Wirtschaft kritisiert Homeoffice-Verordnung

Nach Bund-Länder-Beschlüssen überwiegt Erleichterung - Industrie treibt vor EU-Gipfel die Möglichkeit von Grenzkontrollen um

Wirtschaft kritisiert Homeoffice-Verordnung

Am Tag nach den Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern hat die Wirtschaft die Pläne für eine Homeoffice-Verordnung kritisiert, die in der nächsten Woche in Kraft treten soll. In der Industrie überwiegt die Erleichterung, eine Warnung von Angela Merkel vor dem heutigen virtuellen EU-Gipfel macht allerdings hellhörig. sp Berlin – Die Industrie hat überwiegend mit Erleichterung auf die Corona-Beschlüsse der Spitzen von Bund und Ländern vom Dienstagabend reagiert. Positiv wurde vor allem aufgenommen, dass Fabriken nicht zwangsweise geschlossen werden. Von einem Lockdown der Wirtschaft, wie ihn unter anderen der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ins Gespräch gebracht hatte, ist in den Beschlüssen nämlich nicht die Rede, wie auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zufrieden registrierte. “Die Auswirkungen auf das Industrieland Deutschland wären wirklich immens, auch nicht einfach aufholbar”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm im Deutschlandfunk.Kritik am Tag nach den Beschlüssen gab es vor allem an der geplanten Homeoffice-Verordnung der Bundesregierung, die bereits am nächsten Mittwoch in Kraft treten soll. Zwar gebe es in einigen Unternehmen beim Thema Heimarbeit noch “Luft nach oben”, räumte BDI-Chef Russwurm ein. Über mehr Homeoffice müsse aber in den Betrieben vor Ort entschieden werden.Härter ging Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), mit den Homeoffice-Plänen der Bundesregierung ins Gericht. “Der Bundesarbeitsminister will nun mit Hilfe des Arbeitsschutzes den Anspruch auf Homeoffice durchsetzen, mit dem er an anderer Stelle zu Recht scheiterte”, schimpfte Brodtmann. Die Entscheidung zum Homeoffice sei außerdem widersprüchlich, da die Arbeitgeber möglichst vielen Arbeitnehmern Homeoffice anbieten sollen, Arbeitnehmer aber weiter darauf bestehen können, im Büro zu arbeiten.Die Bundesregierung will die Arbeitgeber verpflichten, Bürobeschäftigten das Arbeiten von zu Hause aus anzubieten. Eine entsprechende Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) brachte das Kabinett am Mittwoch auf dem Weg. Die Bundesregierung erhofft sich dadurch eine Verringerung der Kontakte auf dem Arbeitsweg und am Arbeitsplatz eine geringere Ausbreitung des Coronavirus. “Wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen, müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Homeoffice anbieten”, sagte Heil.”Um für Kontrollen durch die Arbeitsschutzbehörden vorbereitet zu sein, müssen die Betriebe enormen Dokumentationspflichten nachkommen”, kritisierte der Verband der Familienunternehmen. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) hatte Bund und Länder schon am Dienstag vor bürokratischem Aktionismus gewarnt.Größere Sorge als die Arbeit im Homeoffice bereitet der Wirtschaft vor dem heutigen EU-Gipfeltreffen zur Corona-Lage die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass im Fall eines nicht abgestimmten Verhaltens in der Europäischen Union (EU) auch Grenzkontrollen möglich sind. “Wenn Länder ganz andere Wege gehen sollten (. . .), dann müsste man auch zum Äußersten bereit sein und sagen: Dann müssen wir wieder Grenzkontrollen einführen”, sagte Merkel im Anschluss an die Beratungen von Bund und Ländern mit Blick auf den EU-Gipfel.Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte am Mittwoch, dass die Beratungen im Europäischen Rat gerade dazu dienten, weitere Beschränkungen bei der Einreise zu vermeiden. Es gebe deshalb “keine konkreten Vorbereitungen” für Grenzkontrollen. Die Wirtschaft reagierte dennoch hellhörig. “Die durch nationale Alleingänge bei Grenzregelungen angerichteten Schäden wären sehr gravierend für unsere hochgradig vernetzte Wirtschaft in Europa”, sagte BDI-Chef Russwurm zu Reuters. Keine InsolvenzantragspflichtDas Kabinett beschloss am Mittwoch auch eine Verlängerung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April. Sie gelte für Unternehmen, die pandemiebedingt in Not geraten sind, teilte das Bundesjustizministerium mit. Voraussetzung sei, dass die Hilfe bis zum 28. Februar beantragt werde und die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet sei.