Wachsende Unsicherheit

Nervosität vor der Wahl in Frank­reich steigt

Frankreich wählt am Sonntag seinen Präsidenten. Amtsinhaber Emmanuel Macron büßte in den jüngsten Umfragen einen Teil seines Vorsprungs ein. Die Möglichkeit, dass die Rechte Marine Le Pen die Wahl gewinnt, verunsichert nun auch Investoren. 

Nervosität vor der Wahl in Frank­reich steigt

Gesche Wüpper

In Frankreich hat der Countdown für die erste Runde der Präsidentschaftswahlen an diesem Sonntag begonnen. Hatte es zunächst noch so ausgesehen, als begünstige die Invasion Russlands in der Ukraine Amtsinhaber Emmanuel Macron, so ist sein Vorsprung vor den anderen Kandidaten inzwischen wieder geschrumpft. Vor allem der Abstand zu Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) hat sich verringert. Das verunsichert auch Investoren, die davon ausgegangen waren, dass die Wiederwahl Macrons so gut wie sicher sei.

Frankreichs amtierender Präsident liegt zwar laut der jüngsten, Dienstag von „Le Parisien“ veröffentlichten Umfrage noch immer mit 27% vorn, doch Le Pen holt weiter auf und kann inzwischen auf 23% der Stimmen hoffen, Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon auf 15%, der Rechtsextreme Éric Zemmour auf 10% und Valérie Pécresse von den konservativen Republikanern auf 8%.

Die meisten Wähler sind zwar besorgt wegen des Kriegs, doch eine Mehrheit gibt an, dass dies in der ersten Runde keinen Einfluss auf ihre Wahl haben wird. Die Umfragen zeugen da­von, denn sowohl Le Pen als auch Mélenchon und Zemmour waren vor der Invasion für ihre prorussische Haltung bekannt und plädierten für den Ausstieg aus der Nato, wie ein Blick auf ihre Programme (s.u.) zeigt. Der finanziell klamme RN wird zudem durch einen Kredit einer russisch-tschechischen Bank finanziert. Auch wenn außenpolitische Themen wegen des Krieges eine stärkere Rolle spielen als bei früheren Wahlen, gilt die Hauptsorge der Franzosen derzeit der Kaufkraft. Zudem haben französische Wähler die erste Wahlrunde in den vergangenen Jahrzehnten gerne genutzt, um dem Amtsinhaber einen Denkzettel zu verpassen. Der letzte amtierende Präsident, dem die Wiederwahl gelang, war Jacques Chirac 2002. Das allerdings hatte er nur der Tatsache zu verdanken, dass die Wähler sicher waren, der als Favorit geltende sozialistische Ministerpräsident Lionel Jospin käme auf jeden Fall in die Stichwahl. Stattdessen war es Marine Le Pens Vater Jean-Marie, dem überraschend der Einzug in die zweite Runde gelang.

Das Risiko, dass seine Tochter nun die Wahlen gewinnt, ist durchaus real – zumal sie davon profitiert, im Vergleich zu Zemmour geradezu gemäßigt zu wirken. Das Risiko Le Pen sorgt inzwischen auch an den Märkten für Nervosität, sodass französische Staatsanleihen und Blue-Chip-Aktien nun abrutschten. Der französische Leitindex CAC 40 gab Dienstag 1,3% nach und verbuchte damit den größten Verlust in Europa.

„Die Märkte sind wegen Le Pen aufgewacht“, sagt Jerôme Legras, Ökonom bei Axiom Alternative Investments. Le Pens und Mélenchons Vorschlag, Autobahnbetreiber wieder zu verstaatlichen, hat die Aktien von Infrastrukturkonzernen wie Vinci und Eiffage unter Druck gesetzt. Sollte Mélenchon in die zweite Runde kommen, dürften auch teilprivatisierte Unternehmen wie der Versorger Engie, Lottobetreiber Française des Jeux und Flughafenbetreiber Aéroports de Paris leiden, denn der Linkspo­pulist will sie ebenfalls verstaatlichen.

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