Globale Mindeststeuer

Historische Reform oder unfairer Wettbewerb?

Als „historisch“ feiern die G7-Finanzminister ihre Einigung auf eine globale Mindeststeuer. Doch sie ernten auch Kritik. Dass die Reform am Ende in Kraft tritt, ist längst noch nicht sicher.

Historische Reform oder unfairer Wettbewerb?

Für den Bundesfinanzminister ist es eine „Steuerrevolution“. Im Beschluss der sieben wichtigsten Industrienationen, eine Mindestbesteuerung für Unternehmen durchsetzen zu wollen, sieht Olaf Scholz (SPD) „eine sehr gute Nachricht für die Steuergerechtigkeit und die Solidarität, und eine schlechte Nachricht für Steueroasen in aller Welt.“ Gleich mehrere der G7-Finanzminister, die sich in London am Samstag auf die Reform einigten, bezeichneten den Durchbruch als „historisch“. Neben Deutschland und Großbritannien sind auch Frankreich, die USA, Italien, Japan und Kanada Mitglieder der G7.

Doch längst nicht überall ist die Euphorie so groß wie im deutschen Finanzministerium. „Es ist absurd, dass die G7 behaupten, ein kaputtes globales Steuersystem zu überarbeiten, indem sie eine weltweite Mindeststeuer aufsetzen, die den niedrigen Steuersätzen in Steueroasen wie Irland, der Schweiz oder Singapur ähnlich ist“, sagte etwa die Geschäftsführerin der Entwicklungsorganisation Oxfam International, Gabriela Bucher. Alex Cobham, Chef des internationalen Tax Justice Network, das sich für Steuergerechtigkeit einsetzt, hält die Pläne zudem für unfair. Nur die reicheren Länder würden bei dieser Regelung davon profitieren, schrieb Cobham in einem Blogbeitrag. „Indem sie sich mit einem Steuersatz von weniger als 25 % zufrieden geben, teilen die G7-Länder ihren Bürgern und der Welt mit, dass sie bereit sind, den Wettlauf nach unten am Leben zu erhalten.“

Bislang zahlen Großkonzerne Unternehmenssteuern dort, wo sie ihren Firmensitz haben. Mit einer neuen, weltweit geltenden Mindeststeuer soll sich das nun ändern. Ziel ist es, dass Konzerne, insbesondere auch Digitalkonzerne wie Amazon oder Apple, überall mindestens 15 Prozent Steuern zahlen müssen. In vielen Industriestaaten gilt ohnehin schon ein höherer Steuersatz. Doch die Konzerne wählen ihren Firmensitz bisher strategisch: So hat Facebook seine Europazentrale etwa in Dublin, denn in Irland werden bisher nur 12,5 Prozent Unternehmensteuern fällig. Die Reform sieht deshalb auch vor, dass die Unternehmen künftig nicht nur an ihrem Sitz zur Kasse gebeten werden, sondern auch dort, wo sie viel Geld verdienen. Das gilt für Konzerne mit einer Gewinnmarge von mehr als zehn Prozent. Die über diese Marge hinausgehenden Gewinne sollen zu 20 % in den jeweiligen Ländern versteuert werden.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Deutschland für einen der großen Gewinner der Mindeststeuer. „Sie wird viele Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen in die Staatskasse spülen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag).

Die Einigung der G7 gilt als wichtiger Meilenstein für die Reform – doch weitere Hürden stehen noch aus. Als nächstes sollen die G20 – eine umfassendere Gruppe führender Wirtschaftsnationen – ins Boot geholt werden. Gelegenheit dazu gibt es im kommenden Monat bei einem Treffen in Italien. „Es ist noch keinesfalls sicher, dass die Einigung auch bei den G20 Bestand hat und wie die Besteuerungsrechte gegenüber US-Konzernen wie Amazon oder Google aufgeteilt werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Fabio De Masi.

Die 15 Prozent sind ein Kompromiss. Bei dieser vergleichsweise niedrigen Schwelle besteht die Hoffnung, dass der Widerstand der Gegner das Vorhaben nicht zum Kippen bringen wird. Die neue US-Regierung hatte zuvor einen Satz von 21 Prozent vorgeschlagen und war später dann auf 15 Prozent zurückgerudert. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire kündigte bereits an, der Kampf werde weitergehen. „Das ist ein Anfangspunkt und in den kommenden Monaten werden wir uns dafür einsetzen, dass die Mindeststeuer so hoch wie möglich ist“, schrieb er auf Twitter.

Die betroffenen Konzerne ließen sich von den 15 Prozent jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen: Google und Amazon äußerten sich sogar positiv und ein Facebook-Sprecher begrüßte das Vorhaben auf Twitter – wenn auch unter dem Eingeständnis, dass der Konzern dadurch wohl bald mehr Steuern zahlen muss.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.