Kredit

IWF und Argentinien einigen sich auf Um­schuldung

Um weiterhin liquide zu sein, hat sich Argentinien mit dem IWF auf ein ehrgeiziges Programm geeinigt. Ökonomen bewerten die Übereinkunft als eine Brückenvereinbarung, mit Blick jenseits der Präsidentschafts- und Parlamentswahl Ende 2023.

IWF und Argentinien einigen sich auf Um­schuldung

af Buenos Aires

Argentinien und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben eine Übereinkunft erzielt, um den Stand-by-Kredit von 2018 in den nächsten zwölf Jahren umzuschulden. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ausgleich der Staatsfinanzen. Nun wurde für 2022 ein Primärdefizit von 2,5% des BIP vereinbart, 2023 soll es auf 1,9% sinken und 2024 auf 0,9%. Erst 2025 sollen die Staatskonten ausgeglichen sein.

Um das Primärdefizit zu reduzieren, hat sich die Regierung verpflichtet, die Neuemissionen zu drosseln. Im Jahr 2021 hatte diese in Peso etwa 3,7% des BIP betragen. In diesem Jahr darf die Notenbank 1% des BIP und 2023 maximal 0,6% des BIP zusätzlich drucken. Finanzminister Martín Guzmán versprach, dass die Neuemissionen 2024 „fast bei null“ liegen sollen. Ein ehrgeiziges Ziel: Die Notenpresse war in den vergangenen zwei Jahren praktisch die einzige Finanzierungsquelle.

Um Anlagen in Peso attraktiver zu machen, verlangt der IWF die Rückkehr zu positiven Realzinsen. Weil die Banken des Landes ihr Geld fast ausschließlich an den Staat verliehen, hatte die Zentralbank Zinssätze festgelegt, die deutlich unter der Teuerungsrate von knapp 50% lagen. Um ihr Vermögen nicht einzubüßen, flohen Investoren in andere Anlagen, vor allem in den Dollar. Zudem verlangt der IWF eine Aufstockung der Währungsreserven. Die liquiden Reserven sollen 2022 um 5 Mrd. Dollar wachsen. Darum will der Fonds Argentinien jene etwa 4 Mrd. Dollar zurückgeben, die das Land 2021 für die Abzahlung des Kredits nach Washington überwiesen hatte.

Um eine drastische Abwertung zu vermeiden, verlangt der IWF von Argentinien sehr regelmäßige kleine Abwertungsschritte, um den Außenwert des Peso der Inflation anzupassen und die enorme Kluft zwischen dem offiziellen Dollar-Kurs und den mehr als 15 unterschiedlichen Parallelkursen zu reduzieren. Auf dem Schwarzmarkt ist ein Dollar etwa doppelt so teuer wie auf dem – faktisch kaum noch zugänglichen – offiziellen Markt. Als eines der wichtigsten Ziele nennt das Programm die Senkung der Inflation. Es legt aber keine festen Ziele oder Leitlinien fest. Die Regierung kalkuliert mit einer Inflationsrate von 38% bis 48% für 2022. Das scheint den meisten Beobachtern überaus optimistisch. Der IWF besteht zudem auf einer deutlichen Reduktion der Energiesubventionen. Diese hatten 2021 etwa 2,3% des BIP ausgemacht. Die Regierung will nun Wohlhabende und Mittelklasse stärker belasten.

Die getroffene Vereinbarung erstreckt sich zunächst auf einen Zeitraum von 30 Monaten, in dem der IWF Auszahlungen an Argentinien leisten wird, mit denen die Fälligkeiten des Kredits eingehalten werden können. Zwischen 2022 und 2024 wird der Fonds dem Land in mehreren Überweisungen insgesamt 45 Mrd. Dollar vorstrecken, die jeweils prompt zurückgezahlt werden sollen. Um dieses Schema einzuhalten, muss Argentinien alle drei Monate nachweisen, dass es sich an die Vereinbarung hält. Die nun bereitgestellten Mittel soll das Land dann zwischen 2026 und 2034 zurückzahlen.

„Der IWF und die argentinischen Behörden haben sich auf ein pragmatisches und realistisches Programm mit glaubwürdigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen geeinigt“, gab der Fonds nach der Einigung am Donnerstag bekannt. Argentiniens Regierung pries die Vereinbarung als grundlegend unterschiedlich zu allen 20 früheren Abkommen mit dem IWF: „Hier gibt es keine Rentenreform“, warb Finanzminister Martín Guzmán am Freitag. Ebenso wenig verlange der Vertrag eine Neuordnung des Arbeitsmarktes. Der Staat dürfe weiterhin dazu beitragen, „einen Aufschwung zu unterstützen“. Mit ebendiesen Argumenten begründen viele Marktbeobachter ihre Zweifel an der Nachhaltigkeit der Übereinkunft. Allgemein wird das Abkommen als eine Brückenvereinbarung interpretiert, mit Blick jenseits der Präsidentschafts- und Parlamentswahl Ende 2023.

Die Übereinkunft muss noch vom Board des IWF sowie vom argentinischen Parlament genehmigt werden. Besonders in Buenos Aires könnte es spannend werden, weil sowohl linke Parlamentarier der Regierungskoalition als auch mehrere Oppositionsvertreter Ablehnung signalisiert haben. Allgemein wird jedoch mit einer knappen Annahme gerechnet.

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