Einkommen- und Vermögensteuer

Für wen es teurer werden kann

Wer kann nach der Krise die Haushaltslöcher stopfen? SPD, Grüne und Linke setzen im Wahlkampf auf Steuererhöhungen für Vermögende und hohe Einkommen. Union und FDP sind strikt dagegen.

Für wen es teurer werden kann

Von Angela Wefers, Berlin

Bei der Steuerpolitik sind sich die Parteien in einem Punkt einig: Alle wollen die Mitte entlasten. Union und FDP haben dabei jedoch eine Steuerentlastung für alle im Blick. Bei CDU/CSU steht diese – wie alles im Wahlprogramm – unter Finanzierungsvorbehalt. Sollte sie die Wahl gewinnen, ist erst einmal ein Kassensturz angesagt. Die FDP-Pläne zur Entlastung reichen weiter als die der Union (siehe Grafik). Deren Steuerpläne würden nach Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstitutes IW Köln Bürger, aber auch Personengesellschaften um 75 Mrd. Euro entlasten und zu entsprechenden Einkommensteuerausfällen führen. Bei der Union liegt der Betrag laut IW Köln bei 20 Mrd. Euro. Die AfD hat kein detailliertes Konzept. Sie tritt für „elementare Steuergerechtigkeit statt Nominalwertprinzip und Ungleichbehandlung von Steuerbürgern“ ein. Die Partei fordert eine unspezifische „Reduzierung der Steuer- und Abgabenquote“.

Lasten auf starke Schultern

Bei den sogenannten Besserverdienenden scheiden sich vor der Bundestagswahlkampf in den Parteien die Geister. Für SPD, Grüne und die Linke ist die Lage klar, nachdem die Corona-Pandemie Löcher in die öffentlichen Kassen gerissen hat. Sie setzen auf höhere Steuern und wollen gut verdienende und vermögende Bürger stärker belasten. Dazu soll im oberen Bereich die Einkommensteuer steigen und vor allem die Vermögensteuer wiederbelebt werden. Dies folgt dem Gedanken, dass starke Schultern nach der Krise mehr tragen können als schwache. Neben der Umverteilung im Einkommensteuertarif soll die Steuerpolitik dazu dienen, in der Krise gewachsene Ungleichheit zu mildern. Steigende Börsenkurse und Immobilienpreise machen die Reichen noch reicher, so scheint es.

Die Grünen sehen vor, bei Einkommen ab 100000 Euro (Verheiratete jeweils das Doppelte) den Spitzensteuersatz von 42% auf 45% zu erhöhen. Auch der Reichensteuersatz soll um drei Punkte auf 48% steigen und bereits ab einem Single-Einkommen von 250000 Euro gelten. Derzeit liegt die kritische Einkommensmarke bei 275000 Euro. Das Modell soll aufkommensneutral sein, soweit es die Einkommensteuer betrifft.

Die Steuerpläne der SPD würden nach Modellierung des Wirtschaftsforschungsinstitutes IW Köln zu Mehreinnahmen von 2 Mrd. Euro führen. Das Wahlprogramm der SPD ist unscharf. Das IW geht in seiner Berechnung davon aus, dass der Spitzensteuersatz ab 76000 Euro zu versteuerndem Einkommen auf 45% steigt.

Zuletzt waren Pläne bekannt geworden, nach denen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Bundesfinanzministerium eine aufkommensneutrale Reform habe entwerfen und berechnen lassen. Demnach sollen alle Steuerzahler bei der SPD bis zu einem Einkommen von 100000 Euro entlastet werden. Der Spitzensteuersatz von 42% soll nicht schon bei einem Einkommen von derzeit 58000 Euro anfallen, sondern erst bei 70000 Euro. Bei 90000 Euro sollen dann 45% gelten. Die Reichensteuer soll wie bei den Grünen sprunghaft auf den Satz von 48% ab 250000 Euro Einkommen steigen. Die SPD erklärte, dass über ihr Steuermodell noch nicht entschieden sei.

Teuer wird es bei der Linken, die vor allem die unteren Einkommen spürbar entlasten will.  Dazu soll der steuerfreie Grundfreibetrag nahezu verdoppelt werden und ein neuer Spitzensteuersatz von 53% ab einem Einkommen von 70000 Euro gelten. Trotz dieser drastischen Erhöhung in den oberen Einkommensbereichen gelingt der Linken kein aufkommensneutrales Konzept. Die Reform würde laut IW Köln zu Steuerausfällen von 10 Mrd. Euro führen. Die Gruppe der Spitzenverdiener ist zu klein, um die Entlastung am unteren Einkommensende zu kompensieren.

Hoffnung auf neue Quelle

Mehr Geld in die Kasse käme vor allem durch die Vermögensteuer, so die Hoffnung der Befürworter. Seit 1997 wird diese Steuer nicht mehr erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie gestoppt und die damalige schwarz-gelbe Regierung keine große Anstrengung unternommen, die umstrittene Steuer verfassungsfest zu machen. Umgerechnet 4,6 Mrd. Euro oder 9 Mrd. DM brachte die Steuer damals ein – vergleichsweise wenig für einen hohen Verwaltungsaufwand in den Finanzämtern. Die Grünen versprechen sich heute bis zu 10 Mrd. Euro mehr Einnahmen im Jahr bei einer Steuer von 1% auf ein Vermögen von 2 Mill. Euro an. Die SPD setzt auf einen gestaffelten Tarif von 1% von 2 Mill. Euro Vermögen an, 1,5% von 20 Mill. Euro Vermögen an und von 2% ab einem Vermögen, das größer als 1 Mrd. Euro ist. Damit würden 17 bis 24 Mrd. Euro in die Kasse gespült. Die Linke träumt von Mehreinnahmen von 50 Mrd. Euro im Jahr und will dafür Vermögen von 1 Mill. Euro an zwischen 1 bis 5% belasten. Union und FDP lehnen die Vermögensteuer entschieden ab.

Problemfall Unternehmen

Die Modellrechnungen der Partein berücksichtigen nicht, dass Vermögen vielfach in Betrieben gebunden ist. Wer sich die komplexen Regeln für die Erbschaftsteuer hierzulande vor Augen hält, kann vorhersehen, dass auch eine Vermögensteuer in der Wirtschaft sich nicht so einfach durchsetzen lassen wird. Schließlich stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel in Unternehmen, die nach der Krise wieder durchstarten sollen. Je kleiner das Aufkommen wird, desto mehr stellt sich die Frage eines angemessenen Verwaltungsaufwands in den Finanzämtern. Es fehlt nach den vielen Jahren ohne Vermögensteuer dort an Expertise. Keine Rolle spielt in der politischen Debatte erstaunlicherweise der Umstand, dass die Vermögensteuer nach der Finanzverfassung allein den Ländern zusteht. Eine Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern wäre zwar möglich, ist aber stets ein politischer Kraftakt. Der Bund zieht zudem meist den Kürzeren, weil die Länder mit ihrer geballten politischen Macht stärker sind.

Weitgehend still ist es im Wahlkampf um die Besteuerung von Kapitalerträgen. Die SPD hat in dieser Legislatur nicht mehr versucht, die Abgeltungsteuer anzutasten. Es lohnt sich finanziell nicht. Nur die Grünen und die Linke sind noch auf diesem Weg: Kapitalererträge sollen dem individuellen Einkommensteuersatz unterworfen werden. Den Sparerfreibetrag wollen dabei beide nicht antasten.