut für Weltwirtschaft (IfW) bereits im dritten Quartal 2021 rechnet – seien die Folgen der Pandemie noch längst nicht ausgestanden, mahnen die Kieler Forscher. So liege die Wirtschaftsleistung zum Jahresende etwa 1,4% unter dem Niveau, das ohne die Pandemie zu erwarten gewesen wäre. Der pandemiebedingte Wertschöpfungsverlust liege für die Jahre 2020 bis 2022 bei 340 Mrd. Euro. Das IfW ist mit −2,7% für den Jahresbeginn zwar etwas pessimistischer als das Gros der Ökonomen, hat die Vorhersagen für 2021 und 2022 aber kräftig nach oben geschraubt: In diesem Jahr wird ein BIP-Plus von 3,7 (zuvor 3,1)% erwartet und für 2022 von 4,8 (4,5)%. Das Essener RWI, das die Binnennachfrage als Taktgeber der Erholung sieht, erwartet für 2021 ein Wachstum von 3,6 (4,9)% und für 2022 ein Plus von 3,0 (2,8)%. Das Berliner DIW ist mit seinen Prognosen etwas verhaltener – es setzt für den Startabschnitt ein Minus von 1,4% an, für das Gesamtjahr wird ein Wirtschaftswachstum von 3,0 (5,3)% vorausgesagt, 2022 sollen es dann 3,8 (2,6)% werden.

Mit zunehmendem Impfschutz schiebe eine kräftige Nachfrage der privaten Haushalte auch die Binnenwirtschaft an, nachdem die zweite Infektionswelle die kontaktintensiven Dienstleister zurück in die Startlöcher geschickt hatte, sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths: „Die Industrie folgt dem V-förmigen Verlauf im Exportgeschäft, demgegenüber drückt die Pandemie der Konsumkonjunktur ein markantes W auf.“ Einen Beleg für die Stärke der Industrie lieferte gestern das Statistische Bundesamt (Destatis): So kletterte der Auftragsbestand im Januar um bereinigt 0,8% im Monatsvergleich. Gegenüber Februar, dem letzten Monat vor dem ersten Lockdown, stieg der Auftragsbestand um saison- und kalenderbereinigt 5,0%. Die Reichweite, also die Anzahl der Monate, die bei gleichbleibendem Umsatz ohne Neuaufträge produziert werden müsste, um den Auftragsbestand abzuarbeiten, ist auf den höchsten Stand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015 gestiegen: Sie liegt laut Destatis nun bei 6,9 Monaten nach 6,7 Monaten im Dezember.