Verbraucherpreise

Inflation übertrifft alle Erwartungen

Die Inflation in Deutschland springt im November auf 6 Prozent. Das dürfte die ohnehin hitzige Debatte über die ultralockere Geldpolitik der EZB weiter verschärfen.

Inflation übertrifft alle Erwartungen

ms Frankfurt

Deutschland erlebt den stärksten Inflationsschub seit drei Jahrzehnten – der zudem weiter alle Erwartungen übertrifft. Die Inflationsrate machte im November gemäß EU-harmonisierter Berechnung (HVPI) einen Sprung auf 6,0%, wie Destatis am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte – der höchste Wert seit Beginn der Berechnung des HVPI im Jahr 1996. In nationaler Rechnung (VPI) kletterte die Inflation auf 5,2% – so hoch wie nie seit Juni 1992. Beide Werten übertrafen zudem die Konsensschätzungen der Volkswirte von 5,5% und 5,0%.

Kritik aus Deutschland

Mit den neuen Daten dürfte sich die Debatte in Deutschland über die hohe Inflation und die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter verschärfen. Die EZB hält die hohe Teuerung in Deutschland und dem Euroraum weiter vor allem für vorübergehend und macht deshalb allenfalls zaghafte Schritte, um aus der sehr expansiven Geldpolitik auszusteigen. Wenngleich die hohe Teuerung auf viele Basiseffekte zurückgeht, wachsen die Zweifel und die Kritik an der EZB-Einschätzung und dem EZB-Kurs.

Längst beschäftigt das Thema auch die breite Öffentlichkeit und die Politik. Bereits im Bundestagswahlkampf hatte sich insbesondere die CSU auf das Thema Inflation und auf die EZB eingeschossen. CSU-Chef Markus Söder hatte gar eine „Inflationsbremse“ gefordert. Spätestens bei 5% Inflation müsse die EZB handeln, sagte Söder damals. Weiter angeheizt worden war die Debatte durch die Ankündigung eines vorzeitigen Rückzugs von Bundesbankpräsident Jens Weidmann zum Jahresende – auch aus Frust über die ultralockere Geldpolitik der EZB.

Im November sprang die deutsche Inflation nun laut HVPI von zuvor 4,6% auf 6,0%. In nationaler Rechnung steht ein Satz von 4,5% auf 5,2%. Haupttreiber war auch im November die immer teurer werdende Energie: Sie kostete 22,1% mehr als ein Jahr zuvor, weil Verbraucher etwa für Tanken und Heizen viel mehr bezahlen mussten. Nahrungsmittel verteuerten sich mit 4,5% ebenfalls stark. Bei Dienstleistungen lag das Plus bei 2,8%, wobei die Wohnungsmieten um 1,4% anzogen. Nicht zuletzt mit Verweis auf die Basiseffekte bei den Energiepreisen argumentiert die EZB, dass der Anstieg vorübergehend sei.

Allerdings nimmt auch der Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Preisstufen deutlich zu. So verzeichnen etwa die Erzeuger- und die Importpreise seit Monaten immer wieder neue höchste Stände seit den Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre. Hintergrund sind auch die weltweiten und nun schon länger anhaltenden Engpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten. Das nährt Zweifel, dass es sich bei dem Inflationsanstieg um ein rein temporäres Phänomen handelt.

Die EZB hält bislang aber an dieser Sicht fest. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte am Montag im ZDF, dass sie künftig wieder niedrigere Inflationsraten erwarte und da­her keinen Grund zu einem raschen Kurswechsel sehe. „Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist“, so Schnabel. Die Teuerungsrate dürfte 2022 wieder allmählich in Richtung 2% sinken, sagte sie – was die EZB-Zielmarke ist. Sondereffekte wie etwa die zeitweise Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr würden dann aus der Statistik fallen. „Auch die Energiepreise werden nicht mit dem gleichen Tempo weiter steigen“, sagte Schnabel. Die pandemiebedingten Lieferengpässe in der Wirtschaft dürften sich zudem auflösen. Schnabel gilt als eine Kandidatin für die Weidmann-Nachfolge.

Am heutigen Dienstag gibt es eine erste Inflationsschätzung für die Inflation im gesamten Euroraum im November. Laut Bloomberg belief sich die Konsensschätzung zuletzt auf 4,4% – nach 4,1% im Oktober. Die deutschen und auch die spanischen Inflationszahlen von Montag nährten aber teilweise Erwartungen, dass der Euro-Wert sogar noch höher liegen könnte. In Spanien lag der Wert im November bei 5,6%.

Mit solchen Raten steigt der Druck auf die EZB vor der wegweisenden Sitzung Mitte Dezember. Für das Treffen hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde wichtige Entscheidungen avisiert. Im EZB-Rat hat sich dabei zuletzt eine zunehmende Kontroverse über die hartnäckig hohe Inflation und die angemessene Reaktion der Geldpolitik entwickelt.

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