Markus Brunnermeier

„Man sollte sich auf alle Risiken vorbereiten“

Der digitale Euro sollte ähnlich dem Bargeld ausgestaltet und die Privatsphäre geschützt sein, findet Princeton-Professor Markus Brunnermeier.

„Man sollte sich auf alle Risiken vorbereiten“

Mark Schrörs.

Herr Professor Brunnermeier, braucht es den digitalen Euro? Wenn ja, warum?

Ja, es braucht ihn. Zurzeit hat jeder Bürger Zugang zu direktem Zentralbankgeld in Form von Bargeld. Ein Großteil der Transaktionen wird jedoch schon heute elektronisch durchgeführt in Form von Giralgeld, das von Privatbanken kreiert wird. Durch die zunehmende Digitalisierung wird Bargeld mehr und mehr verdrängt und dadurch verliert die Zentralbank den direkten Zugang zum Bürger. Der digitale Euro soll gewährleisten, dass die Bürger weiterhin einen Teil ihrer Transaktionen mit Zentralbankgeld leisten können.

Die EU-Politik und die EZB befürchten ohne den digitalen Euro den Verlust der wirtschaftlichen und geldpolitischen Souveränität Europas. Zu Recht?

Die Geldpolitik verliert ihre Wirkung, wenn die Menschen nicht mehr in Euro denken, Kreditverträge nicht mehr in Euro abgeschlossen werden oder Preise nicht mehr in Euro ausgeschrieben werden. Es könnte sein, dass sich auf einigen neuen digitalen Plattformen andere Formen des Bezahlens etablieren und dadurch die geldpolitische Souveränität etwas eingeschränkt wird. Für kleinere Schwellenländer ist die Gefahr der sogenannten „digitalen Dollarisierung“ groß. Dort gibt es definitiv die Gefahr, dass deren nationale Währungen von internationalen Währungen oder von Privatwährungen der Tech-Firmen abgelöst werden. Wenn dies eintritt, hat es die Geldpolitik schwer, die Wirtschaft zu stimulieren oder zu bremsen. Von daher ist es nicht überraschend, dass kleinere Schwellenländer die Ersten sind, die digitales Zentralbankgeld einführen werden.

Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau hat unlängst gar gewarnt, dass auch die Zukunft des Euro ohne digitale Variante in Gefahr sei.

Ich sehe dies weniger dramatisch, aber man sollte sich auf alle Risiken vorbereiten und mögliche Gefahren abwehren. Der Euroraum ist ein großer Wirtschaftsraum mit einer stabilen Währung. Die offizielle Währung hat zudem den großen Vorteil, dass die Zentralbank als Gläubiger der letzten Instanz (LOLR) Liquiditätsschwankungen der Banken abfedern kann. Eine Privatbank wird es sich daher zweimal überlegen, ob sie Girokonten in einer anderen Währung anbieten will, da im Falle eines Bank Runs keine Zentralbank bereitstehen könnte, auszuhelfen. Nichtsdestotrotz tun Privatinstitutionen, die sogenannte Stable Coins herausgeben, genau das. Sie stellen im Endeffekt Giralgeld in einer neuen Währung bereit, ohne dass sie die Absicherung gegen Liquiditätsrisiken von einer Zentralbank haben. Die Gefahr besteht, dass diese Institutionen systemisch werden und sich der Staat in Nachhinein gezwungen sieht, einen Bail-out durchzuführen.

Wie sollte der digitale Euro gestaltet sein, damit er größtmöglichen Nutzen schafft? Sollte er zum Beispiel programmierbar sein?

Ein Grundmantra könnte sein, den digitalen Euro ähnlich dem Bargeld zu gestalten. Insbesondere sollte die Privatsphäre geschützt werden. Je­der Bürger sollte die Möglichkeit ha­ben, einen gewissen Betrag ohne Mitwissen des Staates oder von Privatfirmen ausgeben zu können. Geld programmierbar zu machen, bietet viele Möglichkeiten, und dies wird sicher kommen. Allerdings untergräbt dies die Einheit des Geldes. Programmierbares Geld ist eher wie ein Coupon und nicht mehr universal, sondern speziell auf etwas zugeschnitten. Programmierbares Geld könnte zu einer weiteren Segmentierung führen.

Viele Banken sorgen sich um den Abfluss von Kundeneinlagen in Richtung Zentralbank.

Eine Bank, die ihren Kunden ein gutes Angebot macht, sollte an sich keine Sorgen haben, insbesondere wenn sie ihren Kunden einen besseren Onlineservice zur Verfügung stellt. Zudem kann die Zentralbank Gelder an die Privatbank weiterleiten und dadurch den Abfluss von Kundeneinlagen wieder ausgleichen. Häufig wird das Argument vorgebracht, dass dadurch Bank Runs wahrscheinlicher würden, weil Kunden nun mit dem Zentralbankgeld einen neuen sicheren Hafen hätten. Aber jetzt kann man auch schon in Krisenzeiten zu einer sicheren Privatbank wechseln oder sogar das Geld ins Ausland transferieren. Da ist es besser, wenn Leute zur eigenen Zentralbank gehen, und diese die Gelder an die solventen Privatbanken zurückleitet.

Die weltweiten Pläne für digitales Zentralbankgeld resultieren auch aus dem Widerstand gegen Kryptowährungen und privaten Stable Coins. Einige Experten argumentieren aber, mehr Wettbewerb beim Geld wäre von Vorteil. Was sagen Sie dazu?

Wir werden sicherlich in der Zukunft viele Währungen in unseren Smartphones oder Augmented-Reality-Brillen halten und in Windeseile von einer in eine andere Währung wechseln können. Es wird Währungen geben, die mehr Zinsen zahlen und andere, die mehr Privatsphäre zusichern werden. Die AR-Brille wird dann im Geschäft die Preise in der persönlichen Lieblingswährung anzeigen – ähnlich wie das Smartphone jetzt schon die Temperatur in Celsius oder Fahrenheit anzeigen kann. Der Währungswettbewerb schränkt die Handlungsfähigkeit der Zentralbanken ein. In den 1970er Jahren hat der Ökonom Friedrich August von Hayek dies als großen Vorteil gepriesen, da dadurch die Inflation besser in Schach gehalten werden könne. Andererseits haben Zentralbank dann auch weniger Freiraum, Schocks auszugleichen. Kurz gesagt: Es gibt ein optimales Niveau des Währungswettbewerbs.

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