Sachverständigenrat

Wirtschaftsweise schlagen kleine Reform der Schuldenbremse vor

Die Wirtschaftsweisen plädieren dafür, die Schuldenbremse an drei Stellen nachzubessern. Die aktuelle Ausgestaltung der Regelungen halten sie für starrer als nötig.

Wirtschaftsweise schlagen kleine Reform der Schuldenbremse vor

Wirtschaftsweise schlagen Reform der Schuldenbremse vor

Drei Anpassungen sollen mehr Flexibilität bringen – Neue Übergangsregel und schuldenstandsabhängige Defizitgrenzen

ahe Berlin

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung plädiert dafür, die Schuldenbremse an drei Stellen nachzubessern. Denn die Wirtschaftsweisen halten die aktuelle Ausgestaltung der Regelungen für zu starr, als es für die Aufrechterhaltung der Schuldentragfähigkeit in Deutschland notwendig wäre. Die nun vorgeschlagene "pragmatische Reform" könnte ihrer Ansicht nach deshalb die Flexibilität der Fiskalpolitik erhöhen, ohne die Stabilität zu gefährden.

Konkret schlagen die Mitglieder des Sachverständigenrates in einem am Dienstag veröffentlichten "Policy Brief" einstimmig vor, die derzeitige Ausnahmeklausel durch eine Übergangsregelung für die Zeit nach einer akuten Notlage zu ergänzen. Sie verweisen darauf, dass die heute notwendige sofortige Konsolidierung des Staatshaushalts in den Folgejahren zu unnötig starken negativen Impulsen für eine noch schwächelnde Wirtschaft führen könnte.

Der Rat könnte sich stattdessen in Anlehnung an die aktuellen EU-Fiskalregeln einen Abbau des strukturellen Defizits von mindestens 0,5 Prozentpunkten pro Jahr vorstellen. Die geplanten künftigen EU-Schuldenregeln sehen einen ähnlichen Übergangspfad vor, in dem Maßnahmen zum Erreichen der Defizitgrenzen über vier Jahre gestreckt werden. Nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen würde mit einer solchen neuen Übergangsregelung sogar eine mögliche Verwässerung der Schuldenbremse vermieden: indem das Wachstum nicht unnötig geschwächt werde und zugleich nicht wiederholt Diskussionen über das Ausrufen von Notlagen geführt würden.

Der zweite Reformvorschlag betrifft die Einführung von schuldenstandsabhängigen Defizitgrenzen. Einer Simulation des Sachverständigenrates zufolge sinkt die Staatsverschuldung selbst dann stetig und deutlich, wenn in jedem Jahr die mögliche Nettokreditaufnahme voll ausgeschöpft wird und zusätzlich regelmäßig Krisen mit höherer Kreditaufnahme auftreten. Bei niedrigen Schuldenstandsquoten könnten daher auch die Defizitgrenzen erhöht werden, hieß es. Der Rat schlägt daher vor, die derzeit zulässige Grenze für das strukturelle Defizit von 0,35% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur noch für eine Staatsverschuldung von 90% des BIP oder höher zu belassen. Bei einer Verschuldung zwischen 60 und 90% des BIP sollte die Grenze auf 0,5% erhöht werden und bei einer Schuldenstandsquote von unter 60% sogar auf 1% des BIP. Laut Sachverständigenrat würde dies eine moderate Erhöhung der fiskalischen Spielräume bedeuten, ohne die Schuldentragfähigkeit zu gefährden.

Gemischte Reaktionen

Den dritten Reformbedarf in der Schuldenbremse sehen die Wirtschaftsweisen bei der methodischen Berechnung der Konjunkturkomponente. Sie verweisen darauf, dass das aktuelle Schätzverfahren als revisionsanfällig gilt und damit eine konjunkturgerechte Haushaltsplanung erschwert. Es gehe um die Anwendung moderner ökonometrischer Schätzverfahren und nicht darum, mit dieser Reform den Verschuldungsspielraum strukturell auszuweiten, hieß es.

Auf die Reformvorschläge gab es zunächst gemischte Reaktionen: Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) erkannte eine "gute Balance zwischen einer flexiblen Finanzpolitik und der langfristigen Stabilität der Staatsfinanzen". Der Verband der Familienunternehmer sprach dagegen von einem "Irrweg".

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