Geldpolitik

EZB hält am System der Überschussliquidität fest

Die EZB passt ihren geldpolitischen Handlungsrahmen an mehreren Stellschrauben an. Eine Abkehr vom derzeitigen System der Überschussliquidität sind die Änderungen jedoch nicht.

EZB hält am System der Überschussliquidität fest

EZB stellt geldpolitischen Rahmen vor

Notenbank hält grundsätzlich am System der Überschussliquidität fest – Abstand zwischen Leitzinsen sinkt

Die Europäische Zentralbank (EZB) passt ihren geldpolitischen Handlungsrahmen an mehreren Stellschrauben an. Eine Abkehr vom derzeitigen System der Überschussliquidität sind die Änderungen jedoch nicht. Mancher Ökonom hätte sich mehr Mut bei den künftigen geldpolitischen Instrumenten gewünscht.

mpi Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Mittwoch eine Reihe von Änderungen bei ihren geldpolitischen Instrumenten verkündet. Unter dem Strich hält sie jedoch an einem System der Überschussliquidität im Euroraum fest und setzt weiterhin auf den Einlagensatz als wichtigsten Zinssatz in ihrer Geldpolitik.

Ab dem 18. September wird der Abstand zwischen dem Einlagensatz und dem Hauptrefinanzierungssatz von 50 auf 15 Basispunkte sinken. Die Differenz zwischen Spitzenrefinanzierungsfazilität und Hauptrefinanzierungssatz bleibt bei 25 Basispunkten. Durch die Änderung soll die Bedeutung der wöchentlichen Transaktionen steigen, bei denen sich die Banken zum Hauptrefinanzierungssatz Geld von der EZB leihen können. Mit der Anpassung erst zum September will die EZB möglicherweise verhindern, dass die Änderung mit einer Zinssenkung verwechselt wird. Bis zum 18. September dürfte die Notenbank die Zinswende bereits eingeleitet haben.

Die anstehende Zinswende und die kontinuierliche Reduzierung der Bilanzsumme der EZB seit 2022 waren die Gründe für eine Überprüfung des geldpolitischen Rahmenwerks. Beides senkt die Liquidität im Euroraum. Die Notenbank will mit den Anpassungen sicherstellen, dass Banken auch künftig ausreichenden Zugang zu Liquidität haben bei einer gleichzeitig effektiven Geldpolitik. „Der Handlungsrahmen stellt sicher, dass die Durchführung unserer Geldpolitik vor dem Hintergrund der Bilanznormalisierung auch in Zukunft wirksam, robust, flexibel und effizient ist“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Neues Anleiheportfolio

Die Anpassungen der EZB beinhalten auch neue längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und ein strukturelles Wertpapierportfolio, die jeweils zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden. Details nannte die Notenbank dazu nicht. Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, lässt sich aus diesem Vorhaben einiges ableiten. „Die EZB rechnet jetzt schon damit, dass es zukünftig wieder zu einer Bilanzsummenausweitung kommen wird und dass dabei längerfristige Refinanzierungsgeschäfte eine zentrale Rolle spielen werden“, sagte er. „Darüber hinaus lässt die Aussage, dass der Einlagensatz der zentrale Schlüsselzins bleibt, darauf schließen, dass die Bilanzsumme hoch bleiben wird.“

Ähnlich beurteilt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer die Beschlüsse. „Positiv ist, dass die EZB die Überschussliquidität reduzieren möchte“, sagte er. Allerdings werde sie grundsätzlich am System der Überschussliquidität bei einem hohen Bestand an Anleihen festhalten. „Sie schafft somit keine Perspektive, um schrittweise zu einem System knapper Notenbankliquidität zurückzukehren, wie es bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise vorherrschte.“

Fehlender Druck der Märkte

Vor der Finanzkrise hatte der Interbankenmarkt eine weitaus größere Rolle als heutzutage. Da Zentralbankgeld knapp war, mussten sich Banken dieses bei Bedarf häufig von anderen Geldinstituten leihen. Sie musste daher stärker als heutzutage darauf achten, dass sie für andere Banken kreditwürdig waren. Diesen „heilsamen Druck“ des Marktes vermisst Krämer – nicht nur bei den Geldhäusern.

Die hohen Staatsanleihebestände der EZB und der nationalen Notenbanken führen für Krämer dazu, dass die Staaten der Eurozone weniger Anreize haben, sich nicht zu stark zu verschulden. Je höher der Anleihebestand in den Notenbankbilanzen sei, desto weniger seien die Staaten darauf angewiesen, dem Wunsch der privaten Investoren nach soliden Staatsfinanzen nachzukommen.

„Die EZB hätte fünfzehn Jahre nach dem Ende der Finanzkrise mehr Normalität wagen können“, lautet das Fazit Krämers. Zurück zur vorherigen Lage ist die EZB auch beim Thema Mindestreserve für Geschäftsbanken nicht gegangen. Diese wird auch künftig bei 1% der Kundeneinlagen liegen und wird inzwischen nicht mehr verzinst. Bis Anfang Januar 2012 hatte diese noch bei 2% gelegen. Eine Minderheit im EZB-Rat hatte für eine Anhebung plädiert – etwa auf erneut 2%.

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