Taiwan-Konflikt

Mikrochips sind wichtiger als Polit-Symbolik

Konzerne wie Foxconn und TSMC verdeutlichen die wechselseitige Abhängigkeit im komplizierten Beziehungsgeflecht zwischen Taiwan und China.

Mikrochips sind wichtiger als Polit-Symbolik

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Verbale und militärische Drohgesten aus Peking ist man in Taiwans Wirtschaft gewöhnt. Die jüngste Entscheidung der chinesischen Zollbehörden hat allerdings eine neue Qualität: Sie haben eine Gruppe von mehr als 100 taiwanesischen Lebensmittelexporteuren von weiteren Lieferungen auf das chinesische Festland ausgeschlossen. Betroffen von dem Bann sind vor allem Waren, die wegen eines besonderen Qualitätsanspruchs von chinesischen Konsumenten geschätzt werden, darunter Fischereiprodukte, Honig, Obstwaren und der besonders renommierte Oolong-Tee aus Taiwan.

Darin kommt Pekings Frustration über die Visite der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi auf der von China beanspruchten, aber unabhängig regierten Insel Taiwan zum Ausdruck. Es war eine Botschaft an taiwanesische Interessengruppen mit enger wirtschaftlicher Verflechtung zu China: Sie mögen der Regierung in Taipeh ins Gewissen reden, dass politische Symbolik einen zu hohen wirtschaftlichen Preis hat. Marktbeobachter gehen davon aus, dass Chinas Regierung in den kommenden Wochen eine Reihe von Signalen senden wird, die das Geschäftsklima in Taiwan negativ prägen sollen.

Taktik der Nadelstiche

Der Importbann stellt eine signifikante Verschärfung der bisherigen Taktik der Nadelstiche dar, mit der Peking unter dem Vorwand der Verletzung von Lebensmittelstandards Einfuhren aus Taiwan verbietet. Genau zur Erntezeit verbot Peking voriges Jahr die Einfuhr von Ananas und bestimmten Apfelsorten. Das Ziel: Abgängigkeiten verdeutlichen und Unmut in Hochburgen der Partei von Staatschefin Tsai Ing-wen schüren, die in Peking verhasst ist.

Abseits dieser Scharmützel hat die chinesische Regierung allerdings wenig Interesse an einer Vergiftung von Wirtschaftsbeziehungen, weil taiwanesische Unternehmen eine durchaus wichtige Rolle als Direktinvestoren in zahlreichen Industriebranchen spielen, allen voran der Massenfertigung von elektronischen Konsumgütern. Der Elefant im Raum ist Hon Hai Precision Industry, die im Markt unter dem Namen Foxconn Technology Group auftritt und sich als wichtigster Vertragspartner des US-Technologieriesen Apple für den Bau von iPhones einen Namen gemacht hat. Diese werden in riesigen Foxconn-Werken auf dem chinesischen Festland gefertigt und von dort in alle Welt verschifft. Foxconn, die auch für zahlreiche andere Elek­tronikkonzerne Geräte in China zusammenbaut, beschäftigt je nach Auftragszyklus in der Spitze rund 1 Million Lohnarbeiter in mehr als 20 Werken auf dem Festland und ist damit der größte private industrielle Arbeitgeber in China.

Die Tatsache, dass der Gründer und Chairman von Foxconn, Terry Gou, bei den Präsidentschaftswahlen 2020 eine Kandidatur anstrebte, um gegen Tsai anzutreten, macht ihn für Peking zu einem politisch akzeptablen Geschäftspartner. Denn Gou ist der Kuomintang-Partei zugetan, die das Ein-China-Prinzip unterstützt. Grundsätzlich gilt die Maxime der chinesischen Regierung, gegenüber taiwanesischen Firmen, die in China investieren, möglichst unpolitisch und mit großzügigen Anreizen aufzutreten, um das Festland als überlegenen Standort für taiwanesisches Kapital herauszustreichen. Mit Förderprogrammen will Peking tai­wanesische Technologie-Fachkräfte und Start-up-Entrepreneure zu Sonderkonditionen weg von der Insel aufs Festland locken.

Grundsätzlich wehrt sich die chinesische Regierung gegen jede Form der wirtschaftlichen Entkoppelung und bekräftigt dies auch immer wieder im Zusammenhang mit Taiwan. Gleichzeitig aber strebt Peking im Zuge des verschärften industriepolitischen und technologischen Streits mit den USA nach Autarkie in Hochtechnologiebereichen. Im Fokus steht der Halbleitersektor.

Angewiesen auf Taiwan

Hier landet man an einem besonders sensiblen Punkt im Beziehungsgeflecht zu Taiwan. Peking versucht seit vielen Jahren die Abhängigkeit von Taiwans Chipindustrie, allen voran dem Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC), zu reduzieren. Dennoch ist man praktisch für die Gesamtheit der hochwertigsten Chipelemente und auch einen Großteil der im indus­triellen Alltag verwendeten „normalen“ Chips auf eine Zulieferung durch TSMC und andere taiwanesische Sektorfirmen wie den Chipentwickler Media Tek angewiesen.

Anders als bei Agrargütern ist mit einer trotzigen Boykotthaltung hier also nichts zu gewinnen. Zumal TSMC im Zuge der weltweiten Chipknappheit über eine globale Auftragslage verfügt, die Chinas Rolle als vormals wichtigster Abnehmer relativiert. Gegenwärtig findet ein regelrechtes Tauziehen um die Ansiedlung von neuen TSMC-Kapazitäten statt, wobei vor allem die USA und Japan den taiwanesischen Riesen bedrängen, in sicheren ausländischen Gefilden neue Werke aufzustellen. Hier schwingt die Angst mit, dass China in einem Extremszenario – eine militärische Besetzung Taiwans – als Erstes die Kontrolle über die TSMC-Chipproduktion in Taiwan gewinnt und damit westliche Indus­trieländer in deren Versorgung mit Computerchips in Geiselhaft nehmen könnte.

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