Euroland

EZB treibt digitalen Euro voran

Am 14. Juli berät der EZB-Rat über den digitalen Euro. Es gilt als sicher, dass er dann die nächste Projektphase einleiten wird. Generell scheint die Einführung ausgemachte Sache zu sein. Was plant die EZB genau?

EZB treibt digitalen Euro voran

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Offiziell entschieden ist bislang noch nichts. Aber dass es in Zukunft einen digitalen Euro geben wird, scheint längst ausgemachte Sache zu sein. Zu groß ist der Druck seitens der EU-Politik, die einen digitalen Euro als unerlässlich ansieht für den Erhalt der digitalen wie generell der wirtschaftlichen Souveränität Europas. Zu klar sind auch die Aussagen von Euro-Notenbankern, die angesichts der Pläne von Tech-Gigant Facebook für eine eigene Währung und der rasanten Fortschritte Chinas beim digitalen Yuan um das staatliche Geldmonopol und ihre monetäre Souveränität fürchten. „Das Risiko besteht eindeutig darin, dass Europa nicht nur in seinem Bestreben, die internationale Rolle des Euro zu stärken, an Schwung verliert, sondern sogar in seinem Bestreben, ihn auch nur zu erhalten“, warnte Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau sogar vor wenigen Tagen.

Entsprechend kann es auch kaum Zweifel geben, dass der EZB-Rat am kommenden Mittwoch die nächste Projektphase einläuten wird, wenn er das weitere Vorgehen beim digitalen Euro berät. Konkret geht es dann um eine „formelle Untersuchungsphase“, wie es EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta nennt. Es geht explizit noch nicht um eine Pilotphase wie in China, wo die Zentralbank den digitalen Yuan bereits mit mehr als zwei Millionen Menschen in der Praxis testet. Bis der Bürger den digitalen Euro im Alltag tatsächlich nutzen kann, dürften ohnehin noch mindestens vier bis fünf Jahre vergehen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) befindet sich damit weltweit in bester Gesellschaft. Laut der jüngsten Umfrage der Zentralbank der Zentralbanken BIZ aus dem Januar beschäftigen sich inzwischen 86% der Notenbanken aktiv mit dem Thema digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC). Noch 2017 waren es gerade mal knapp zwei Drittel. Generell hat sich das Engagement intensiviert – von konzeptuellem Research zur praktischen Erprobung. Zugleich aber, so die BIZ, gilt es bei der Mehrheit der Zentralbanken als „unwahrscheinlich“, dass sie in absehbarer Zeit digitales Zentralbankgeld einführen (siehe Grafik). Die BIZ ihrerseits hat aber unlängst den Druck erhöht. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht bezeichnete sie digitales Zentralbankgeld als „ein Konzept, dessen Zeit gekommen ist“ und sprach von einer „neuen Ära für das Geldsystem“.

Auch die EZB hat in den vergangenen Monaten ihre Arbeit am digitalen Euro forciert. Im Oktober legte sie einen ersten Bericht zum digitalen Euro vor und startete eine öffentliche Konsultation, die auf eine Rekordbeteiligung stieß. Mehr als 8000 Antworten gingen bis Mitte Januar ein.

Parallel experimentierten Experten aus der EZB und den nationalen Zentralbanken mit verschiedenen Op­tionen, um die technische Machbarkeit auszuloten. Dabei wurde etwa die Kompatibilität existierender Zentralbankzahlungssysteme mit einem digitalen Euro untersucht, aber auch die Nutzung von Distributed-Ledger-Technologien. Getestet wurde zudem die Verbindung mit einer elektronischen Identität sowie verschiedene Arten von Offline-Transaktionen. Erste Ergebnisse dieser Experimente will die EZB ebenfalls nächste Woche vorlegen.

In der nächsten Phase soll es nun darum gehen, mögliche Gestaltungsoptionen und Nutzeranforderungen zu analysieren – genau wie Bedingungen, unter denen Finanzintermediäre Front-End-Dienste auf Grundlage eines digitalen Euro anbieten könnten. In der EZB wird davon ausgegangen, dass diese Analyse etwa zwei Jahre dauern wird. Für diese Phase will die Notenbank auch personell aufstocken. Wie die Börsen-Zeitung erfuhr, sollen rund 50 neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Wenngleich die neue Projektphase „ergebnisoffen“ sein soll, wie es aus der EZB heißt, zeichnen sich aktuell erste Weichenstellungen bereits ab: So scheint es derzeit unwahrscheinlich, dass der digitale Euro auf der Blockchain-Technologie basieren wird. Vielmehr dürfte er eher kontenbasiert sein und etwa auf dem Echtzeit-Überweisungssystem TIPS aufbauen. Das würde die Kontrollmöglichkeiten der EZB erhöhen, aber auch die Einsatzoptionen etwa bei der Nutzung in der Industrie verringern. Zudem dürfte es eine Höchstgrenze geben für die Summe, die ein Euro-Bürger in seiner elektronischen Geldbörse (E-Wallet) halten kann. EZB-Vertreter haben dabei wiederholt die Summe von 3000 Euro pro Bürger ins Spiel gebracht. Das soll verhindern, dass in großem Stil Einlagen bei den Banken abfließen, und im Krisenfall das Risiko eines „digitalen Bank Run“ mindern. Es würde aber auch die generelle Attraktivität des Euro und damit möglicherweise die Akzeptanz mindern. Und schließlich dürfte es wohl keine Verzinsung geben – aber damit auch keine Minuszinsen. Das würde den digitalen Euro dem Bargeld gleichstellen.

Letztlich hängen alle Details aber auch davon ab, welche politische Stoßrichtung das Projekt in den nächsten Jahren noch bekommt: Geht es primär um eine zeitgemäße Alternative oder um die Souveränität des europäischen Zahlungsverkehrs und der Euro-Geldpolitik? Diese Frage ist derzeit noch offen.