Deutsche Konjunktur

Frühlingsgefühle trotz Stop-and-Go

Die deutsche Wirtschaft startet optimistisch in den Frühling. Der Ifo-Geschäftsklimaindex hat sich überraschend stark aufgehellt. Das liegt auch an den geradezu „explodierenden“ Exporterwartungen.

Frühlingsgefühle trotz Stop-and-Go

Von Anna Steiner, Frankfurt

Die deutschen Unternehmen starten den Frühling mit einer gehörigen Portion Optimismus. Trotz der dritten Coronaviruswelle und deutlich steigender Neuinfektionszahlen stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex im März auf 96,6 Punkte. Im Februar lag das Barometer noch bei 92,7 Punkten. Damit erreicht der Index den höchsten Stand seit Juni 2019, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag zu seiner Umfrage unter 9000 Managern mitteilte. Analysten hatten nur einen Anstieg auf 93,2 Punkte erwartet.

Mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute haben derweil im Verlauf der zurückliegenden Woche ihre Konjunkturprognosen für dieses Jahr revidiert. Sie erwarten nun ein schwächeres Wachstum, rechnen aber weiterhin mit einer Erholung, die im zweiten Quartal starten soll.

„Trotz steigender Infektionszahlen startet die deutsche Wirtschaft zuversichtlich in den Frühling“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Manager beurteilten den Geschäftsausblick für die kommenden sechs Monate und ihre Lage günstiger als zuletzt. Besonders im verarbeitenden Gewerbe herrscht Konjunkturoptimismus. Die Unternehmer sind mit ihren aktuellen Geschäften deutlich zufriedener. „Ihre Erwartungen waren zuletzt im November 2010 so optimistisch“, betonte Fuest. Die Nachfrage nach Industriegütern habe merklich angezogen. „In allen Industriebranchen stehen die Zeichen auf Aufschwung.“ Die Industrie trotzt auch wegen der anziehenden Nachfrage aus Übersee der dritten Corona-Welle. „Die Industrie ist richtig stark“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Ihre Exporterwartungen sind regelrecht explodiert – vor allem wegen der starken Nachfrage aus den USA und China.“

Auch bei den Dienstleistern deutet sich erstmals seit vergangenem Herbst wieder eine vorsichtige Entspannung an. Vor allem bei IT-Firmen läuft es laut Ifo-Institut gut. „Im Gastgewerbe und der Tourismusbranche ist die Lage aber weiterhin sehr schlecht“, heißt es aus München. Im Einzelhandel sei die Lage wegen des Lockdowns weiter schwierig, wenn auch etwas weniger stark als im Vormonat. „Positive Ausnahmen waren neben den Supermärkten die Fahrradhändler und die Floristen.“

„Eine Momentaufnahme“

Die Reaktionen der Ökonomen auf die Daten fiel gemischt aus. „Die Wirtschaft befindet sich im Stop-and-Go-Modus, Lockdown und Lockerungen wechseln sich im Rhythmus der Corona-Wellen ab“, sagte KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib. Das bessere Geschäftsklima sei „angesichts der erneuten – und wegen der britischen Virusmutante leider notwendigen – Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen nur eine Momentaufnahme“.

Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg mahnt ebenfalls zur Vorsicht. Die Zahlen seien zwar gut, würden aber die zu erwartenden Einschränkungen in der ersten Aprilhälfte nicht abbilden. „Zudem lässt der Impffortschritt, der für eine dauerhafte Rückführung der Corona-Maßnahmen entscheidend ist, zu wünschen übrig.“ Etwas zuversichtlicher interpretiert Jörg Angelé von Bantleon die aktuelle Einschätzung der Unternehmen: „Es besteht zum jetzigen Zeitpunkt kaum ein Zweifel daran, dass die Situation für den Großteil der Unternehmen in sechs Monaten erheblich besser sein wird als heute.“ Die deutschen Unternehmen halten demnach das Ende der Coronakrise für absehbar.

Revidierte Prognosen

Unterdessen haben im Verlauf der Woche mehrere Wirtschaftsforscher ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr nach unten revidiert. Den Anfang machte bereits for einer Woche der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die „Wirtschaftsweisen“ rechnen für 2021 nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,1%. Im Herbst waren sie noch von 3,7% ausgegangen. Für das erste Quartal erwartet der Sachverständigenrat angesichts der andauernden Einschränkungen und weiterhin hoher Infektionszahlen sogar einen BIP-Rückgang um 2,0%. In dieser Woche zogen die Ökonomen der Commerzbank nach und senkten ihre Prognose von 4,5% auf 3,5%. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wird pessimistischer und prognostiziert nur noch ein BIP-Wachstum von 3,0%. Im Herbst waren die Kölner Forscher noch von einem Plus von 4,0% ausgegangen. Auch das Ifo-Institut revidierte seine Prognose um 0,5 Prozentpunkte nach unten und rechnet nun noch mit einem BIP-Wachstum von 3,7%.

Als Gründe benennen die Ökonomen in erster Linie die Verzögerung der Impfungen. Im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa Großbritannien (siehe Bericht auf dieser Seite) und Israel kommt die Impfkampagne von Deutschland nach wie vor eher schleppend voran. Nach aktuellem Stand wurden 12 Millionen Impfdosen verabreicht. Erst 10% der Bevölkerung sind mindestens einmal gegen Corona geimpft worden. Dem vorangegangen waren Lieferschwierigkeiten bei fast allen Herstellern und ein zeitweiser Impfstopp für das Vakzin von AstraZeneca. Ökonomen setzen nun auf ein höheres Tempo bei den Impfungen und steigende Temperaturen und rechnen nach wie vor damit, dass sich die deutsche Wirtschaft ab April langsam erholt.