EZB-Sitzung

Weidmann verabschiedet sich aus dem EZB-Rat

Die EZB-Zinssitzung in dieser Woche ist die letzte für Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Er geht auch aus Frust über die ultralockere Geldpolitik der EZB. Die Nachfolge ist auch eine Richtungsentscheidung für die Bundesbank.

Weidmann verabschiedet sich aus dem EZB-Rat

ms Frankfurt

Wenn sich die Euro-Währungshüter am Donnerstag virtuell zur Zinssitzung zusammenschalten, ist einer zum letzten Mal dabei: Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Weidmann hatte im Oktober überraschend angekündigt, zum Jahresende vorzeitig von dem Amt zurückzutreten, das er im Mai 2011 übernommen hatte. Eigentlich hätte seine zweite achtjährige Amtszeit bis 2027 gedauert. Damit scheidet der 53-Jährige auch aus dem EZB-Rat als dem obersten Entscheidungsgremium der Notenbank aus.

Im Oktober ließ Weidmann mitteilen, er verlasse die Bundesbank aus persönlichen Gründen. Zehn Jahre seien „ein gutes Zeitmaß, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich“. In seinem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter der Bundesbank ließ er aber erkennen, dass seine Entscheidung auch mit der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren und den aktuellen Weichenstellungen auch nach der EZB-Strategieüberprüfung zu tun hat.

Weidmann stand vor allem breiten Staatsanleihekäufen stets kritisch gegenüber und plädierte zuletzt für ein rasches Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP und dafür, die aktuell hohe Inflation nicht zu unterschätzen und die Normalisierung der Geldpolitik nicht zu vergessen. Im EZB-Rat stand er damit als Hardliner, als „Falke“, aber stets einer strukturellen Mehrheit von „Tauben“ gegenüber, die eher für eine lockere Geldpolitik plädieren. Sein öffentlicher Widerstand brachte ihm auch die Bezeichnung „Anti-Draghi“ ein – als Gegenspieler von Ex-EZB-Präsident Mario Draghi. Mit Draghi-Nachfolgerin Christine La­garde verbindet Weidmann zwar ein viel besseres Verhältnis. An dem Grundproblem im Ringen um die geldpolitische Ausrichtung änderte der gute Draht aber wenig.

In seinem Abschiedsschreiben untermauerte Weidmann – wie eine Art Vermächtnis – einige seiner zentralen Positionen. So mahnte er, „nicht einseitig auf Deflationsrisiken zu schauen, sondern auch perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick zu verlieren“. Zudem warnte er erneut, dass die EZB ihr enges Mandat achten müsse und „nicht ins Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte gerät“. Und er plädierte erneut für eine gewisse Zurückhaltung der Geldpolitik: „Krisenmaßnahmen mit ihrer außergewöhnlichen Flexibilität sind nur in der Notsituation, für die sie geschaffen wurden, verhältnismäßig.“ Nicht zuletzt die Debatte über noch lange anhaltende EZB-Anleihekäufe und vor allem über die Übertragung der PEPP-Flexibilität auf andere Kaufprogramme hatten bei Weidmann zuletzt für Frustration gesorgt.

Der angekündigte Rücktritt Weidmanns trat sogleich auch eine Richtungsdebatte über die Zukunft der Bundesbank los – nicht zuletzt in der damals noch in der Findung steckenden neuen Ampel-Koalition. FDP-Chef Christian Lindner, inzwischen auch neuer Finanzminister, warnte vor einem Kurswechsel. Der grüne Co-Vorsitzende Robert Habeck, heutzutage auch Wirtschaftsminister, mahnte dagegen eine Modernisierung an. Ex-EZB- und Ex-Bundesbank-Chefvolkswirt Otmar Issing warnte indes eindringlich vor falschen Weichenstellungen und einem Kurswechsel bei der Bundesbank (vgl. BZ vom 22. Oktober).

Nachfolge gibt Richtung vor

Wer auf Weidmann folgt, ist bislang noch offen, – die Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden. Als Favorit gilt vielen Joachim Nagel, der derzeit für die Zentralbank der Zentralbanken BIZ in Basel arbeitet. Der 55-jährige promovierte Ökonom, der bis 2016 17 Jahre für die Bundesbank gearbeitet hat, ist ein erfahrener Währungshüter und Kenner der Finanzmärkte. Zudem könnte er geldpolitisch in das gesuchte Profil passen: Einerseits steht er für die stabilitätspolitische Orientierung der Bundesbank. Zugleich gilt er als pragmatisch und kompromissfähig. Das scheint umso wichtiger, als in den vergangenen Jahren immer wieder deutsche Notenbanker im Streit über die EZB-Politik vorzeitig aus dem Direktorium oder dem Rat der Zentralbank ausgeschieden sind.