Konjunktur

„Winter-Rezession“ steht bevor

Eine Rezession im Winterhalbjahr, ein schmäleres Wirtschaftswachstum bei zugleich höherer Inflation als bislang prognostiziert: So sehen Ökonomen die weitere Entwicklung der deutschen Konjunktur

„Winter-Rezession“ steht bevor

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft wird über das Winterhalbjahr in eine Rezession rutschen, und auch die kommenden Jahre werden nicht einfach. Zu diesem Ergebnis kommen die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihren Herbstprognosen.

Am Montag hatte das Ifo-Institut – wie schon vergangene Woche das IfW Kiel, das RWI, das IW Halle und das HWWI – die Projektionen für das laufende Jahr drastisch gekappt. „Wir gehen in eine Winter-Rezession“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Die Münchener Wirtschaftsforscher sind mit einer Prognose von 1,6 % für 2022 dabei noch vergleichsweise optimistisch (siehe Tabelle). Im Juni hatten sie allerdings noch ein Plus von 2,5 % avisiert. Für 2023 steht nun ein Rückgang von 0,3 % statt des zuvor avisierten Wachstums von 3,7 % in der Prognose. Als Ursache der durchweg kräftigen Abwärtsrevisionen der Institute gilt die hohe Inflation, die an der Kaufkraft der privaten Haushalte zehrt. Der Konsum, sonst zuverlässige Wachstumsstütze, fällt in dieser Funktion für das Erste aus. Das Konsumklima bewegt sich derzeit auf bzw. nahe dem Rekordtief. „Der Kaufkraftverlust, gemessen am Rückgang der realen Pro-Kopf-Löhne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils etwa 3 %, ist so hoch wie nie zuvor seit dem Beginn der heutigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahre 1970“, erklärte Wollmershäuser.

Das IfW Kiel beziffert den Kaufkraftverlust der privaten Haushalte im kommenden Jahr sogar mit 4,1 %. Auch wenn die Politik versucht, besonders schwer getroffene Bevölkerungsgruppen finanziell zu unterstützen – das Gros der Belastung werde als Heiz- und Stromkostenerhöhung bei den privaten Haushalten anfallen, während die Unternehmen zugleich an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlören, heißt es beim IWH.

Ökonomen rechnen nun noch länger mit rekordhohen Inflationsraten und haben ihre Prognosen dahingehend nach oben angepasst. Das Ifo prognostiziert für 2022 durchschnittlich 8,1 % und für das kommende Jahr sogar 9,3 %. „Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 % Wachstum und 2,5 % Inflation“, sagte Wollmershäuser. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt sind die Volkswirte recht optimistisch: Schwere Auswirkungen werden nicht erwartet, allenfalls ein vorübergehend langsamerer Beschäftigungsaufbau und verstärkte Nutzung der Kurzarbeit im Winterhalbjahr.

Die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Demografie belasten die Wachstumsaussichten sogar noch länger, warnt das IfW Kiel: „Deutschland stehen magere Jahre bevor“, sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths. Bis zum Jahr 2027 verringere sich das Wirtschaftswachstum auf 0,7 % und damit auf die Hälfte des bisherigen langjährigen Durchschnitts.

Eckwerte der Prognosen für Deutschland
Ifo IfW RWI IW Halle HWWI
20212022202320222023202220232022202320222023
BIP (preis-, nicht kalenderbereinigt)2,61,6−0,31,4−0,71,10,81,1−1,41,2−0,5
Arbeitslosenquote5,75,35,45,35,65,35,55,35,55,15,3
Inflationsrate3,18,19,388,77,33,57,99,57,54,5
Finanzierungssaldo des Staates*−3,7−1,8−1,2−1,7−2,2 −2,1−1,1−1,6−2
Leistungsbilanzsaldo*7,44,75,93,83,5 31,13,44,1
*) in % des BIP Börsen-Zeitung
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