EU-Finanzminister

Konsens über EU-Haushaltsregeln weit und breit nicht in Sicht

Erste Diskussionen über eine Reform der europäischen Haushalts- und Verschuldungsregeln auf Ebene der EU-Finanzminister haben wenig Konsens gezeigt. Auch Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire waren sich alles andere als einig.

Konsens über EU-Haushaltsregeln weit und breit nicht in Sicht

ahe Kranj

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht nur wenig Reformbedarf bei den europäischen Haushaltsregeln. „Die Regeln haben ihren Praxistest bestanden“, sagte er bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen im slowenischen Kranj. Die Coronakrise habe gezeigt, dass die Regeln „sehr lebensnah“ gestaltet seien und den Ländern Flexibilität und ausreichend Handlungsspielraum gäben, um ihre Wirtschaft zu unterstützen. „Wir haben einen guten Rahmen für Stabilität in Europa“, betonte Scholz.

Die Haushaltsregeln waren von der EU-Kommission zu Beginn der Pandemie ausgesetzt worden und werden voraussichtlich erst ab 2023 wieder gelten. Die Verschuldung war in allen EU-Ländern während der Coronakrise deutlich gestiegen (siehe Grafik). In der Eurozone liegt sie mittlerweile im Schnitt bei rund 100% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Erlaubt sind eigentlich nur 60%.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte beim Ecofin in Kranj, die Defizit-Vorgaben seien teils „obsolet“. Er begründete dies mit der Notwendigkeit von Milliardeninvestments im Kampf gegen den Klimawandel. Zugleich seien hohe Ausgaben zum Beispiel in den Wasserstoffsektor oder auch in die Halbleiterindustrie notwendig, damit Europa seine Unabhängigkeit und Souveränität sichern könne. Le Maire warnte zugleich davor, das Wachstum nun mit einer Rückkehr zu den Stabilitätskriterien abzuwürgen.

Scholz erwiderte hingegen, alle wüssten, dass es eine Rückkehr zu den Stabilitätskriterien geben müsse und dass hierfür ein Übergangsprozess nötig sei. Das sei aber alles innerhalb des geltenden Systems möglich, so der Bundesfinanzminister.

„Sparsame“ preschen vor

Bereits im Vorfeld der informellen Beratungen in Slowenien hatten acht Finanzminister einen gemeinsamen Brandbrief an ihre Amtskollegen geschrieben und vor einer Aufweichung der Budgetvorgaben gewarnt. Beteiligt waren die Niederlande, Österreich, die drei skandinavischen Staaten Finnland, Schweden und Dänemark sowie Tschechien, die Slowakei und Lettland. Einige dieser Länder hatten sich vor einigen Jahren bereits als „neue Hanse“ organisiert oder waren als „sparsame vier“ beim EU-Gipfel aufgetreten.

Vom Wirtschaftsrat der CDU kam Unterstützung für die acht Länder: „Wachsende Schulden, die zudem schrankenlos monetisiert werden, sind ohne steigende Produktivität wie Kalorien ohne Nährstoffe“, warnte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Er verwies darauf, dass viele Euro-Staaten die gute Konjunkturentwicklung und die beispiellos niedrigen Zinsen der letzten Jahre nicht zur Konsolidierung genutzt hätten.

Spaniens Finanzministerin Nadia Calviño sprach sich in Kranj dagegen für eine „Vereinfachung der Regeln und ihre Anpassung an die Realität“ aus. Und der Fraktionsvorsitzende der Linken im EU-Parlament, Martin Schirdewan, forderte, „das starre Korsett der Schuldenregeln“ endlich Geschichte sein zu lassen. „Die EU wird wirtschaftlich auseinanderklaffen, wenn nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wird“, so Schirdewan.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni kündigte an, die Kommission wolle in Kürze zunächst einmal eine öffentliche Konsultation starten. Dabei sollten die Haushaltsregeln auch unter dem Blickwinkel der Pandemie unter die Lupe genommen werden sowie unter der Notwendigkeit von Investitionen gegen den Klimawandel. „Dies ist eine neue Debatte“, betonte der Italiener. Er äußerte die Hoffnung, dass es eine Einigung auf eine mögliche Reform noch vor der Wiederinkraftsetzung der Regeln geben wird. Qualität gehe hier aber vor Schnelligkeit, so Gentiloni.

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