China/USA

Kräftemessen in der Kälte

Alaska ist Schauplatz für ein diplomatisches Kräftemessen der Biden-Regierung mit China. Das Reizthema Hongkong dürfte für einen frostigen Dialog sorgen.

Kräftemessen in der Kälte

Anchorage, Alaska, liegt weitab und von Washington etwa genauso weit entfernt wie Peking. So gesehen eine geeignete Lokalität für das jetzt anberaumte erste Zusammentreffen diplomatischer Spitzenvertreter Chinas und der USA in der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden. Auch die klimatischen Bedingungen passen zum Setting. Das Beziehungsverhältnis zwischen den beiden führenden Weltmächten und weltweit größten Volkswirtschaften hat sich unter der Präsidentschaft von Donald Trump dramatisch abgekühlt, so dass Erinnerungen an die Zeiten des Kalten Krieges zwischen westlicher und kommunistischer Welt wieder auflebten. Wird es dem deutlich warmherziger wirkenden Biden ein Anliegen sein, das Verhältnis wieder etwas aufzutauen, oder werden sich die Fronten weiter erhärten?

Chinas Staatsmedien versichern immer wieder treuherzig, dass dem friedliebenden China an einem harmonischen Miteinander mit Washington sehr viel gelegen ist, betonen Chinas hehren multilateralen Kooperationsgeist und sehen vielversprechende Anknüpfungspunkte bei Themen wie dem Klimawandel oder der Pandemiebekämpfung. Alles eigentlich gute Gründe, die für eine atmosphärische Auflockerung sprechen. Im gleichen Atemzug aber wird über Amerikas Scheinheiligkeit in Demokratieförderungs- und Menschenrechtsfragen gewettert, wilde Drohungen im Falle einer weiteren Annäherung Washingtons an die verhasste Regierung in Taiwan ausgestoßen und grundsätzlich militärische Konfliktbereitschaft angezeigt.

Die Trump-Administration hat Chinas Regierung mit ihren dramageladenen handelspolitischen Attacken und der Kampagne gegen chinesische Technologieunternehmen jede Menge Nerven gekostet und Verunsicherung geschaffen, aber jegliche langfristige strategische Linie vermissen lassen. Dem anfänglichen Schrecken über Trumps unberechenbare Angriffslustigkeit ist immer mehr die Genugtuung gefolgt, dass das chaotische Vorgehen nicht dazu geeignet war, Chinas Wirtschaft ernsthaft zuzusetzen. Im Gegenteil, gerade die höchst unterschiedliche Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Kollateralschäden hat Chinas Vertrauen darin gestärkt, sich weitere Konfrontationen leisten zu können, ohne die Konjunktur zu belasten, die heimischen Finanzmärkte zu verunsichern oder ausländische Investoren zu vergraulen.

Als Sahnehäubchen hat man sich dann noch die völlige Unterwerfung der Sonderverwaltungszone Hongkong unter Chinas Parteidiktat und die begleitende Abschaffung von Freiheitsrechten und Demokratierestanten gegönnt. Die von China bei Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie im Jahr 1997 gemachte Zusage von einem Land mit zwei Systemen und damit der Aufrechterhaltung einer weitgehenden politischen Unabhängigkeit Hongkongs ist nun spektakulär gebrochen worden. Der Westen mag darüber schimpfen, lässt aber keine ernsthaften Konsequenzen be­fürchten. Entsprechend selbstbewusst geht das Team um Chinas Top-Diplomaten und Politbüromitglied Yang Jiechi in das Alaska-Treffen mit Bidens Außenminister Antony Blinken.

Auf US-Seite wiederum versucht man dem Eindruck einer gewissen Hilflosigkeit gerade in der Hongkong-Frage zu begegnen. Im unmittelbaren Vorfeld des China-USA-Dialogs hat die US-Regierung zusätzliche Sanktionen gegen zwei Dutzend chinesische Regierungsverantwortliche im Zusammenhang mit der Unterwanderung des Hongkonger Autonomiestatus verhängt. Diese können sich nun auf Lebenszeit Reisen in die USA oder Finanzgeschäfte mit westlichen Bankinstituten abschminken, mehr passiert aber auch nicht. Dennoch handelt es sich um ein Signal von amerikanischer Seite, dass man nicht dazu angetreten ist, um Freundlichkeiten auszutauschen, sondern erst einmal heftige Meinungsgegensätze aufeinanderprallen zu lassen gedenkt.

Das Treffen in Alaska ist aber dennoch so angelegt worden, dass für beide Seiten Gesichtswahrung garantiert bleibt. Da keine konkreten Verhandlungsergebnisse oder Vereinbarungen auf der Agenda stehen, müssen auch keine Zugeständnisse gemacht oder Dinge in einem gemeinsamen Kommuniqué festgehalten werden. Das kommt China sehr zupass. Egal welche Worte in Alaska tatsächlich gewechselt werden, wird Peking sich als Sieger fühlen, und einer guten alten Tradition folgend treuherzig betonen, dass man sich auf einer neuen Dialogschiene befindet, die die Weichen für eine künftige Win-win-Kooperation stellt.