Notenbank

EZB stellt sich gegen Stagflationsängste

Die Angst vor einer Stagflation im Euroraum hat zuletzt spürbar zugenommen. Die EZB weist die zunehmenden Vergleiche mit den 1970er Jahren aber zurück. Gegenüber der Lage damals sei heute vieles anders.

EZB stellt sich gegen Stagflationsängste

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) tritt Sorgen vor einer Stagflation im Euroraum ähnlich der Situation in den 1970er Jahren entgegen – also einem Gleichklang aus hoher Inflation und stagnierender Wirtschaft. Es gebe zahlreiche Unterschiede zwischen der Lage damals und jener heute, schreibt die EZB in einer am Mittwoch vorab veröffentlichten Analyse aus ihrem neuen Wirtschaftsbericht. Laut EZB sind auch die aktuellen Prognosen von Experten „weit“ entfernt von einem Stagflationsszenario.

Die Angst vor einer Stagflation im Euroraum hat zuletzt spürbar zugenommen. Hintergrund ist einerseits, dass die Inflation weiter hartnäckig viel zu hoch liegt. Im Mai erreichte sie erneut ein absolutes Rekordhoch von 8,1%. Derzeit befeuert der Ukraine-Krieg die Teuerung zusätzlich. Andererseits verliert die Euro-Wirtschaft insbesondere wegen des Kriegs an Schwung und die Warnungen vor einer Rezession nehmen zu. Im ersten Quartal ist die Euro-Wirtschaft um 0,3% gewachsen.

Die EZB weist nun die zunehmenden Vergleiche mit den 1970er Jahren zurück: „Mehrere Unterschiede zwischen der derzeitigen Wirtschaftslage und derjenigen der 1970er­ Jahre machen eine Stagflation heute weniger wahrscheinlich.“ Die Experten heben vor allem vier Unterschiede hervor: Zum einen habe die Ölabhängigkeit erheblich abgenommen, was den potenziellen wirtschaftlichen Schaden von Ölschocks reduziere. Zum anderen habe das Ri­siko von Zweitrunden­effekten bei ei­nem ausgelasteten Arbeitsmarkt ab­genommen, weil die Löhne immer seltener an die Inflation gekoppelt seien und die Gewerkschaftsbindung der Arbeitnehmer nachgelassen habe. Zum Dritten gingen die realen Wachstumsprognosen immer noch von einer Erholung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus – nicht zuletzt dank der Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Einen vierten Unterschied sehen die EZB-Experten darin, dass die geldpolitischen Strategien heute klarer auf die Kontrolle der Inflationserwartungen und das 2-Prozent-Inflationsziel ausgerichtet seien. Zuletzt sind die Inflationserwartungen aber bereits angestiegen, zumal mancher Zweifel an der Glaubwürdigkeit der EZB als Hüterin stabiler Preise hegt.

Im Einklang der Experten

Die EZB sieht ihre Einschätzung auch in Einklang mit jener von anderen Experten. „Die aktuellen Expertenprognosen sind noch weit von ei­nem Stagflationsszenario entfernt.“ Die jüngsten Prognosen sagten im Mittel etwa für 2023 mehr als 2% und einen Rückgang der Inflation auf unter 2% in der zweiten Jahreshälfte 2023 voraus. Derzeit revidieren aber einige Volkswirte ihre Erwartungen deutlich und die Warnungen vor ei­ner Rezession nehmen zu.